Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Sacheinheit.
Normenkette
UStG 1951 § 7 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger), der den Großhandel mit Stofftieren betreibt, lieferte im Streitjahr überwiegend sogenannte "Berliner Bären"; das sind weiße oder braune Plüschbären, die mit einer Krone und Schleifen oder Schärpen mit der Aufschrift "Berlin" oder "Grüße aus Berlin" versehen sind. Die Bären befinden sich in durchsichtigen Schachteln (Klarsichtverpackung) mit der Aufschrift "Berlin" und werden als Andenken an Berlin verkauft. Die Plüschbären, Kronen, Schleifen und Schärpen sowie die Klarsichtverpackung erwarb der Steuerpflichtige getrennt. Teilweise erwarb der Steuerpflichtige auch Bären mit bereits aufgesetzter Krone. In den anderen Fällen befestigte der Steuerpflichtige mit Stecknadeln die Krone auf dem Kopf und in allen Fällen die Schärpe an dem Körper der Bären; diese wurden sodann in die Schachteln gestellt; zum Teil wurden sie auch auf einen Pappsockel aufgeleimt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) versagte dem Steuerpflichtigen für die Lieferungen der Berliner Bären den ermäßigten Großhandelssteuersatz nach § 7 Abs. 3 UStG 1951 mit der Begründung, der Steuerpflichtige habe die Liefergegenstände bearbeitet. Aber auch für die Lieferungen anderer Plüsch- und Stofftiere wurde dem Steuerpflichtigen der ermäßigte Großhandelssteuersatz nicht gewährt, weil der Nämlichkeitsnachweis nicht vorlag und eine Trennung der Entgelte für bearbeitete und unbearbeitete Waren nicht möglich war. Das FA erklärt sich jedoch bereit, insoweit die Frage eines Billigkeitserlasses nach Abschluß des Rechtsmittelverfahrens zu prüfen.
Einspruch und Klage des Steuerpflichtigen blieben erfolglos. Die Vorinstanz ist der Auffassung, der Steuerpflichtige habe durch das Hinzufügen von Krone und Schärpe sowie das Einstellen in eine durchsichtige Schachtel die Marktgängigkeit der Plüschbären entscheidend geändert. Während diese vorher nur als Kinderspielzeug oder zu ähnlichen Zwecken geeignet gewesen seien, hätten sie durch die Tätigkeit des Steuerpflichtigen den Charakter eines Symbols oder eines Andenkens erlangt und erst in dieser Form auch für Erwachsene, insbesondere Berlin-Besucher, einen Anreiz zum Kauf geboten. In der Tätigkeit des Steuerpflichtigen könne auch kein steuerlich unschädliches Kennzeichnen im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB 1951 gesehen werden, weil der Steuerpflichtige sich nicht darauf beschränkt habe, auf einer verkaufsfertigen Ware eine Herkunftsbezeichnung anzubringen, sondern eine als Andenken geeignete Ware hergestellt und damit den erworbenen Gegenständen eine im Verkehr als wesentlich angesehene Eigenschaft verliehen habe. Auch ein nach § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB 1951 steuerlich unschädliches Zusammenstellen erworbener Gegenstände zu einer Sachgesamtheit liege nicht vor, weil der Steuerpflichtige eine neue Sacheinheit gebildet habe. Für die Lieferungen der anderen nichtbearbeiteten Stofftiere sei die Großhandelsvergünstigung deshalb zu versagen, weil das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuervergünstigung nicht leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Steuerpflichtigen. Er rügt mangelhafte Aufklärung des Sachverhalts durch die Vorinstanz sowie Verletzung materiellen Rechts. Das FG sei ohne weitere Beweiserhebung und lediglich aufgrund einer Inaugenscheinnahme zu der unrichtigen Feststellung gelangt, daß die Plüschbären ohne die vom Steuerpflichtigen daran vorgenommenen Veränderungen nur als Kinderspielzeug oder zu ähnlichen Zwecken geeignet waren. Jeder Sachverständige könne bestätigen, daß die Plüschbären ... als Kinderspielzeug ungeeignet waren und in dieser Art bereits vom Fabrikanten der Bären nur zur Verwendung als Andenken hergestellt wurden. Im übrigen würden durch den Steuerpflichtigen keine neuen Sacheinheiten gebildet, sondern die erworbenen Plüschbären lediglich verpackt und nach ihrer Herkunft gekennzeichnet. Auch in bezug auf die unbearbeitet weitergelieferten Stofftiere habe die Vorinstanz ihre Aufklärungspflicht verletzt. Weder den Prüfungsfeststellungen noch dem Schriftwechsel könne entnommen werden, daß der Steuerpflichtige die Bearbeitung der erworbenen Gegenstände nicht aufgezeichnet und keine Trennung zwischen den für die Berliner Bären und die sonstigen Umsätze vereinnahmten Entgelte vorgenommen habe. Die Umsätze mit Berlin-Bären seien vielmehr sowohl im Einkauf wie im Verkauf in der Buchführung klar getrennt worden.
Der Steuerpflichtige beantragt, ihm für die streitigen Umsätze den ermäßigten Steuersatz des § 7 Abs. 3 UStG 1951 zu gewähren, hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das FG zur anderweitigen Entscheidung zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen; es hält die rechtlichen Ausführungen des FG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Soweit der Steuerpflichtige mangelnde Sachaufklärung in bezug auf die Verwendbarkeit der unbearbeiteten Plüschbären als Kinderspielzeug rügt, ist die Rüge unbegründet, weil es hierauf nicht ankommt. Die in Rede stehenden Ausführungen des FG können bei sinnvoller Betrachtung nur dahin verstanden werden, daß nach seiner Auffassung die Marktgängigkeit der erworbenen, unbearbeiteten Plüschbären eine andere war als die der vom Steuerpflichtigen nach ihrer Ausstattung mit Krone, Schärpe, Beschriftung und Klarsichtverpackung veräußerten Berliner Bären. Zu diesem Ergebnis aber konnte das FG kommen, wenn es festgestellt hat, daß die Plüschbären erst durch die Tätigkeit des Steuerpflichtigen den Charakter eines Symbols oder eines Andenkens erhalten und erst in dieser Form einen besonderen Käuferkreis angesprochen haben. Unter diesen Umständen ist es ohne Bedeutung, ob die Plüschbären vorher gerade als Kinderspielzeug oder für ähnliche Zwecke geeignet waren oder ob sie - wie der Steuerpflichtige ausführt - ... vom Fabrikanten von vornherein dazu bestimmt waren, in der Weise verwendet zu werden, wie sie nach Ausgestaltung durch den Steuerpflichtigen auch tatsächlich verwendet worden sind, weil unstreitig die Berliner Bären ihren besonderen Charakter erst durch die Behandlung durch den Steuerpflichtigen erhalten haben und erst durch diese aus - wenn auch zur weiteren Ausgestaltung bestimmten - Plüschbären die sogenannten Berliner Bären gestaltet wurden.
Es ist daher allein zu prüfen, ob trotz der Änderung der Marktgängigkeit durch den Steuerpflichtigen Umstände gegeben sind, die es rechtfertigen, das Vorliegen einer Bearbeitung oder Verarbeitung durch den Steuerpflichtigen zu verneinen. Dies ist nicht der Fall.
Nach § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB 1951 gilt u. a. nicht als Bearbeitung und Verarbeitung das Zusammenstellen erworbener Gegenstände zu Sachgesamtheiten. Zutreffend hat das FG hierzu ausgeführt, der Steuerpflichtige habe durch seine Tätigkeit nicht Sachgesamtheiten gebildet, sondern Sacheinheiten hergestellt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Frage, ob es sich um eine Sache handelt, nach bürgerlichem Recht zu beurteilen, dem der Sachbegriff (§§ 90 ff. BGB) entstammt (vgl. Urteile V 158/59 U vom 12. April 1962, BFH 74, 708, BStBl III 1962, 261; V 13/61 U vom 14. Februar 1963, BFH 76, 548, BStBl III 1963, 199; V 162/62 U vom 17. Dezember 1964, BFH 81, 367, BStBl III 1965, 131, und V 212/64 vom 11. Mai 1967, BFH 89, 162, BStBl III 1967, 581). Eine Sache im Sinne des § 90 BGB ist ein für sich allein bestehender, im Verkehrsleben besonders bezeichneter Gegenstand (Urteil des BFH V 212/64, a. a. O.). Dabei wird der Sachbegriff in der Regel durch die "Kohärenz" bestimmt (vgl. die im vorgenannten Urteil zitierte Literatur). Jedoch reicht auch eine nur lose körperliche Verbindung, die z. B. bereits durch die Schwerkraft bewirkt wird, zur Annahme einer Sacheinheit aus. So hat der Senat in dem Urteil V 158/59 U, a. a. O., die Bildung einer einheitlichen Sache durch einen Unternehmer bejaht, der von einer Firma den politischen und von einer anderen den lokalen Teil für eine Zeitung gedruckt und bereits gefaltet erworben und beide Teile gemeinsam als Tageszeitung weiterveräußert hatte. In dem Urteil des BFH V 13/61 U, a. a. O., hat der Senat einen aus fünf Teilen zusammengestellten Spannungsregler als Sacheinheit behandelt. In beiden Urteilen ist ausgeführt, daß unter Berücksichtigung aller Umstände bei verständiger und unvoreingenommener Betrachtung in Übereinstimmung mit den Anschauungen des Verkehrs das Vorliegen nur einer Sache angenommen werden müsse, weil in beiden Fällen die Einzelteile in solchem Maße hinter dem Ganzen zurücktreten, daß für den verständigen Beurteiler jeweils nur eine Sache, nämlich die Tageszeitung bzw. der Spannungsregler vorliege.
Ebenso aber liegen die Verhältnisse in diesem Falle, in dem für den Käufer eines Berliner Bären weder die beschriftete Schärpe, die Krone oder die Klarsichtpackung für sich allein von Bedeutung sind, sondern nur dazu dienen, dem Berliner Bären seinen Charakter als Berlin-Symbol und als Andenken an Berlin zu geben.
Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das FG den Berliner Bären nicht als Sachgesamtheit, sondern als Sacheinheit behandelt hat.
Ohne Rechtsirrtum ist das FG auch zu dem Ergebnis gekommen, daß in der Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht ein Kennzeichnen im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB 1951 gesehen werden könne. Nach dem vom Steuerpflichtigen angeführten Urteil des Senats V 227/59 U vom 9. November 1961, BFH 73, 856, BStBl III 1961, 577, liegt ein Kennzeichnen vor, wenn an einer Ware Zeichen oder Bezeichnungen angebracht werden, aus denen u. a. der Hersteller oder der Ort der Herstellung, die Herstellungsweise oder die Beschaffenheit der Ware ersichtlich ist. Entscheidend ist jedoch, daß durch ein Kennzeichnen lediglich auf bereits vorhandene Eigenschaften der Ware hingewiesen wird, ihr aber keine neuen Eigenschaften verliehen werden. Im vorliegenden Fall liegen die Verhältnisse jedoch anders. Durch das Anbringen von Krone und beschrifteter Schärpe in Verbindung mit der Klarsichtverpackung erhält der Plüschbar erst die Eigenschaft eines Berliner Bären mit seinem Symbol- und Andenkencharakter.
Aus dem gleichen Grunde kann das Einlegen des Bären in die Klarsichtverpackung auch nicht nur als reine Verpackungsmaßnahme angesehen werden. Hinzu kommt, daß das FG im Hinblick auf die Klarsichtpackung mit Bindungswirkung für den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt hat, daß die Schachtel nicht lediglich eine Verpakkung darstellt, die vom Käufer alsbald wieder entfernt wird, sondern einen Eigenzweck erfüllt, weil die Bären von dem Käufer in der Klarsichtpackung für die Dauer aufgestellt zu werden pflegen.
Auch soweit der Steuerpflichtige im Hinblick auf die Versagung des ermäßigten Steuersatzes für die von ihm ohne Bearbeitung oder Verarbeitung weitergelieferten Gegenstände der Auffassung ist, das FG hätte nicht zu der Feststellung kommen dürfen, daß er in seiner Buchführung nicht zwischen Umsätzen von Berliner Bären und anderen Gegenständen eine Trennung vorgenommen und die Bearbeitung der erworbenen Gegenstände nicht aufgezeichnet habe, kann ihm nicht gefolgt werden. Das FG hat insoweit die Großhandelsvergünstigung allein aus dem Grunde versagt, weil die nachzuweisenden Voraussetzungen nicht leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen waren (§ 14 Abs. 3 UStDB 1951). Diese Feststellung entspricht indessen - worauf auch das FG hingewiesen hat - dem eigenen Sachvortrag des Steuerpflichtigen, der in der Klageschrift ausgeführt hat, er könne die ihm gesetzte Frist zur Aufteilung der Umsätze nicht innehalten, "weil bei der Anfertigung der Aufstellung sämtliche Rechnungen, die im Jahre 1962 abgesandt worden sind, durchgesehen werden müssen, weil oft neben 'Berliner-Bären' mit derselben Rechnung andere Erzeugnisse des Betriebes in Rechnung gestellt sind und außerdem bei jeder Rechnung einzeln geprüft werden muß, wann bezahlt ist". Unter solchen Umständen kann nicht beanstandet werden, wenn das FG zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die für die Inanspruchnahme der Großhandelsvergünstigungen nachzuweisenden Voraussetzungen nicht leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sind.
Fundstellen
BStBl II 1970, 274 |
BFHE 1970, 216 |