Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der Gegenleistung für das beim Erwerb eines Unternehmens begründete Erbbaurecht
Leitsatz (NV)
Ist die Einräumung eines Erbbaurechts Teil der vereinbarten Übernahme des gesamten Unternehmens mit allen Aktiven und Passiven, ist zur Ermittlung der der Grunderwerbsteuer unterliegenden Gegenleistung die Gesamtgegenleistung wie für den Erwerb eines Unternehmens im ganzen auf die Grundstücke i.S. des Grunderwerbsteuerrechts und andere Gegenstände nach dem Verhältnis zu verteilen, in dem der Wert der Grundstücke zum Wert der sonstigen Gegenstände steht. Führt der Erwerber das Unternehmen fort, ist für die Aufteilung von den Teilwerten der übergegangenen Wirtschaftsgüter auszugehen.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 9; BewG § 10
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Landkreis A war Eigentümer des von ihm als Sondervermögen verwalteten Krankenhauses in B, das mit Fördermitteln nach dem Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG) vom 29. Juni 1972 (BGBl I 1972, 1009) in Höhe von ... DM errichtet worden war. Mit notariell beurkundetem Vertrag (Übernahmevertrag) vom 31. Januar 1986 übertrug der Landkreis die Trägerschaft des Krankenhauses auf den Kläger. Dieser erhielt ein Erbbaurecht an den Grundstücken mit den darauf befindlichen Gebäuden und übernahm den Krankenhausbetrieb einschließlich des Personals mit Aktiven und Passiven. Grundlage der Vermögens- und Schuldübernahme war gemäß § 7 Abs. 1 des Übernahmevertrages die Jahresbilanz zum 31. Dezember 1985. Ergänzend heißt es hierzu in § 9 Abs. 1 des Übernahmevertrages, der Kläger übernimmt... die in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten und sonstigen Schuldposten... ferner alle Verbindlichkeiten aus Fördermitteltatbeständen. Bedingte Forderungen oder Verbindlichkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsrecht ... sowie Schuldposten nach dem Krankenhausfinanzierungsrecht aus Zuweisungen und Zuschüssen der öffentlichen Hand wurden nach § 10 des Übernahmevertrags an den Kläger abgetreten bzw. von ihm übernommen.
Durch gesonderten, notariell beurkundeten Vertrag (Erbbaurechtsvertrag) vom gleichen Tag wurde zu Gunsten des Klägers ein Erbbaurecht an den Krankenhausgrundstücken auf die Dauer von 50 Jahren bestellt; als jährlicher Erbbauzins wurde 1 DM vereinbart. Die nach dem KHG gewährten Fördermittel wurden auf dem Erbbaurecht dinglich abgesichert. Nach § 5 des Erbbaurechtsvertrages hatte der Landkreis das Recht, die Übertragung des Erbbaurechts auf sich oder auf einen von ihm zu bezeichnenden Dritten zu verlangen, wenn der Kläger das Krankenhaus nicht mehr seiner bisherigen Aufgabenstellung entsprechend unter Aufrechterhaltung des bisherigen Standes ärztlicher und pflegerischer Betreuung fortführen oder infolge einer Änderung der Landeskrankenhausplanung den Betrieb des Krankenhauses einstellen sollte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in der Vereinbarung und Bestellung des Erbbaurechts an den Krankenhausgrundstücken einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang, der Teil der Übertragung des Krankenhausbetriebes mit allen Aktiven und Passiven sei. Die Gegenleistung bestimmte das FA anhand des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1985, indem es die übernommenen Verbindlichkeiten - abzüglich der auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesenen Fördermittel - in Höhe von ... DM zuzüglich des kapitalisierten Erbbauzinses von 18x1 DM = 18 DM, insgesamt also ... DM im Verhältnis des auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesenen Buchwerts der Krankenhausgebäude von ... DM zu den gesamten Buchwerten von ... DM (= ... DM zuzüglich des nicht der Grunderwerbsteuer unterliegenden restlichen Anlagevermögens von ... DM) aufteilte. Dementsprechend errechnete das FA die Bemessungsgrundlage mit 75,088 v.H. von ... DM auf ... DM und setzte die Grunderwerbsteuer in Höhe von 2 v.H. mit ... DM fest.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, daß die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer mindestens die vom FA angenommene Höhe erreiche. Mit dem Vertrag vom 31. Januar 1986, der für den Kläger den Anspruch auf Einräumung eines Erbbaurechts begründet habe, sei der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 erfüllt worden.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß der Abschluß des Übernahmevertrags vom 31. Januar 1986, mit dem der Landkreis die Trägerschaft des Krankenhauses in B auf den Kläger übertrug, für den Kläger den Anspruch auf Einräumung eines Erbbaurechts an den dem Krankenhaus dienenden Grundstücken begründet hat (§ 1 Abs. 2 des Übernahmevertrags). Damit wurde der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1983 erfüllt (s. Senatsurteile vom 9. August 1978 II R 164/73, BFHE 126, 71, BStBl II 1978, 678; vom 31. März 1976 II R 93/75, BFHE 118, 480, BStBl II 1976, 470, und vom 28. November 1967 II R 37/66, BFHE 91, 191, BStBl II 1968, 223). Mit dem Erbbaurecht war gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 der Erbbaurechtsverordnung (ErbbauVO) das Eigentum an den bereits vorhandenen Gebäuden als wesentlicher Bestandteil verbunden. Dementsprechend bezieht § 1 Abs. 2 des Übernahmevertrags ausdrücklich die Krankenhausgebäude in die Erbbaurechtsbestellung ein. Darüber hinaus wurde nach den Feststellungen des FG der Übergang der wirtschaftlichen Substanz vereinbart. So sollte der Kläger nach § 1 Abs. 2 des Erbbaurechtsvertrags berechtigt sein, auf dem Erbbaurechtsgrundstück ein Krankenhausgebäude zu haben. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, kann aus der (geringen) Höhe des vereinbarten Erbbauzinses nicht gefolgert werden, daß die vorhandenen Gebäude entgegen § 12 ErbbauVO wirtschaftlich nicht auf den Kläger übergegangen seien. Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigt es die Zweckbindung der Fördermittel auch nicht, den unbelasteten Wert der Krankenhausgebäude dem Land als Zuschußgeber zuzurechnen, da nur dieser die Zweckbindung aufheben könne und auch nur ihm ein etwaiger Verkaufserlös als Folge der dann entstehenden Rückzahlungsverpflichtung der Fördermittel zustehe.
2. Da die Begründung des Anspruchs auf Einräumung eines Erbbaurechts, das sich gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 ErbbauVO auch auf die vorhandenen Gebäude als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts erstreckt, Teil der vereinbarten Übernahme des gesamten Krankenhauses mit allen Aktiven und Passiven war, ist die Gesamtgegenleistung des Klägers wie für den Erwerb eines Unternehmens im ganzen auf die Grundstücke im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts und andere Gegenstände aufzuteilen (vgl. Senatsurteil vom 8. Oktober 1975 II R 129/70, BFHE 117, 390, BStBl II 1976, 195).
a) Zutreffend ist die Vorinstanz in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, daß die vom Kläger übernommenen Verbindlichkeiten in Höhe von ... DM zuzüglich des kapitalisierten Erbbauzinses von 18 DM, mithin ... DM als Gesamtgegenleistung für die Übernahme des Krankenhauses anzusehen sind. Denn für die Bestimmung der Gegenleistung ist nicht maßgebend, was die Vertragsschließenden im Übernahmevertrag vom 31. Januar 1986 als Entgelt für die Übernahme des Krankenhauses bezeichnet haben, sondern was der Kläger nach dem Inhalt des Vertrages als Entgelt im weiteren Sinne zu erbringen hat. Dabei gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 auch die Übernahme von Schulden und Lasten als Gegenleistung (vgl. Senatsurteile vom 16. Februar 1977 II R 89/74, BFHE 122, 338, BStBl II 1977, 671, und vom 1. Oktober 1975 II R 84/70, BFHE 117, 287, BStBl II 1976,128, m.w.N.). Der Betrag der vom Kläger übrnommenen Schulden in Höhe von ... DM ergibt sich nach den - auch vom Kläger als zutreffend anerkannten - Feststellungen des FG aus dem nach § 7 des Übernahmevertrags maßgebenden Jahresabschluß des Krankenhauses zum 31. Dezember 1985, wobei die insgesamt bestehenden Verbindlichkeiten um die auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesenen Fördermittel nach dem KHG gekürzt wurden.
b) Der Vorinstanz ist auch darin zu folgen, daß die vom Kläger für die Übernahme des gesamten Krankenhausbetriebs erbrachte Gegenleistung für Zwecke der Grunderwerbsteuer aufzuteilen ist. Dann wird - wie im Streitfall - ein Grundstück (Erbbaurecht) zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern, die nach § 2 GrEStG 1983 nicht als Teile des Grundstücks anzusehen sind, einheitlich zu einem Gesamtpreis (Gesamtgegenleistung) erworben, so ist die Grunderwerbsteuer nur von dem Teil der Gesamtgegenleistung zu erheben, der auf das Grundstück entfällt. Dabei ist die Gegenleistung nach dem Verhältnis zu verteilen, in dem der Wert des Grundstücks zum Wert der sonstigen Gegenstände steht. Da der Kläger den Krankenhausbetrieb fortführt, ist für die Aufteilung vom Teilwert auszugehen, d.h. dem Betrag, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde (s. Senatsurteil in BFHE 117, 390, BStBl II 1976, 195). In der Regel deckt sich der Teilwert mit den Wiederbeschaffungskosten oder Wiederherstellungskosten für ein Wirtschaftsgut gleicher Art und Güte, weil der Unternehmer höchstens so viel zahlt, wie er aufwenden müßte, um das Wirtschaftsgut zu beschaffen, wenn es ihm fehlte (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. März 1973 III R 88/69, BFHE 109, 63, BStBl II 1973, 475, und vom 20. Juli 1973 III R100-101/72, BFHE 110, 203, BStBl II 1973, 794). Entgegen der Auffassung des Klägers wird der Teilwert nach § 10 des Bewertungsgesetzes (BewG) jedoch nicht durch seinen kapitalisierten Beitrag zum Erfolg des Unternehmens bestimmt.
c) Zu Unrecht ist die Vorinstanz jedoch - der Entscheidung des FA folgend - bei der Aufteilung der Gesamtgegenleistung von den in der Schlußbilanz zum 31. Dezember 1985 ausgewiesenen Buchwerten ausgegangen. Denn maßgebend sind die Teilwerte der auf den Kläger übergegangenen Wirtschaftsgüter. Die Teilwerte können aber im Streitfall nicht ohne weiteres mit den tatsächlichen Anschaffungskosten oder Herstellungskosten vermindert um die Absetzungen für Abnutzung gleichgesetzt werden.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Die vom FG getroffenen Feststellungen erlauben dem Senat keine Entscheidung darüber, ob und inwieweit die nach dem KHG gewährten Zuschüsse der öffentlichen Hand den Teilwert der Wirtschaftsgüter gemindert haben. Zwar ist für die sog. Teilwertvermutung regelmäßig von den nicht um die Zuschüsse der öffentlichen Hand gekürzten Anschaffungskosten oder Herstellungskosten der bezuschußten Wirtschaftsgüter auszugehen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Marktpreis bestimmter Wirtschaftsgüter durch die Gewährung der Zuschüsse generell oder durch starke unternehmenspolitische Beschränkungen eingeschränkt wird (vgl. Senatsurteile vom 17. Januar 1990 II R 64/87, BFHE 159, 359, BStBl II 1990, 367; vom 21. Februar 1990 II R 27/87, BFHE 160, 266, BStBl II 1990, 566, und vom 23. Januar 1991 II R 79/87, BFH/NV 1992, 369, m.w.N.). Ob diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen und damit u.U. der Nachweis eines unter der Teilwertvermutung liegenden Teilwerts entbehrlich wird, wovon der gleichlautende Erlaß der obersten Finanzbehörden der Länder vom 14. Mai 1990 (BStBl I 1990, 221) sowie Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz, Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., § 103 BewG Anm. 147 ausgehen, wird das FG noch näher prüfen müssen. Dabei ist zu beachten, daß die Zuschüsse nach dem KHG nicht nur zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Anlagevermögens, sondern auch zur Anschaffung der übrigen, zum Krankenhaus gehörenden Wirtschaftsgüter gewährt wurden. Die vom Kläger geltend gemachte Teilwertminderung aufgrund der Zuschüsse der öffentlichen Hand würde sich daher nicht nur auf die Gebäude, sondern auf alle bezuschußten Wirtschaftsgüter auswirken und dementsprechend die Verhältnisrechnung beeinflussen.
Bei der Aufteilung der vom Kläger für die Übernahme des gesamten Krankenhausbetriebes erbrachten Gegenleistung ist ferner in die Berechnung des der Grunderwerbsteuer unterliegenden Anteils - abweichend von der vom FG bestätigten Verhältnisrechnung des FA - nicht nur der Teilwert der Gebäude als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts, sondern auch der Teilwert des Erbbaurechts selbst, also losgelöst vom Gebäudewert, einzubeziehen. Dies gilt unabhängig davon, daß in § 9 des Erbbaurechtsvertrags ein jährlicher Erbbauzins von lediglich 1 DM vereinbart worden ist. Denn entscheidend für die Verhältnisrechnung ist nicht, welche Werte die Vertragsparteien nach ihrer subjektiven Vorstellung den einzelnen Wirtschaftsgütern beilegen, sondern der nach objektiven Maßstäben festzustellende Wert (s. Senatsurteil vom 19. Dezember 1967 II R 41/67, BFHE 91, 385, BStBl II 1968, 349).
Das FG wird dementsprechend den Teilwert des nicht nach dem KHG bezuschußten Erbbaurechts, erforderlichenfalls durch eine Schätzung noch ermitteln und in die Verhältnisrechnung einbeziehen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 419217 |
BFH/NV 1994, 574 |