Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Ist der Erbe nach der gesetzlichen Auslegungsregel des § 70 Abs. 1 LAG zur Kürzung eines Vermächtnisses um den anteiligen Zeitwert der Vermögensabgabe berechtigt, macht er aber von dieser Kürzung keinen Gebrauch, so liegt insoweit für den Vermächtnisnehmer kein Erwerb von Todes wegen auf Grund des Vermächtnisses, sondern ein Erwerb auf Grund einer freiwilligen Mehrleistung seitens des Erben vor, die sich gegebenenfalls als Schenkung (freigebige Zuwendung) darstellt.

 

Normenkette

LAG § 70 Abs. 1; ErbStG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Tatbestand

Die Bgin. ist befreite Alleinvorerbin ihres am 7. April 1952 verstorbenen Ehemannes (Erblassers). Diese Erbeinsetzung hat der Erblasser in dem zusammen mit seiner Ehefrau, der Erbin, gemeinschaftlich errichteten Testament vom 3. Juni 1950 angeordnet. In dem Testament hat der Erblasser unter anderem für Frau Emmy S. ein Vermächtnis in Gestalt einer lebenslänglichen Jahresrente von 3.600 DM ausgesetzt. Das Finanzamt hat in dem an die Bgin. gerichteten einheitlichen vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid den vollen - nach dem Lebensalter der Vermächtnisnehmerin am Todestag des Erblassers kapitalisierten - Wert der Rente zur Erbschaftsteuer herangezogen. Gegen diesen vorläufigen Steuerbescheid hat die Bgin. Einspruch eingelegt. Sie hat vorgetragen, sie sei berechtigt gewesen, die Vermächtnisnehmerin, ihre Schwester und die Schwägerin des Erblassers, an der Vermögensabgabe zu beteiligen und entsprechend die Rente zu kürzen. Dies sei aber nicht geschehen. Insoweit liege kein Vermächtnis des Erblassers an seine Schwägerin, sondern eine freigebige Zuwendung der Bgin. an ihre Schwester vor. Der Einspruch der Bgin. hat keinen Erfolg gehabt; das Finanzamt hat in der Einspruchsentscheidung die Steuerfestsetzung für endgültig erklärt. Mit der hiergegen eingelegten Berufung hat die Bgin. Kürzung des Rentenvermächtnisses der Frau S. um die anteilige Vermögensabgabe begehrt. Das Finanzgericht hat die Einspruchsentscheidung sowie den vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid geändert und die auf den Erwerb der Vermächtnisnehmerin entfallende Steuer unter Berücksichtigung der Kürzung nach § 70 LAG vorläufig festgesetzt; hierdurch hat sich die insgesamt von der Bgin. angeforderte Erbschaftsteuer entsprechend ermäßigt. Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts erstrebt Aufhebung des angefochtenen Urteils, hilfsweise Festsetzung einer höheren Gesamtsteuer.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamtes ist nur teilweise begründet.

Der Ansicht des Finanzamts, daß im vorliegenden Falle das Vermächtnis S. nicht um die Vermögensabgabe zu kürzen sei, kann nicht beigetreten werden. Das Finanzamt verkennt die rechtliche Bedeutung des § 70 LAG. Dieser begründet nicht, wie das Finanzamt meint, "lediglich das Recht zur Kürzung des Vermächtnisses um den anteiligen Zeitwert der Vermögensabgabe", begründet also nicht nur, wie diese Auffassung des Finanzamts ergänzend zu verdeutlichen ist, ein bloßes Wahlrecht. § 70 LAG, der eine die erbrechtlichen Bestimmungen des BGB ergänzende zivilrechtliche Vorschrift darstellt, enthält vielmehr eine gesetzliche Auslegungsregel, die als solche zwingenden Rechts ist, falls sie nicht entkräftet wird. Diese gesetzliche Auslegungsregel greift Platz, wenn die beiden in § 70 Abs. 1 LAG aufgestellten Voraussetzungen vorliegen, nämlich 1) Tod des Erblassers nach dem 20. Juni 1948, 2) Anordnung eines Vermächtnisses vor dem 1. Oktober 1952. Beide Voraussetzungen sind hier gegeben. Die angefochtene Entscheidung hat sich also mit Recht auf den Standpunkt gestellt, daß das Testament des Erblassers nach der gesetzlichen Auslegungsregel des § 70 LAG für die Vermächtnisnehmerin nur einen Anspruch auf das um die anteilige Vermögensabgabe gekürzte Vermächtnis begründet hat. Hieraus hat das Finanzgericht weiter zutreffend die Schlußfolgerung gezogen, daß in der Unterlassung der Kürzung eine freiwillige Mehrleistung der Bgin. (Erbin), gegebenenfalls eine Schenkung (freigebige Zuwendung) an ihre Schwester, die Vermächtnisnehmerin, nicht aber ein Erwerb der Vermächtnisnehmerin von Todes wegen liegt.

Dagegen hat, wie das Finanzamt mit Recht rügt, das Finanzgericht übersehen, daß die Kürzung des Vermächtnisses der Frau S. um die anteilige Vermögensabgabe, d. h. die Verminderung einer Nachlaßverbindlichkeit, zu einer Erhöhung des Erwerbs der Bgin. als Erbin führt. Die angefochtene Entscheidung muß daher aufgehoben werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410492

BStBl III 1962, 336

BFHE 1963, 187

BFHE 75, 187

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