Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltlicher Nießbrauch anstelle von Zwischenvermietung
Leitsatz (NV)
Die Einschaltung eines entgeltlichen Nießbrauchers anstelle eines Zwischenvermieters in die Vermietung einer Wohnung kann nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Zwischenvermietung als Gestaltungsmißbrauch zu beurteilen sein.
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nr. 12a, § 15 Abs. 1, 2 Nr. 1; AO 1977 § 42
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Rahmen eines Bauherrenmodells Eigentümer einer Eigentumswohnung. Er schloß im Jahre 1981 einen Mietgarantievertrag, der den Garanten verpflichtete, die Vermietung an einen gewerblichen Mieter zu einem bestimmten Mietzins zu gewährleisten. Nach Überprüfung der Verträge kam die Finanzverwaltung zu der Auffassung, die zunächst vorgesehene Zwischenvermietung stelle einen Gestaltungsmißbrauch dar. Der Treuhänder der Wohnungseigentümer schlug diesen daraufhin vor, dem Mietgaranten einen entgeltlichen Nießbrauch zu bestellen, um den Vorsteuerabzug zu erlangen. Der Kläger räumte dem Mietgaranten im Jahre 1984 auf die Dauer von zehn Jahren einen entgeltlichen Nießbrauch ein. Der Mietgarantievertrag wurde aufgehoben und die Rückzahlung des für die Mietgarantie festgesetzten Entgelts vereinbart. Das monatlich zu zahlende Entgelt für den Nießbrauch legten die Parteien in Anlehnung an den Betrag der Garantiemiete fest, wobei sie einen Abschlag wegen der zurückgezahlten Garantiegebühren machten. Abweichend von § 1047 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vereinbarten sie, daß der Kläger Zins- und Tilgungsleistungen bezüglich der eingetragenen Grundpfandrechte, die Kosten für Reparaturen an Dach und an der Heizungsanlage sowie die Aufwendungen für die Instandhaltungsrücklage zu tragen hatte. Der Nießbraucher verpflichtete sich, die Eigentumswohnung nur im Rahmen der Gemeinschaftsordnung zu nutzen. Der Nießbrauchvertrag konnte von beiden Seiten zum Ende des fünften Jahres der Laufzeit gekündigt werden.
Der Kläger verzichtete auf die Steuerbefreiung für die Umsätze an den Nießbraucher (§ 4 Nr.12 Buchst. a, § 9 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1980) sowie auf die Nichterhebung von Umsatzsteuer (§ 19 Abs. 1, 2 UStG 1980). Er zog in seinen Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1981 bis 1983 die ihm anläßlich der Gebäudeerrichtung in Rechnung gestellten Umsatzsteuern als Vorsteuerbeträge ab.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte in den Umsatzsteueränderungsbescheiden (§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -) für die Jahre 1981 bis 1983 den Abzug der Vorsteuern und setzte die Umsatzsteuer jeweils auf 0 DM fest. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und führte zur Begründung aus: Zwar sei der Kläger mit der Bestellung des entgeltlichen Nießbrauchs und der sich anschließenden Duldung der Nutzung als Unternehmer tätig geworden und habe eine steuerpflichtige sonstige Leistung ausgeführt. Die Bestellung des Nießbrauchs sei aber als Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts zu beurteilen mit der Folge, daß die maßgebliche erstmalige Verwendung des Leistungsbezugs des Klägers in der den Vorsteuerabzug ausschließenden steuerfreien Vermietung durch den Nießbraucher liege. Die Eigentumswohnung sei vom Kläger zur Nutzung durch Vermietung bestimmt gewesen. Anstatt die Wohnung selbst - ggf. mit Hilfe anderer Personen - zu vermieten, habe der Kläger zunächst die als ungewöhnliche Rechtsgestaltung zu beurteilende Zwischenvermietung beabsichtigt. Um - nach Kenntnisnahme der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zur Gestaltung durch Zwischenvermietung - den Vorsteuerabzug dennoch zu erreichen, habe der Kläger ersatzweise den Weg der Nießbrauchbestellung gewählt. Da sich dadurch in wirtschaftlicher Hinsicht (Entgelt, Lastentragung usw.) aber nichts an der Durchführung geändert habe, sei es gerechtfertigt, die Bestellung des Nießbrauchs ebenfalls als ungewöhnliche Rechtsgestaltung anzusehen und nach den Kriterien zu würdigen, die der Bundesfinanzhof (BFH) für die Prüfung der Zwischenvermietung entwickelt habe. Danach sei die Einschaltung einer Mittelsperson in die Vermietung nur dann kein Gestaltungsmißbrauch, wenn sie aus der Sicht des Eigentümers wirtschaftlich sinnvoll sei oder wenn sonst beachtliche Gründe hierfür vorlägen. Derartige Gründe seien weder vom Kläger vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Nr.12 UStG 1980 sowie § 42 AO 1977 und führt aus: Das FG habe zu Unrecht die Nießbrauchbestellung dem Abschluß eines Zwischenmietvertrages mit Option gleichgestellt. Es gebe gewichtige Unterschiede zwischen diesen Gestaltungen. Das Gesetz stelle dem Eigentümer die Wahl zwischen steuerpflichtiger Nießbrauchbestellung mit Vorsteuerabzug und steuerfreier Vermietung bei Ausschluß des Vorsteuerabzugs frei. Im übrigen habe er - der Kläger - aus vernünftigen wirtschaftlichen Gründen den Weg der Nießbrauchbestellung gewählt. Das Mietzinsniveau sei seit 1981 rückläufig gewesen, so daß der Mietgarant im Jahre 1983 keinen Zwischenvermieter habe stellen können, der die garantierte Miete von 12,50 DM habe zahlen wollen. Da der Mietgarantievertrag einen Ausgleich der Differenz zwischen erzielter und garantierter Miete erst zum Ende der Garantieperiode (fünf Jahre) vorgesehen habe, sei die Nießbrauchbestellung sinnvoll gewesen, um einerseits sichere Einnahmen zu erzielen und andererseits der Gefahr der Zahlungsunfähigkeit des Mietgaranten am Ende des Garantiezeitraums zu entgehen. Auch für den Mietgaranten sei die Nießbrauchbestellung die günstigste Lösung gewesen, da er als Vermieter selbst über den Mietzins zu entscheiden gehabt habe und einen höheren Mietzins allein deshalb habe erzielen können, weil der Mieter - anders als bei der Zwischenvermietung - nicht Untermieter gewesen sei, sondern die rechtlich günstigere Stellung eines Hauptmieters erhalten habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Der Kläger kann die ihm anläßlich der Gebäudeerrichtung in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht gemäß § 15 Abs. 1 Nr.1 UStG 1980 als Vorsteuerbertrag abziehen. Seinem Begehren steht entgegen, daß die für den Vorsteuerabzug maßgebliche erstmalige Verwendung des Leistungsbezugs durch eine den Vorsteuerabzug ausschließende steuerfreie Vermietung erfolgt ist (§ 15 Abs. 2 Nr.1 i.V.m. § 4 Nr.12 Buchst. a UStG). Denn die Einschaltung des Nießbrauchers als Vermieter war rechtsmißbräuchlich (§ 42 AO 1977). Bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung wäre für die erstmalige Verwendung der Wohnung die Vermietung an den Endmieter maßgeblich gewesen (§ 15 Abs. 2 Nr.1 UStG 1980). Auf die erst nach den Streitjahren verwirklichte Nießbraucheinräumung kommt es nicht an.
1. Gemäß § 42 AO 1977 kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Mißbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.
Ein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 19. Juni 1991 IX R 134/86, BFHE 164, 498, BStBl II 1991, 904). Diese Grundsätze gelten auch, wenn eine unangemessene Gestaltung für die Verwirklichung des Tatbestands einer begünstigenden Gesetzesvorschrift gewählt wird (BFH-Urteil vom 6.Juni 1991 V R 70/89, BFHE 165, 1, BStBl II 1991, 866).
Die Unangemessenheit folgt nicht bereits aus dem Motiv, Steuern zu sparen. Eine Rechtsgestaltung ist unangemessen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1985 IX R 107/82, BFHE 145, 351, BStBl II 1986, 217 zu II. 2. a; vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607). Entscheidend ist, ob der Steuerpflichtige, dessen Steuerschuld zu beurteilen ist, die vom Gesetzgeber bei seiner Regelung vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht und hierfür keine beachtlichen außersteuerrechtlichen Gründe vorliegen, ob er vielmehr auf einem ungewöhnlichen Weg einen Erfolg zu erreichen sucht, der nach der Wertung des Gesetzgebers auf diesem Weg nicht erreichbar sein soll. Dabei sind die gesamten Umstände des Einzelfalls maßgebend (vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16.Aufl., § 42 Bem.2).
2. Bei der Zwischenvermietung ist nach der Rechtsprechung des Senats der Tatbestand des Rechtsmißbrauchs i.S. von § 42 Satz 1 AO 1977 erfüllt, wenn für die Einschaltung eines Zwischenvermieters, d.h. einer Person, die das Mietverhältnis nur eingeht, um die gemietete Wohnung an Dritte zur Nutzung weiterzuvermieten, wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 15. Dezember 1983 V R 169/75, BFHE 140, 354, BStBl II 1984, 388). Das Umsatzsteuergesetz geht bei der Besteuerung der Überlassung von Wohnraum davon aus, daß der wirtschaftliche Sachverhalt der Wohnungsvermietung dadurch gestaltet wird, daß die Wohnung demjenigen vermietet wird, der sie bewohnen will (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 4. August 1987 V B 16/87, BFHE 150, 478, BStBl II 1987, 756). Dies geschieht durch die Vermietung der Wohnung zu Wohnzwecken. Dabei vermietet der Wohnungsinhaber die Wohnung an den Wohnungs(end)mieter, wobei er in den Vermietungsvorgang z.B. einen Hausverwalter als Vertreter hätte einschalten können. Rechtliche Gestaltungen, die diese Rechtsfolgen vermeiden, sind an der Wertung des Gesetzgebers zu messen, wenn sie der steuerlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden sollen. Maßgebend für die Anerkennung einer abweichenden Gestaltung können nur Gründe des (den Vorsteuerabzug begehrenden) leistenden Unternehmers (Eigentümer/Vermieter) im Zeitpunkt der Eingehung des Zwischenmietverhältnisses sein, die Wohnungsvermietung abweichend von der gesetzlichen Wertung durchzuführen. Nach der Rechtsprechung des Senats reicht es für die Annahme einer angemessenen Gestaltung nicht aus, die Wohnung an einen gewerblichen Zwischenvermieter zu vermieten, sofern nicht bewiesen worden ist, daß die Wohnung nicht zumutbar an den (jeweiligen) Wohnungs(end)mieter vermietbar war.
3. Das FG hat den Streitfall zutreffend nach diesen Grundsätzen beurteilt. Denn auch dem Kläger kam es im Ergebnis auf die Nutzung der Wohnung durch Vermietung an einen Wohnungsmieter an. Diese Nutzung entsprach der Zweckbestimmung des Objekts sowie der Gemeinschaftsordnung der Miteigentümer. Zwar gewährt der Nießbrauch ein umfassendes Nutzungsrecht, das über das Recht zur Nutzung durch Vermietung hinausgeht. Es ist jedoch nicht erkennbar, daß der Kläger dem Nießbraucher und vormaligen Mietgaranten mehr einräumen wollte als die Möglichkeit, die Eigentumswohnung durch Vermietung zu nutzen. Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Inhalt des Nießbrauchbestellungsvertrages bezüglich Nutzungsmöglichkeit, Entgelt, Lastentragung und Kündbarkeit im hier vorliegenden Fall einem (Zwischen-)Mietvertrag gleichzustellen ist.
4. Das FG hat zu Recht ausgeführt, der Kläger habe keine beachtlichen außersteuerrechtlichen Gründe für die Einschaltung eines Nießbrauchers in die Vermietung der Wohnung an einen Wohnungsmieter dargelegt. Soweit der Kläger geltend macht, er habe seine Einnahmen sichern wollen, ist nicht dargetan, wieso der Entgeltsanspruch gegen einen Nießbraucher, an dessen Zahlungsfähigkeit der Kläger selbst Zweifel äußert, werthaltiger gewesen sein könnte als der Anspruch gegen einen Wohnungsmieter auf Zahlung des Mietzinses. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, daß einer Vermietung an den Wohnungsmieter zu dem um den Vorteil aus der Rückzahlung der Garantiegebühren geminderten Mietpreis irgendein Gesichtspunkt hätte im Wege stehen können.
Fundstellen