Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Abzug von Finanzierungskosten nach Veräußerung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen; Verfahrensfolgen einer Bescheidänderung während des Revisionsverfahrens
Leitsatz (NV)
1. Zinsen, die ein Gesellschafter einer GmbH nach Veräußerung der Beteiligung für ein noch fortbestehendes Refinanzierungsdarlehen für die Anschaffung der im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung entrichtet, können - jedenfalls nach der bis einschließlich 1998 geltenden Gesetzeslage - nicht mehr als - nachträgliche - Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden (Fortführung der ständigen Rechtsprechung).
2. Ergeht während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid, der Gegenstand des Revisionsverfahrens wird, so ist das angefochtene FG-Urteil aufzuheben. Haben sich hinsichtlich der Streitpunkte indes keine Änderungen ergeben und stellt der Kläger auch keine weiter gehenderen Anträge, so bedarf es keiner Zurückverweisung an das FG. Vielmehr bilden die verfahrensfehlerfreien Feststellungen des FG unverändert die Grundlage für die Entscheidung des BFH.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, §§ 17, 20 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Nr. 2; FGO § 68 S. 1, § 127
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die als Eheleute zusammen veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) begehren die steuermindernde Berücksichtigung nachträglicher Aufwendungen für eine wesentliche, vom Kläger in seinem Privatvermögen gehaltene Beteiligung an einer GmbH in den Streitjahren 1998 und 1999.
Der Kläger war Gründungsgesellschafter der P-GmbH mit einer Beteiligung von 50 v.H. am Stammkapital. 1993 veräußerte er seine Beteiligung an der bereits im Vorjahr überschuldeten P-GmbH an den Mitgesellschafter zum Preis von 0 DM. Zusätzlich musste er sich verpflichten, eine Darlehensverbindlichkeit der P-GmbH gegenüber der Sparkasse D in Höhe von 1,2 Mio. DM zur Ablösung von betrieblichen Kreditverpflichtungen zu übernehmen.
Die für das Darlehen in der Folgezeit von ihm entrichteten Zinsen in Höhe von 61 878 DM für 1998 und von 60 904 DM für 1999 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (Einkommensteuerbescheide vom 12. September 2000 und 25. Oktober 2000) an.
Den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 1998 stellte das FA mit geändertem Bescheid vom 24. Oktober 2000 für den Kläger auf 103 961 DM und für die Klägerin auf 1 564 DM fest. Die u.a. gegen die Einkommensteuerfestsetzung für 1999 und die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum 31. Dezember 1998 eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 11. September 2001 als unbegründet zurück. Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1361 veröffentlichtem Urteil als unbegründet ab.
Mit der --vom FG im Hinblick auf das inzwischen durch Urteil vom 5. Oktober 2004 VIII R 64/02 entschiedene Revisionsverfahren zugelassenen-- Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Die mit dem Darlehen des Klägers finanzierten Aufwendungen stellten Anschaffungskosten der im Jahr 1993 veräußerten wesentlichen Beteiligung des Klägers dar. Das Darlehen von 1,2 Mio. DM habe nicht durch den 0 DM betragenden Kaufpreis getilgt werden können. Die geltend gemachten Schuldzinsen beruhten aber auf diesem Darlehen und seien deshalb, wie der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 16. September 1999 IX R 42/97 ausgeführt habe, als nachträgliche Werbungskosten zum Abzug zuzulassen.
Es handele sich nicht um eine Gegenleistung für die Überlassung von Kapital, welches aufgrund eines nicht steuerbaren Verlustes im privaten Vermögensbereich nicht mehr der Einkünfteerzielung diene, sondern um Folgeaufwendungen des Veräußerungsverlustes gemäß § 17 Abs. 1 und 2 EStG.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des FG-Urteils den geänderten Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1998 vom 15. Oktober 2004 sowie den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 15. Oktober 2004 zu ändern und Schuldzinsen in Höhe von 61 878 DM (1998) und von 60 904 DM (1999) als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Übereinstimmend mit der rechtlichen Würdigung des angefochtenen Urteils handele es sich bei den Schuldzinsen um in den Streitjahren nicht berücksichtigungsfähige nachträgliche Werbungskosten.
Die Beteiligten haben erklärt, die während des Revisionsverfahrens erlassenen Änderungsbescheide vom 15. Oktober 2004 berührten nicht die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffes.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das Urteil des FG ist zwar aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Auf der Grundlage der gleichwohl fortgeltenden finanzgerichtlichen Feststellungen ist die Klage indes unverändert als unbegründet abzuweisen; denn die in den Streitjahren 1998 und 1999 geltend gemachten Schuldzinsen sind steuerlich nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen des Klägers abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Nr. 2 EStG).
Die Vorentscheidung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben; denn das FG hat über die angefochtenen Bescheide --den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 1998 und den Einkommensteuerbescheid 1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. September 2001-- entschieden. An die Stelle dieser Bescheide traten während des Revisionsverfahrens die geänderten Bescheide vom 15. Oktober 2004.
Damit liegen dem FG-Urteil in ihrer Wirkung suspendierte Bescheide zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil insoweit keinen Bestand mehr haben kann (BFH-Urteile vom 13. Dezember 2006 VIII R 62/04, BStBl II 2007, 568; vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43, und vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10).
Die Bescheide vom 15. Oktober 2004 wurden nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens (BFH-Urteil vom 4. November 1999 V R 35/98, BFHE 190, 67, BStBl II 2000, 454, m.w.N.). Da sich hinsichtlich des Streitpunkts durch die Änderung dieser Bescheide keine Änderungen ergeben und die Kläger auch keine weiter gehenden Anträge gestellt haben, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden vielmehr nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (BFH-Urteile in BStBl II 2007, 568, sowie in BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43, und in BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10).
III.
1. Die vom Kläger in den Streitjahren 1998 und 1999 geleisteten Schuldzinsen sind nicht als Werbungskosten bei dessen Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar.
a) Finanzierungskosten einer im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Beteiligung sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht den Anschaffungskosten zuzurechnen, sondern als laufende Werbungskosten im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 20 EStG zu behandeln (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2004 VIII R 64/02, BFH/NV 2005, 54; vom 19. Januar 1993 VIII R 74/91, BFH/NV 1993, 714; BFH-Beschlüsse vom 23. September 1998 VIII B 115/97, BFH/NV 1999, 310; vom 27. November 1995 VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406). Der Abzug von Zinsen aus Refinanzierungsdarlehen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung ist allerdings nach der Veräußerung der Beteiligung --als deren entgeltlicher Übertragung (vgl. BFH-Urteil vom 9. September 1986 VIII R 95/85, BFH/NV 1986, 731)-- oder der Auflösung der Gesellschaft als sog. nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen aus rechtssystematischen Gründen ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Zeit vor der Veräußerung oder Auflösung entfallen (vgl. zuletzt BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 54, und vom 21. Januar 2004 VIII R 2/02, BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551, sowie BFH-Beschlüsse vom 1. Dezember 2006 VIII B 147/05, juris; vom 18. Mai 2005 VIII B 141/04, BFH/NV 2005, 1783).
b) Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass nachträgliche Aufwendungen des Anteilseigners, soweit sie --wie der Verlust durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster Darlehen oder Bürgschaften-- zu den nachträglichen Anschaffungskosten gehören, auch noch berücksichtigt werden können, wenn sie nach Abschluss der Liquidation der Gesellschaft anfallen. Die von § 17 EStG erfassten Aufwendungen sind im Rahmen einer stichtagsbezogenen Gewinnermittlung zum Zeitpunkt der Veräußerung der Beteiligung oder der Liquidation der Gesellschaft zu berücksichtigen und --soweit sie in diesem Zeitpunkt noch nicht vorhersehbar waren-- rückwirkend in die Gewinnermittlung einzubeziehen. Die hiervon abweichende Beurteilung der Schuldzinsen zur Finanzierung der nachträglichen Anschaffungskosten oder der Veräußerungskosten ist eine Folge der gesetzlichen Regelung, nach der auch bei Beteiligungseinkünften i.S. von § 17 EStG die laufenden Aufwendungen nach den für Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltenden Grundsätzen zu beurteilen sind. Mit dem Wegfall der Einkünfteerzielung entfällt --ungeachtet der Veranlassung der Aufwendungen durch den Erwerb oder die Sicherung der Beteiligung-- auch der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart (BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 54, m.w.N.).
c) Die gegen diese Rechtsprechung in der Literatur und von einzelnen FG vorgetragenen Argumente hat der Senat wiederholt eingehend geprüft und als nicht gewichtig genug gewertet, um eine jahrzehntelange Rechtsprechung, zumal bei einer unveränderten Gesetzeslage --nämlich einer Wesentlichkeitsgrenze im Jahr 1993 von 25 v.H.--, aufzugeben.
d) Die vom IX. Senat des BFH in den Urteilen vom 12. Oktober 2005 IX R 28/04 (BFHE 211, 255, BStBl II 2006, 407) und vom 16. September 1999 IX R 42/97 (BFHE 190, 165, BStBl II 2001, 528) zugelassenen Ausnahmen bei darlehensfinanzierten, als sofort abziehbare Werbungskosten zu qualifizierenden Erhaltungsaufwendungen liegen im Streitfall ersichtlich nicht vor (vgl. auch bereits BFH-Urteil vom 8. Dezember 1992 VIII R 99/90, BFH/NV 1993, 654, 656 a.E.).
2. Ob der erkennende Senat an seiner Rechtsprechung zum Ausschluss des sog. nachträglichen Schuldzinsenabzugs bei im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen auch noch für die Zeit nach Absenkung der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG maßgeblichen Beteiligungsgrenze auf 1 v.H. durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) und der damit, vorbehaltlich der "Bagatellgrenze", einhergehenden konzeptionellen Gleichbehandlung von Gewinnausschüttung und Veräußerung (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Februar 2006 VIII B 107/04, BFHE 212, 285, BStBl II 2006, 523; BFH-Urteile vom 1. März 2005 VIII R 25/02, BFHE 209, 275, BStBl II 2005, 436; vom 27. Oktober 2005 IX R 15/05, BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171) festhält, ist im Streitfall, in dem im Zeitpunkt der Veräußerung der Beteiligung im Jahr 1993 noch die ursprünglich maßgebliche Beteiligungsgrenze von 25 v.H. gegolten hat, nicht zu entscheiden. Gleiches gilt für die Frage, ob möglicherweise bereits für die Zeit nach Absenkung der maßgeblichen Beteiligungsgrenze auf 10 v.H. durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) eine Änderung der Rechtsprechung zum nachträglichen Schuldzinsenabzug in Betracht zu ziehen wäre.
3. Auch eine "Umqualifizierung" der als Werbungskosten nicht mehr berücksichtigungsfähigen Zinsaufwendungen in nachträgliche Anschaffungskosten mit dem Ziel, die Zinsen als "Beteiligungsaufwendungen" im Rahmen des § 17 EStG abzugsfähig zu machen, ist nach der Rechtsprechung aus rechtssystematischen Gründen ausgeschlossen (BFH-Urteil in BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551, unter II.3.b der Gründe, m.w.N.).
4. Bei diesem Ergebnis kann offenbleiben, ob die Schuldzinsen tatsächlich --wie die Kläger entgegen der rechtlichen Beurteilung durch das FG behaupten-- durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen sind. Finanzierungsmaßnahmen des Gesellschafters sind nämlich nur dann durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn und insoweit sie eigenkapitalersetzenden Charakter haben; denn nur das mit einer solchen Finanzierungsmaßnahme verbundene Haftungsrisiko rechtfertigt es, sie den gesellschaftsrechtlichen Einlagen gleichzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 54, m.w.N.). Im Streitfall hat der Kläger indes das Darlehen erst im Zuge der Veräußerung übernommen.
Fundstellen
Haufe-Index 1825126 |
BFH/NV 2008, 37 |