Leitsatz (amtlich)
Zahlungen, die ein Hersteller seinem Großhändler dafür leistet, daß er dessen Abnehmer unter Verletzung des Großhändler-Vertrages direkt beliefert, sind beim Großhändler keine außerordentlichen Einkünfte i. S. der §§ 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 24 Nr. 1 EStG.
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob es sich bei den Zuwendungen, die die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Großhandels-KG, von ihrem Hersteller im Zusammenhang mit der Umorganisation des Vertriebsnetzes des Herstellers erhielt, um außerordentliche Einkünfte i. S. des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 24 Nr. 1 EStG handelt.
Die Klägerin hatte im März 1963 mit dem Hersteller einen Großhändler-Vertrag geschlossen, der an die Stelle des bis dahin laufenden Großhändler-Vertrages trat und mit dem 31. Dezember 1966 ohne besondere Kündigung enden sollte. Darin hatte der Hersteller der Klägerin das Verkaufsrecht für seine Erzeugnisse in einem bestimmten Bezirk übertragen. Die Klägerin stand ihrerseits mit anderen Händlern in Vertragsbeziehungen.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 1963 kündigte der Hersteller der Klägerin unter Hinweis auf die bestehende Marktsituation sowie die zu erwartende Verschärfung des Wettbewerbs einen "grundlegenden Wandel in der Verkaufsorganisation" an. Zum 1. Januar 1967 sollte geeigneten Abnehmern der Klägerin ein Direkthändler-Vertrag angeboten werden; Großhändler sollte es dann nicht mehr geben. Wegen des Fortfalls des Großhandelsgeschäfts wurde die Klägerin auf die zu erwartende Umsatzsteigerung ihres Direktgeschäfts infolge des umfangreicher werdenden Fertigungsprogramms verwiesen. Für die Übergangszeit bis zum Ablauf des Großhändlervertrages enthielt das Schreiben die Ankündigung, im Interesse einer reibungslosen Umstellung müsse schon vor dem 1. Januar 1967 eine Anzahl von Händlern in ein Vertragsverhältnis als Direkthändler zum Hersteller treten. Derartige Ernennungen sollten unter vorheriger Unterrichtung der Klägerin vorgenommen werden, wobei die Umsatzeinbußen der Klägerin finanziell berücksichtigt werden sollten.
Der Hersteller zahlte aufgrund der nach seinen Ankündigungen durchgeführten Umwandlung des Absatzsystems an die Klägerin
1965 252 947,54 DM
1966 331 925,74 DM
1967 21 977,21 DM
Diese Einnahmen behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für alle drei Veranlagungszeiträume als laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb.
Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, es habe sich bei den von dem Hersteller geleisteten Zahlungen um tarifbegünstigte Entschädigungen gemäß § 34 in Verbindung mit § 24 EStG gehandelt. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Aufgrund einer zwischenzeitlichen durchgeführten Betriebsprüfung ergingen während des Klageverfahrens geänderte einheitliche Feststellungsbescheide für die Streitjahre 1966 und 1967, die auf Antrag der Klägerin gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das FG ausgeführt, es könne dahinstehen, ob es sich bei den streitigen Zuwendungen um Entschädigungen i. S. des § 24 Nr. 1 a oder c EStG gehandelt habe; die begehrte Steuervergünstigung sei jedenfalls deshalb zu versagen, weil die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht erfüllt seien. Sinn und Zweck dieser Bestimmungen sei es, die tarifliche Spitzenbelastung bei einer Zusammenballung von Einnahmen, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten, zu mildern. Im vorliegenden Fall sei eine besondere tarifliche Spitzenbelastung der Klägerin nicht zu erkennen. Insoweit sei entscheidend, daß nicht eine Mehrzahl vergangener Jahre, sondern das einzelne der Klägerin entgehende Geschäft zum Maßstab der Zahlungen gemacht worden sei. Dadurch habe die Klägerin lediglich einen Teil der ihr aus dem Großhandelsgeschäft entgehenden Einnahmen erhalten, so daß ein Progressionsnachteil nicht habe entstehen können.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, 24 Nr. 1 a und c EStG. Sie macht geltend, der Großhändler-Vertrag habe sie mit zahlreichen Bestimmungen vollständig in den Dienst des Herstellers gestellt. Auf derartige agenturähnliche Vertragsverhältnisse werde von der Rechtsprechung des BGH zu Recht § 89 b HGB analog angewendet. Im Streitfall komme hinzu, daß die Klägerin als Eigenhändlerin verpflichtet gewesen sei, dem Hersteller den geworbenen Kundenstamm zugänglich zu machen. Lägen aber die Voraussetzungen des § 89 b HGB vor, so sei der begünstigte Steuersatz in jedem Fall zu gewähren, ohne daß es noch darauf ankomme, ob eine Zusammenballung von Einkünften gegeben sei oder nicht. Selbst wenn man in den streitigen Zahlungen aber keine Ausgleichszahlung nach § 89 b HGB sehen wolle, müsse die Tarifbegünstigung bejaht werden. Zwar seien außerordentliche Einkünfte in der Regel nur anzunehmen, wenn durch einen einmaligen Betrag entgangene Einnahmen mehrerer Jahre abgegolten würden. In der Rechtsprechung des BFH sei jedoch anerkannt, daß die Vergünstigung auch für Entschädigungen gewährt werden könne, die an die Stelle der Einnahmen nur eines Jahres träten. Auch die Einmaligkeit der Zahlung sei keine unabdingbare Voraussetzung der Tarifbegünstigung, da in Ausnahmefällen eine Verteilung auf zwei Jahre zugelassen werde. Im Streitfall habe die im Jahre 1967 geleistete Zahlung von 21 977 DM wirtschaftlich in das Jahr 1966 gehört; sie habe aufgrund einer verzögerten Abrechnung durch den Hersteller erst im Jahre 1967 erfaßt werden können. In Wirklichkeit seien die Zahlungen mithin innerhalb von zwei Jahren erfolgt. Die Annahme eines Ausnahmefalles sei gerechtfertigt, weil die Klägerin ohne die Kündigung noch viele Jahre Großhandelsumsätze für den Hersteller hätte tätigen können.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die von dem Hersteller geleisteten Zahlungen als Entschädigungen i. S. des § 24 Nr. 1 in Verbindung mit § 34 EStG zu behandeln.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Die streitigen Zahlungen sind zunächst keine außerordentlichen Einkünfte nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 24 Nr. 1 a EStG.
Der Senat brauchte nicht zu entscheiden, ob im Streitfall die Voraussetzungen des § 24 Nr. 1 a EStG erfüllt sind. Denn selbst wenn man unterstellt, daß die streitigen Zahlungen Entschädigungen i. S. des § 24 Nr. 1 a EStG sind, kann der begünstigte Steuersatz nicht gewährt werden, weil insoweit keine außerordentlichen Einkünfte i. S. des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG vorliegen. Zutreffend geht das FG davon aus, daß nicht alle unter § 24 Nr. 1 a EStG fallenden Entschädigungen als außerordentliche Einkünfte i. S. von § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG anzusehen sind, sondern daß es sich um eine Zusammenballung von Einnahmen handeln muß, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten (BFH in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Urteil vom 11. Dezember 1970 VI R 66/66, BFHE 100, 530, BStBl II 1971, 137); anderenfalls ist ein sachlicher Grund für die von der Bestimmung bezweckte Milderung der tariflichen Spitzenbelastung nicht gegeben. Zu Unrecht mißt die Klägerin diesem Umstand keine entscheidende Bedeutung zu. In dem Urteil vom 17. Dezember 1959 IV 223/58 S (BFHE 70, 195, BStBl III 1960, 72), auf das die Klägerin sich beruft, hat der BFH zwar entschieden, eine außerordentliche Einkunft könne auch dann angenommen werden, wenn die Entschädigung an die Stelle von Einnahmen nur eines Jahres trete. Voraussetzung sei dann jedoch, daß sich die Besteuerung der Entschädigung infolge des Zusammentreffens der Zahlung oder des buchmäßigen Zuflusses der Entschädigung mit anderen Einkünften ungünstiger auswirke; dies sei namentlich der Fall, wenn der Steuerpflichtige in dem Jahr, dem die entgangenen oder entgehenden Einnahmen zuzurechnen gewesen wären, andere Einnahmen nicht oder nur in geringem Umfang gehabt habe, im Jahr der Entschädigung jedoch weitere, nicht ganz unwesentliche Einkünfte vorhanden gewesen seien. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Für die Streitjahre 1965 und 1966 ergibt sich das schon daraus, daß die Entschädigung jeweils in dem Veranlagungszeitraum gezahlt wurde, in den sonst der Großhandelsumsatz gefallen wäre. Aber auch für den nach dem 31. Dezember 1966 (vereinbartes Auslaufdatum des Großhandels-Vertrages) geleisteten Betrag von 21 977,21 DM ist ein Progressionsnachteil nicht gegeben. Zwar lagen im Jahr 1967 weitere Einnahmen aus dem eigenen Direktgeschäft der Klägerin vor, doch wären die Entschädigungszahlungen im Jahre 1966 nicht nur mit den Einnahmen der Klägerin aus dem eigenen Direktgeschäft, sondern zusätzlich mit den verbliebenen Einnahmen aus dem Großhandelsgeschäft sowie dem gezahlten Entschädigungsbetrag von 331 925,74 DM zusammengetroffen.
Sind danach außerordentliche Einkünfte bereits mangels einer Zusammenballung von Einnahmen zu verneinen, so brauchte nicht mehr geprüft zu werden, ob die Außerordentlichkeit auch deshalb nicht gegeben ist, weil die Zahlung nicht in einer Summe, sondern in Einzelbeträgen - verteilt auf drei Veranlagungszeiträume - erfolgt ist.
II. Im Ergebnis zutreffend hat das FG auch das Vorliegen außerordentlicher Einkünfte i. S. von § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 24 Nr. 1 c EStG verneint. Zu Unrecht hat es jedoch offengelassen, ob die streitigen Zahlungen Ausgleichszahlungen nach § 89 b HGB darstellen oder nicht. Denn wenn es sich um Ausgleichszahlungen nach § 89 b HGB handelte, war der begünstigte Steuersatz zu gewähren, ohne daß es auf die Prüfung der Außerordentlichkeit der Einkünfte noch angekommen wäre (Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., § 24 EStG, Rdnr. 9 und § 34 EStG, Rdnr. 8 d).
Die Voraussetzungen von § 89 b HGB sind jedoch nicht gegeben, § 89 b HGB setzt u. a. voraus, daß der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert. Der Zweck des Ausgleichsanspruchs ist es, dem Handelsvertreter für die Schaffung des Kundenstamms eine Gegenleistung zu sichern (Baumbach-Duden, Handelsgesetzbuch, 21. Aufl., § 89 b Anm. 1). Die Zahlungen des Herstellers erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Die Klägerin erhielt keinen Ausgleich für die Schaffung des Kundenstamms, sondern für die Direktbelieferung ihrer ehemaligen Abnehmer durch den Hersteller während und unter Verletzung des noch laufenden Großhändler-Vertrages. Für die Zeit nach Beendigung des Großhändler-Vertrages hat sie dagegen nichts erhalten.
Die Entstehung des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB würde im übrigen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut die Beendigung des Vertragsverhältnisses voraussetzen (vgl. BFH-Urteile vom 26. März 1969 I R 141/66, BFHE 95, 497, BStBl II 1969, 485, und vom 20. Juli 1962 IV 195/61, StRK, Einkommensteuergesetz § 16 Rechtsspruch 45). Im Streitfall sind die Zahlungen aber für die Zeit vor Beendigung des Großhändler-Vertrages geleistet worden.
Sind danach die Voraussetzungen des § 89 b HGB und damit auch die des § 24 Nr. 1 c EStG aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht gegeben, so kommt dem Umstand, daß die Klägerin keine Handelsvertreterin, sondern Eigenhändlerin war, für die Entscheidung des Streitfalls keine Bedeutung mehr zu.
Fundstellen
Haufe-Index 71376 |
BStBl II 1975, 485 |
BFHE 1975, 261 |