Leitsatz (amtlich)
Die Säumniszuschläge, die wegen Nichtentrichtung der rückständigen Steuer verwirkt sind, ermäßigen sich auch dann entsprechend, wenn die ursprüngliche, für die Bemessung der Säumniszuschläge maßgebende Steuer während eines Rechtsbehelfsverfahrens durch einen berichtigenden Bescheid herabgesetzt wird.
Normenkette
StSäumG § 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte von Januar 1958 bis September 1964 Arbeitnehmer beschäftigt, ohne Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung forderte der Beklagte und Revisionskläger (FA) X DM Lohnsteuer vom Kläger durch Haftungsbescheid nach, ermäßigte diesen Betrag zunächst durch einen zur Erledigung des eingelegten Einspruchs ergangenen berichtigten Haftungsbescheid und später durch die Einspruchsentscheidung über den Einspruch gegen diesen berichtigten Bescheid auf einen Nachforderungsbetrag von Y DM. Mit Bescheid vom 24. Oktober 1967 forderte das FA 461 DM Säumniszuschläge wegen nicht rechtzeitiger Zahlung von Lohnsteuer an. Bei der Berechnung ist das FA von dem ursprünglichen Lohnsteuerrückstand von X DM ausgegangen.
Der Kläger war der Meinung, daß der Säumniszuschlag nicht von der ursprünglichen, sondern von der endgültig festgesetzten Steuerforderung berechnet werden müsse. Auf dieser Grundlage würden sich nach seiner vom FA nicht in Frage gestellten Berechnung lediglich 211 DM an Säumniszuschlägen ergeben.
Die nach erfolgloser Beschwerde an die OFD erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG setzte die Säumniszuschläge auf 211 DM fest. Die Revision ließ es zu. Zur Begründung führte es u. a. aus: Aus § 1 Abs. 1 StSäumG ergebe sich, daß nur für fällige Steuern, d. h. nach § 3 Abs. 2 StAnpG für Steuern, die zu entrichten sind, Säumniszuschläge erhoben werden dürften. Das FA verkenne, daß ein Teil der ursprünglich fällig gewesenen Forderung durch die Einspruchsentscheidung rückwirkend (ähnlich wie bei rückwirkenden Stundungen) beseitigt worden sei.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 1 StSäumG. Es trägt u. a. vor:
Es entspreche einem Grundgedanken des formellen Steuerrechts, daß der Steuerpflichtige zunächst einmal leisten müsse (z. B. § 242 Abs. 1 AO, die Einlegung des Rechtsbehelfs hebt die Zahlungspflicht nicht auf; und § 327 Abs. 2 Satz 1 AO, vorläufige Leistungspflicht trotz der Geltendmachung, daß der Steueranspruch erloschen, gestundet oder die Anordnung des Zwangsverfahrens unzulässig sei). Der Gesetzgeber wolle letztlich nur auf das von dem nichtzahlenden Steuerpflichtigen gezeigte Verhalten reagieren; deshalb könne der späteren Reduzierung der Steuer eine Bedeutung nicht mehr zukommen.
Der BdF ist dem Verfahren nach § 122 Abs. 2 FGO beigetreten. In seiner Stellungnahme bezieht er sich im wesentlichen auf eine schon früher abgegebene Stellungnahme in der Sache IV R 18/71, in der die gleiche Rechtsfrage zur Entscheidung anstand. Der Inhalt dieser Stellungnahme ist in dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1975 GrS 1/75 (BFHE 117, 352, BStBl II 1976, 262), der auf den Vorlagebeschluß des IV. Senats vom 17. April 1975 IV R 18/71 (BFHE 115, 422, BStBl II 1975, 622) ergangen ist, wiedergegeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist nicht begründet.
Der Große Senat des BFH hat mit Beschluß GrS 1/75 entschieden, daß, wenn die ursprüngliche, für die Bemessung der Säumniszuschläge maßgebende Steuer in einem Rechtsbehelfsverfahren herabgesetzt wird, sich auch entsprechend die Säumniszuschläge ermäßigen, die wegen Nichtentrichtung der rückständigen Steuer verwirkt sind. Zur Begründung hat der Große Senat darauf hingewiesen, daß eine noch nicht bestandskräftige Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt einer Änderung in dem anhängenden Rechtsbehelfsverfahren stehe. In dem Rechtsbehelfsverfahren werde darüber entschieden, ob und inwieweit der Steuerpflichtige in seinen Rechten verletzt sei. Soweit eine Rechtsverletzung bejaht werde, sei die Steuerfestsetzung rechtswidrig und müsse aufgehoben werden. Diese Aufhebung wirke auf den Tag der Entstehung der Steuerschuld nach § 3 StAnpG zurück. Deshalb könne, solange die Steuerfestsetzung noch nicht bestandskräftig sei, unter dem Begriff "rückständiger Steuerbetrag" i. S. des § 1 Abs. 1 StSäumG 1961 nur der Steuerbetrag verstanden werden, der schließlich in Rechtskraft erwachse. Dieser Auffassung schließt der Senat sich an.
Im Streitfall ist der ursprüngliche Haftungsbetrag an Lohnsteuer von X DM, den das FA der Berechnung der Säumniszuschläge zugrunde gelegt hat, nicht in Rechtskraft erwachsen. Er ist vielmehr zunächst durch einen berichtigten Haftungsbescheid, alsdann weiter auf den Einspruch gegen diesen berichtigten Haftungsbescheid herabgesetzt worden. Die Grundsätze, die der Große Senat herausstellt und denen der erkennende Senat sich anschließt, führen zu dem Ergebnis, daß der Berechnung der Säumniszuschläge nur ein Lohnsteuernachforderungsbetrag von Y DM, der in der Entscheidung des FA über den Einspruch gegen den berichtigten Bescheid festgesetzt worden ist, zugrunde gelegt werden darf. Aus der Tatsache, daß die erste Herabsetzung des Nachforderungsbetrages nicht in der Einspruchsentscheidung, sondern in Form eines berichtigten Haftungsbescheides vorgenommen worden ist, können Bedenken hiergegen nicht hergeleitet werden. Denn auch der berichtigte Haftungsbescheid ist zu einem Zeitpunkt ergangen, zu dem der ursprüngliche Haftungsbescheid noch nicht in Rechtskraft erwachsen war. Hiernach hat das FG seiner Berechnung der Säumniszuschläge zu Recht den vom Kläger errechneten Betrag, der vom FA nicht in Frage gestellt worden ist, zugrunde gelegt.
Fundstellen
Haufe-Index 71985 |
BStBl II 1976, 739 |
BFHE 1977, 395 |