Leitsatz (amtlich)
Wird ein Steuerpflichtiger während eines zwei Jahre übersteigenden Aufenthalts in der Bundesrepublik als Lehrer tätig, sind die Einkünfte aus der Lehrtätigkeit auch dann nicht nach Art.XIV DBA-Kanada a.F. steuerfrei, wenn die Tätigkeit als Lehrer nicht zwei Jahre dauerte.
Orientierungssatz
Eine vom FA im Lohnsteuerabzugsverfahren gemäß § 39b Abs. 6 EStG erteilte Bescheinigung über die Freistellung der Einkünfte von der Lohnsteuer erzeugt keine Bindungswirkung bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers (vgl. BFH-Urteil vom 29.5.1979 VI R 21/77).
Normenkette
DBA CAN Art. 14; EStG § 39b Abs. 6
Verfahrensgang
FG Hamburg (Entscheidung vom 21.03.1980; Aktenzeichen VI 159/78) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind die Erben des verstorbenen V. V war Kanadier. Er reiste am 1.Februar 1973 in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ein, verließ diese jedoch wieder Ende März 1973 und kehrte am 1.Juli 1973 zurück, um in Hamburg als Angestellter einer amerikanischen Brokerfirma tätig zu sein. Mit dieser Firma hatte er einen bis zum 30.September 1974 laufenden Arbeitsvertrag. Seinen Haushalt hatte V in Kanada beibehalten. Zwei seiner Kinder lebten in der Bundesrepublik, eines bei der Ehefrau in Kanada. Im Jahre 1976 wurde die Ehe des V in Kanada geschieden.
Seit dem 1.Oktober 1974 und jedenfalls bis zum 21.März 1980 (Urteil des Finanzgerichts --FG--) war V als angestellter Lehrer bei der Schulbehörde in Hamburg tätig. In den vergangenen Jahren verbrachte V die Sommerferien in Kanada und hielt sich auch zwischenzeitlich mehrfach --insbesondere im Zusammenhang mit der Scheidung-- in Kanada auf.
V beantragte gemäß § 39b Abs.6 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beim Finanzamt (FA) für Körperschaften - Lohnsteuerstelle - eine Bescheinigung über eine Lohnsteuerbefreiung für seine Einkünfte als Lehrer im Sinne des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen vom 4.Juni 1956 --DBA-Kanada-- (BGBl II 1957, 187). In dem Antrag gab er an, am 1.Juli 1973 eingereist zu sein und seinen Wohnsitz in Kanada nicht aufgegeben zu haben. Die Schulbehörde als Arbeitgeber bescheinigte auf dem Antrag, daß V seit 1.Oktober 1974 als angestellter Lehrer beschäftigt sei und daß das Dienstverhältnis am 30.September 1975 ende.
Das FA für Körperschaften bescheinigte am 16.Januar 1975 dem Amt für Schule als Arbeitgeber, daß der Arbeitslohn des Klägers gemäß § 39b Abs.6 EStG i.V.m. Art.XIV DBA-Kanada nicht dem Steuerabzug unterliege. In der Bescheinigung heißt es: "Diese Bescheinigung gilt widerruflich vom 1.10.74 bis 30.6.75, längstens bis zur Beendigung der Tätigkeit als Lehrer ... Die Befreiung kann nur bis zum 30.6.75 ausgesprochen werden, weil Herr V. am 1.7.73 in das Inland eingereist ist und der für Steuerbefreiung maßgebliche Zweijahreszeitraum am 30.6.75 ausläuft."
Die Einkünfte aus der Tätigkeit als Lehrer in Höhe von 10 801,94 DM erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) nicht als steuerfrei an, da die Voraussetzungen des Art.XIV DBA-Kanada nicht erfüllt seien.
Der Kläger legte gegen diesen Einkommensteuerbescheid Einspruch ein. Der Einspruch hatte teilweise Erfolg. Die Klage, mit der sich V dagegen wandte, daß die Lehrereinkünfte nicht steuerfrei gelassen worden sind, wies das FG mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 343 veröffentlichten Urteil zurück.
Mit der Revision machen die Kläger geltend, daß der Wortlaut des Art.XIV DBA-Kanada die Entscheidung des FG nicht decke.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und der Klage zu entsprechen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das Urteil stehe insoweit in Übereinstimmung mit den entsprechend anzuwendenden Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12.Mai 1955 IV 69/55 U (BFHE 61, 39, BStBl III 1955, 213). Es entspreche auch dem in den jetzigen § 39 Abs.3 Satz 4, § 39a Abs.4 EStG 1975 zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, daß Entscheidungen im Lohnsteuerabzugsverfahren, ausgenommen die Fälle des § 42e EStG 1975, grundsätzlich nur vorläufigen Charakter hätten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Einkünfte des V als Lehrer sind im Streitjahr steuerpflichtig.
V war im Streitjahr unbeschränkt steuerpflichtig; er hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (§ 1 Abs.1 Satz 1 EStG). Ob die Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthalts vorliegen, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet. Die entsprechenden Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, sind von den Beteiligten nicht bestritten worden.
Die Einkünfte als Lehrer sind nicht gemäß Art.XIV DBA-Kanada steuerfrei. Nach Art.XIV DBA-Kanada sind Hochschullehrer oder Lehrer aus einem der Gebiete, die während eines vorübergehenden Aufenthalts von höchstens zwei Jahren für eine Lehrtätigkeit an einer Universität, Hochschule, Schule oder einer anderen Lehranstalt in dem anderen Gebiet eine Vergütung erhalten, hinsichtlich dieser Vergütung in dem anderen Gebiet nicht steuerpflichtig. V hat sich in der Bundesrepublik nicht vorübergehend höchstens zwei Jahre aufgehalten. Er hielt sich in der Bundesrepublik mehr als zwei Jahre auf. Die Lehrtätigkeit fiel in einen Aufenthaltszeitraum in der Bundesrepublik, der zwei Jahre überstieg.
Diese zum Ausschluß des Art.XIV DBA-Kanada führenden Merkmale liegen bereits vor, wenn man nur die Zeit in die Betrachtung einbezieht, die vor dem Zeitpunkt (30.September 1975) liegt, bis zu dem V als Lehrer angestellt war. V hat sich danach vom 1.Juli 1973 bis zum 30.September 1975, also mehr als zwei Jahre, in der Bundesrepublik aufgehalten und in diesem Zeitraum die strittigen Lehrereinkünfte als Lehrer bezogen. Aus Art.XIV DBA-Kanada ist nicht zu entnehmen, daß als Aufenthalt nur der Zeitraum angesehen wird, in dem der betreffende Steuerpflichtige als Lehrer tätig war. Dies würde auch dem Zweck des Art.XIV DBA-Kanada widersprechen, nur die Tätigkeit der Lehrer zu begünstigen, die sich vorübergehend in dem anderen Gebiet aufhalten. Es liegt nicht im Rahmen der sehr weitgehenden Begünstigungsvorschrift, diese auch eingreifen zu lassen, wenn ein Steuerpflichtiger während eines zwei Jahre übersteigenden Aufenthalts in der Bundesrepublik für einen kurzen Zeitraum als Lehrer tätig wird. Sie stellt vielmehr auf einen Aufenthalt von höchstens zwei Jahren als selbständige Voraussetzung ab.
Der Senat braucht nicht darauf einzugehen, inwieweit die Ansicht der Finanzverwaltung (vgl. Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 21.August 1970 S 1301 - USA 20 VB 3/ S 1301 - Großbritannien 4 VB 3, abgedruckt bei Korn/Debatin/ Dietz, Doppelbesteuerung, Systematik, Anhang B I 13) zutrifft. Danach ist bei Lehrkräften, die zunächst einen Lehrauftrag für zwei Jahre oder einen kürzeren Zeitraum erhalten, deren Lehrverhältnis später jedoch verlängert wird, der Aufenthalt zunächst als vorübergehend zu werten und verändert erst später seinen Charakter. V erfüllte die Voraussetzungen des Art.XIV DBA-Kanada nicht, ohne daß es darauf ankommt, welchen Einfluß die Verlängerung der Lehrtätigkeit über den 30.September 1975 hinaus hatte.
Der Senat kann offenlassen, ob
- Art.XIV DBA-Kanada auch deswegen nicht zur Anwendung kommt,
weil V in den Streitjahren unbeschränkt steuerpflichtig war,
- die Anwendung des Art.XIV DBA-Kanada voraussetzt, daß V in
den Streitjahren noch als in Kanada ansässig galt bzw. ob es für die
Anwendung des Art.XIV DBA-Kanada genügt, daß der Steuerpflichtige vor dem
Aufenthalt in der Bundesrepublik in Kanada ansässig war,
- Art.XIV DBA-Kanada voraussetzt, daß der Steuerpflichtige
vorher in Kanada als Lehrer tätig war.
Eine Bindung an die vom FA für Körperschaften erteilte Bescheinigung besteht nicht. Die Bescheinigung wird gemäß § 39b Abs.6 EStG im Rahmen des Lohnsteuerabzugs für unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer erteilt. Entscheidungen im Lohnsteuerabzugsverfahren erzeugen keine Bindung bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers (vgl. auch BFH-Urteil vom 29.Mai 1979 VI R 21/77, BFHE 128, 148, BStBl II 1979, 650).
Fundstellen
BStBl II 1985, 500 |
BFHE 143, 455 |
BFHE 1985, 455 |
BB 1985, 1451-1451 (L) |
DB 1985, 2128-2128 (LT) |