Leitsatz (amtlich)
Der Berechtigte aus einem als Nießbrauch an einem Kommanditanteil bezeichneten Rechtsverhältnis ist, unabhängig davon, ob das Rechtsverhältnis zivilrechtlich dinglicher oder obligatorischer Natur ist, jedenfalls dann Mitunternehmer des Gewerbebetriebs der KG, wenn er im Verhältnis der Beteiligten berechtigt ist, das Stimmrecht aus dem belasteten Kommanditanteil auszuüben, und wenn seine Bezüge in gleicher Weise wie die eines Anteilseigners erfolgsabhängig sind.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung 1965, ob die Nießbraucherin an Kommanditanteilen Mitunternehmerin ist und deshalb der Mietzins, den die KG für ein Fabrikgrundstück zahlt, das ihr gehört, aber ebenfalls mit einem Nießbrauch zugunsten der Nießbraucherin der Kommanditanteile belastet und an die KG vermietet ist, bei der KG nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig, sondern nach § 15 Nr. 2 EStG als Gewinnanteil der Nießbraucherin zurechnungspflichtig ist.
Der Kaufmann B., in zweiter Ehe kinderlos verheiratet mit Frau B., war bis 1963 Alleininhaber einer Fabrik. Mit Wirkung vom 1. Januar 1964 gründete er zusammen mit einem langjährigen verdienten Mitarbeiter S. eine KG - die Klägerin -, deren Komplementär S. und deren Kommanditist B. waren, und brachte in diese sein Einzelunternehmen mit Ausnahme des Fabrikgrundstücks H. Nr. 7 ein.
Das Fabrikgrundstück vermietete B. an die KG. Der Gesellschaftsvertrag vom 2. Januar 1964 sah vor, daß die Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters nicht aufgelöst werde (§ 16) und daß die Erben des B. berechtigt seien, als Kommanditisten in der Gesellschaft zu verbleiben. In einem Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag der Klägerin vom 24. Juni 1964 war wörtlich folgendes bestimmt:
"Jeder Gesellschafter ist berechtigt, seinen Gesellschaftsanteil für den Fall seines Ablebens unter Lebenden oder von Todes wegen beliebig mit Nießbrauchrechten zugunsten seiner Ehefrau oder zugunsten leiblicher Nachkommen zu belasten. Das Stimmrecht übt der Nießbraucher aus, sofern der betreffende Gesellschafter nichts anderes bestimmt. Außerdem kann jeder Gesellschafter die Ausübung aller Rechte, die seinen Erben und Rechtsnachfolgern (auch Vermächtnisnehmern) aus der Gesellschaftsbeteiligung gegenüber der Gesellschaft, gegenüber den Gesellschaftern oder Dritten zustehen, einem Testamentsvollstrecker übertragen, sofern und soweit nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen."
Die übrigen für die steuerliche Beurteilung bedeutsamen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags lauteten wörtlich wie folgt:
§ 8
Gesellschafterversammlung, Stimmrecht und Beschlußfassung
(1) Die in den Angelegenheiten der Gesellschaft erforderlichen Beschlüsse werden, soweit im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist, mit der einfachen Mehrheit der Stimmen gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Beirat. Solange Herr B. Kommanditist der Gesellschaft ist, hat er bzw. im Falle seines Vorversterbens seine Ehefrau 76 % und Herr S. 24 % der Stimmen. Nach Ausscheiden von Herrn und Frau B. haben deren Erben 50 % und Herr S. 50 % der Stimmen....
§ 11
Gewinn- und Verlustverteilung
(1) Von dem Jahresgewinn gebührt jedem Gesellschafter zunächst ein Anteil in Höhe von 5 % seines Kapitalanteils auf Kapitalkonto I und seines Guthabens auf Kapitalkonto II als Verzinsung. Reicht der Jahresgewinn hierzu nicht aus, so bestimmen sich die Anteile nach einem entsprechenden niedrigeren Satz.
(2) Derjenige Teil des Jahresgewinns, der die nach Abs. 1 zu berechnenden Gewinnanteile übersteigt, sowie der Verlust eines Geschäftsjahres wird wie folgt verteilt:
a) Solange Herr B. Kommanditist der Gesellschaft ist, 24 % für Herrn S., 76 % für Herrn B. oder im Falle seines Vorversterbens für dessen Ehefrau.
b) Nach dem Ausscheiden des Herrn B. als Kommanditist oder im Falle seines Vorversterbens nach Ableben seiner Ehefrau 50 % für Herrn S., 50 % für die Erben des Herrn B....
B. verstarb am 10. Oktober 1964. Er hinterließ ein gemeinschaftliches Testament. Darin waren der Neffe W. und die Nichte H. der Frau B. zu Erben des B. je zur Hälfte eingesetzt. Frau B. war der lebenslängliche Nießbrauch an den Erbteilen vermacht. Das Fabrikgrundstück H. Nr. 7 war der Klägerin mit der Maßgabe vermacht, daß Frau B. der lebenslängliche Nießbrauch daran vorbehalten war. Der Erblasser ordnete Testamentsvollstreckung an. Dazu war bestimmt: "Soweit der überlebenden Ehefrau am Geschäftsvermögen der Nießbrauch zusteht, wird das Stimmrecht aus den betreffenden Gesellschaftsanteilen von der Nießbraucherin ausgeübt, nicht vom Testamentsvollstrecker." Das Fabrikgrundstück wurde mit notarieller Urkunde vom 29. September 1965 an die Klägerin aufgelassen. Gleichzeitig wurde daran zugunsten der Frau B. ein dinglicher Nießbrauch bestellt. Das Grundstück blieb wie bisher an die Klägerin zum Preis von jährlich 60 000 DM vermietet.
In das Handelsregister wurde am 23. April 1965 eingetragen, daß der bisherige Kommanditist B. durch Tod ausgeschieden und im Wege der Erbfolge an seine Stelle H. und W. als Kommanditisten eingetreten seien.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) vertrat im Anschluß an eine 1967 durchgeführte Betriebsprüfung die Auffassung, daß Frau B. als Nießbraucherin an den Kommanditanteilen der H. und des W. neben diesen Mitunternehmerin des von der Klägerin betriebenen Unternehmens sei. Demgemäß verteilte das FA im endgültigen Gewinnfeststellungsbescheid 1965 vom 19. April 1968 den auf insgesamt 767 842 DM festgestellten Gewinn der Klägerin auf den Komplementär S. (213 336 DM), den Kommanditisten W. (19 382 DM), die Kommanditistin H. (4 440 DM) und die Nießbraucherin Frau B. (530 684 DM). Die von der Klägerin an Frau B. als Nießbraucherin des Fabrikgrundstücks gezahlte Miete ließ das FA bei Ermittlung des Gewinns der Klägerin nicht zum Abzug zu; den hierdurch ausgewiesenen Mehrgewinn rechnete es Frau B. zu.
Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, es werde zwar nicht bestritten, daß die der Frau B. zustehenden Nutzungen aus den Kommanditanteilen bei dieser Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien. Frau B. sei aber als Nießbraucherin nicht Mitunternehmerin. Deshalb müßten die Einnahmen, die ihr auf Grund des am Fabrikgrundstück bestellten Nießbrauchs und der Vermietung des Grundstücks an die Klägerin zugeflossen seien, als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung behandelt und die entsprechenden Zahlungen der Klägerin als abzugsfähige Betriebsausgaben berücksichtigt werden.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch und ebenso die anschließende Klage waren erfolglos.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung und den Gewinnfeststellungsbescheid 1965 vom 19. April 1968 aufzuheben und den einheitlich festzustellenden Gewinn 1965 auf 707 842 DM und den Gewinnanteil der Frau B. auf 470 684 DM festzustellen. Gerügt wird die Verletzung des § 15 Nr. 2 EStG.
Die Revision ist nicht begründet. Frau B. war im Streitjahr Mitunternehmerin des Gewerbebetriebs, dessen Gewinn Gegenstand der einheitlichen Gewinnfeststellung ist. Die von der Klägerin an Frau B. gezahlte Miete für das Fabrikgrundstück, das zwar der Klägerin gehört, aber zugunsten der Frau B. mit einem Nießbrauch belastet und von dieser gegen Entgelt der Klägerin überlassen ist, kann somit nach § 15 Nr. 2 EStG als an einen Mitunternehmer geleistete Vergütung für das Überlassen von Wirtschaftsgütern den einheitlich festzustellenden Gewinn der Klägerin nicht mindern.
1. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß Frau B. "der Nießbrauch an den Kommanditanteilen" des W. und der H. zusteht.
Zivilrechtlich ist zu unterscheiden zwischen
a) dem Nießbrauch am Gesellschaftsanteil einer Personengesellschaft,
b) dem Nießbrauch an den aus dem Gesellschaftsanteil fließenden Ansprüchen auf Auszahlung der Gewinnanteile, während des Bestehens der Gesellschaft, des Auseinandersetzungsguthabens bei Auflösung der Gesellschaft und des Abfindungsguthabens beim Ausscheiden eines Gesellschafters und
c) dem Nießbrauch am Gewinnstammrecht.
Soweit der für den Streitfall allein bedeutsame Nießbrauch am Gesellschaftsanteil in Frage steht, ist zivilrechtlich streitig, in welcher Form und mit welchem Inhalt der Nießbrauch als dingliches Recht überhaupt möglich ist.
Eine wohl noch als herrschend zu bezeichnende Lehre hält einen Nießbrauch an einem Gesellschaftsanteil nur in der Form für möglich, daß der Nießbraucher voller Inhaber des Gesellschaftsanteils mit allen Rechten und Pflichten wird, der Gesellschaftsanteil also auf ihn "auf Zeit" übertragen wird, und seine Befugnisse lediglich im obligatorischen Innenverhältnis zum Nießbrauchsbesteller den Vorschriften des BGB über den Nießbrauch unterliegen (sogenannte Theorie des Abspaltungsverbotes).
Eine andere Meinung geht dahin, daß der Normalfall eines dinglichen Nießbrauchs zu einer Aufteilung der aus der Mitgliedschaft fließenden personenrechtlichen und vermögensrechtlichen Befugnisse auf Gesellschafter und Nießbraucher führt (Spaltungstheorie). Im Zusammenhang damit steht die weitere Meinung, daß es verschiedene Typen eines dinglichen Nießbrauchs an einer Beteiligung an einer Personengesellschaft gebe und demnach je nach den getroffenen Vereinbarungen der Nießbraucher entweder den Gesellschafter personenrechtlich und vermögensrechtlich fast völlig verdränge oder nur in beschränktem Umfange an den personenrechtlichen und vermögensrechtlichen Befugnissen des Gesellschafters teilnehme oder nur die vermögensrechtliche Nutzung beschränkt sei (vgl. die Übersichten über die Vielfalt der zivilrechtlichen Lehrmeinungen bei Mentz, Der Nießbrauch an OHG- und KG-Mitgliedschaftsrechten, 1972, S. 45 bis 52, und bei Bökelmann, Nutzungen und Gewinn beim Unternehmensnießbrauch, 1971, S. 202 f., jeweils mit eingehenden Nachweisen).
2. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, welche der verschiedenen zivilrechtlichen Lehrmeinungen den Vorzug verdient. Er kann auch offen lassen, ob und eventuell unter welchen Voraussetzungen die Bezüge, die einem Steuerpflichtigen auf Grund eines als Nießbrauch an einem Gesellschaftsanteil bezeichneten Rechtsverhältnisses gebühren, auch dann, wenn das Rechtsverhältnis zivilrechtlich nicht dinglicher, sondern obligatorischer Natur ist, und wenn des weiteren die Stellung des Steuerpflichtigen nicht den allgemeinen Kriterien des Mitunternehmerbegriffs genügt, steuerlich gleichwohl als originäre gewerbliche Einkünfte des sog. Nießbrauchers zu qualifizieren sind. Denn im Streitfall hat das FG zu Recht bejaht, daß Frau B. Mitunternehmerin im Sinne des § 15 Nr. 2 EStG war.
3. Mitunternehmer ist, wer wenigstens in gewissem Umfange Unternehmerinitiative entfalten kann und das mit einem Gewerbebetrieb verbundene Risiko in nicht unerheblichem Maße mitzutragen hat. Diesen Erfordernissen genügt die tatsächliche und rechtliche Stellung der Frau B. im Streitjahr, und zwar unabhängig davon, ob ihre rechtliche Stellung im Verhältnis zur Klägerin und zu den Erben des B. zivilrechtlich dinglicher oder obligatorischer Natur ist.
Frau B. konnte Unternehmerinitiative entfalten, denn es war vereinbart, daß allein sie die Stimmrechte aus den Kommanditanteilen der H. und des W. ausüben sollte. Gerade das Stimmrecht ist aber das wichtigste Mitverwaltungsrecht in einer Personengesellschaft; es vermittelt die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, Unternehmerinitiative zu entfalten, soweit diese Unternehmerinitiative nicht dem geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Gesellschafter überlassen ist. Die Gründe, die den Erblasser B. veranlaßten, das Stimmrecht seiner Witwe als Nießbraucherin zuzuweisen, sind für die Frage, ob Frau B. Unternehmerinitiative entfalten konnte, nicht entscheidend. Daß im übrigen nicht allein Gründe der Sicherung gegenüber den Erben maßgebend gewesen sein können, zeigt sich an der Abgrenzung zu den Befugnissen des Testamentsvollstreckers. Auch im Verhältnis zu diesen war allein Frau B. befugt, die Stimmrechte aus den Kommanditanteilen auszuüben.
Frau B. hatte insofern auch ein gewisses Risiko zu tragen, als ihre Bezüge in vollem Umfange ertragsabhängig waren und sie auch in beschränktem Umfange, nämlich bis zur Höhe der Kommanditeinlagen der H. und des W., am Verlust beteiligt war. Die Revision irrt, wenn sie meint, Verluste seien ausschließlich "von den Eigentümern" zu tragen. Zivilrechtlich ist unabhängig von der Frage, ob und in welcher Form ein Nießbrauch an Kommanditanteilen möglich ist, anerkannt, daß, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, der Nießbraucher zwar nicht unmittelbar am Verlust beteiligt ist, daß er aber etwaige Verluste gleichwohl insofern wirtschaftlich trägt, als Verluste, die die Kommanditeinlage gemindert haben, durch Gewinne der folgenden Jahre wieder ausgeglichen werden müssen, diese Gewinne also vom Nießbraucher ebensowenig wie vom Kommanditisten entnommen werden können (vgl. Mentz, a. a. O., S. 147; Weber/Lutter, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 1973 S. 45/65 f.; Jansen/Hoffmann, Der Nießbrauch im Zivil- und Steuerrecht, 1972 S. 69; Schulze zur Wiesche, DB 1970, 171/172). Dem entspricht im Streitfall, daß § 11 des Gesellschaftsvertrags ausdrücklich von einer Verlustbeteiligung der Frau B. ausgeht.
Entgegen der Ansicht der Revision spricht es nicht gegen die Mitunternehmerschaft der Frau B., daß diese weder zur Geschäftsführung noch zur Vertretung berechtigt war, denn z. B. auch ein Kommanditist ist nach der gesetzlichen Regelung von der Geschäftsführung und der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen (§§ 164, 170 HGB). Entsprechendes gilt für die fehlende Beteiligung am Gesamthandsvermögen. Daß eine dingliche Mitberechtigung am Gesamthandsvermögen keine unerläßliche Voraussetzung einer Mitunternehmerschaft ist, zeigt sich schon an der Anerkennung des atypischen stillen Gesellschafters als Mitunternehmer. Es ist aber auch nicht unerläßlich, daß der Mitunternehmer stets wenigstens obligatorisch an den stillen Reserven und am Geschäftswert teilhat. Eine derartige Teilhabe bietet zwar ein gewichtiges Indiz für eine Mitunternehmerschaft. Ihr Fehlen kann jedoch anderweitig aufgewogen werden. Entscheidend ist allein das Gesamtbild der Verhältnisse (vgl. auch Urteil des BFH vom 9. Oktober 1969 IV 294/64, BFHE 98, 21, BStBl II 1970, 320).
4. Zu Unrecht beruft sich die Revision auf das BFH-Urteil vom 28. Februar 1961 I 25/61 U (BFHE 72, 689, BStBl III 1961, 252). Das Urteil betont ausdrücklich, daß Unternehmer nicht immer derjenige sei, dem das Betriebsvermögen gehört, daß also Unternehmer sehr wohl auch jemand sein kann, der nicht Eigentümer der dem Betrieb dienenden Wirtschaftsgüter ist. Gerade aus diesem Grunde ist es unerheblich, ob Frau B. am Gesamthandsvermögen der Klägerin dinglich mitberechtigt war. Wenn das Urteil sodann ausspricht, Unternehmer eines Betriebs sei, wer ihn auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko führe, so kann dies nicht, wie offenbar die Revision will, dahin verstanden werden, daß Unternehmer nur sei, wer allein das gesamte Unternehmerrisiko für einen bestimmten Betrieb trägt. Der Begriff des Mitunternehmers beinhaltet gerade, daß jemand neben anderen am Unternehmerrisiko teilhat.
Fundstellen
Haufe-Index 70440 |
BStBl II 1973, 528 |
BFHE 1973, 133 |