Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsmäßiger Erwerb von Steuererstattungs ansprüchen
Leitsatz (NV)
1. Zum Begriff des geschäftsmäßigen Erwerbs von Steuererstattungsansprüchen.
2. Die Zahl der Erwerbsfälle (1.) und der Zeitraum ihres Vorkommens sind zwar bedeutsam bei der Beurteilung, ob Geschäftsmäßigkeit vorliegt, doch kommt es auf die Verhältnisse im Einzelfall an. Die Annahme geschäftsmäßigen Erwerbs bei 4 Abtretungen innerhalb etwa eines Jahres kann rechtlich unbedenklich sein.
Normenkette
AO 1977 § 46 Abs. 4; FGO § 118 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein selbständig tätiger Steuerberater, ließ sich im Dezember 1989 von seinem Mandanten P dessen Erstattungsanspruch aus der Einkommensteuerveranlagung 1988 in Höhe von ... DM abtreten. In der Abtretungsanzeige wurde als Abtretungsgrund "diverse Honorarforderungen 1988/89" angegeben.
Im Juni und Juli 1990 gingen bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) zwei weitere Abtretungsanzeigen zugunsten des Klägers betreffend Steuererstattungsansprüche ein (Mandanten D und H). Im Januar 1991 ließ sich der Kläger von P dessen Steuererstattungsanspruch 1989 abtreten.
Das FA buchte das Einkommensteuergut haben 1988 des P in Höhe von ... DM auf dessen Kirchensteuer 1988 und Lohnsteuer Oktober 1981 um und teilte dies dem Kläger mit. Es erließ gegen diesen einen Abrechnungsbescheid, in dem es feststellte, daß sich der Erstattungsanspruch des P auf 0 DM belaufe; der erfolgten Umbuchung stehe die Abtretung vom Dezember 1989 nicht entgegen, da diese geschäftsmäßig erfolgt und damit unwirksam sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Die Abtretung sei nichtig; sie verstoße, selbst wenn sie zur Sicherung erfolgt sein sollte, gegen § 46 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977), da der Erstattungsanspruch geschäftsmäßig erworben worden sei. Ein geschäftsmäßiges, d. h. selbständiges und mit Wiederholungs absicht ausgeübtes Handeln setze keine besonderen organisatorischen Vorkehrungen voraus. Bei vier Abtretungen innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums könne von einem nur gelegentlichen Tätigwerden nicht ausgegangen werden. Die Geschäfts mäßigkeit werde im Streitfall auch dadurch bestätigt, daß sich der Kläger von P sogar zwei Male Erstattungsansprüche habe abtreten lassen. Ohne Bedeutung sei das Verhältnis der Zahl der Abtretungen zu den insgesamt vom Kläger übernommenen Mandaten.
Mit der Revision rügt der Kläger, das FG habe den Rechtsbegriff der Geschäftsmäßigkeit verkannt. § 46 Abs. 4 AO 1977 sei geschaffen worden, um Mißbräuchen vom von vornherein erfolgten Erwerb von Lohnsteuererstattungsansprüchen durch Lohnsteuerhilfevereine zu begegnen. Vorauszahlungen auf Honorare, die säumige Mandanten eines Steuerberaters schuldeten, würden nicht erfaßt. Eine Wiederholungsabsicht könne nur angenommen werden, wenn organisatorische Vorkehrungen getroffen seien. Das Mandatsvolumen dürfe im übrigen nicht unbeachtet bleiben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat, von zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgehend, die angefochtenen Bescheide bestätigt, indem es einen geschäftsmäßigen Erwerb des an den Kläger abgetretenen Erstattungsanspruchs zum Zwecke der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung angenommen und die streitige Abtretung somit als nichtig beurteilt hat. Diese Entscheidung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Auf die Frage, ob die Abtretung des Anspruchs, die bereits mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 1988, vor Festsetzung der Jahressteuer, erfolgen durfte (Senat, Urteil vom 6. Februar 1990 VII R 86/88, BFHE 160, 108, 110, BStBl II 1990, 523), auch wegen Verstoßes gegen § 46 Abs. 2 AO 1977 -- Anzeige durch den Zedenten -- unwirksam oder ob der Kläger zur Übermittlung der Anzeige an das FA bevollmächtigt war (zur grundsätzlich anzunehmenden Bevollmächtigung des Zessionars zuletzt Senat, Urteil vom 22. März 1994 VII R 117/92, BFHE 174, 112, BStBl II 1994, 789, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1994, 513), kommt es nicht an. Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage, ob es sich um eine erfüllungshalber vorgenommene Abtretung oder nur um eine Sicherungsabtretung handelte. Dies konnte das FG offenlassen, da der geschäftsmäßige Erwerb bzw. die geschäftsmäßige Einziehung (auch) von zur Sicherung abgetretenen Ansprüchen nur Bankunternehmen gestattet (§ 46 Abs. 4 Satz 3 AO 1977), im übrigen aber unzulässig ist (Senat, Urteil vom 23. Oktober 1985 VII R 196/82, BFHE 144, 526, 529 f., BStBl II 1986, 124).
Geschäftsmäßig i. S. von § 46 Abs. 4 AO 1977 handelt, wer die Tätigkeit -- Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen -- selbständig und in Wiederholungsabsicht ausübt; dafür getroffene organisatorische Vorkehrungen indizieren zwar die Wiederholungsabsicht, sind indes für deren Annahme, entgegen der Meinung der Revision, keine notwendige Voraussetzung (BFHE 144, 526, 531 f., BStBl II 1986, 124; Senat, Urteile vom 17. September 1987 VII R 168/84, BFH/NV 1988, 9, und vom 30. August 1988 VII R 149/85, BFH/NV 1989, 210, 212). Das Verhältnis der Zahl der Abtretungen zu den gesamten (Lohnsteuer-)Beratungsfällen ist gleichfalls ohne Bedeutung (BFHE 144, 526, 532 f., BStBl II 1986, 124; BFH/NV 1989, 210, 212 a. E.).
Von diesen Grundsätzen, die auch in den Fällen der Abtretung von Erstattungsansprüchen an Steuerberater zur Sicherung ihrer Honorarforderungen gelten (BFHE 144, 526, 531, BStBl II 1986, 124), ist -- zutreffend -- die Vorinstanz ausgegangen. Sie hat im Streitfall den Erwerb des Erstattungsanspruchs des P (Einkommensteuer 1988) im Hinblick auf die Anzahl der im maßgebenden Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorliegenden vier Abtretungen einschließlich einer weiteren Abtretung durch P als geschäftsmäßig erfolgt beurteilt, einen (zulässigen) gelegentlichen Erwerb also ausgeschlossen. Diese Bewertung ist zwar nicht zwingend, indessen möglich und somit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (§ 118 Abs. 2 der Finanz gerichtsordnung -- FGO --; vgl. BFH/NV 1989, 210, 212: Abtretungen in sechs Fällen). Die Zahl der Erwerbsfälle und der Zeitraum ihres Vorkommens spielen bei der Beurteilung, ob Geschäftsmäßigkeit vorliegt, eine bedeutende Rolle. Gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, selbst einen einzigen Erwerb schon als selbständig und in Wiederholungsabsicht erfolgt zu würdigen (dies allerdings unter besonders zu begründenden Umständen, etwa bei festgestellten organisatorischen Vorkehrungen für den Erwerb). Dasselbe gilt -- erst recht --, wenn weitere Fälle vorliegen, wobei deren Häufigkeit Rückschlüsse ermöglicht. Insoweit kommt es auf die Verhältnisse des Einzelfalls an. Allgemeine Beurteilungsmaßstäbe lassen sich nicht entwickeln. Eine Anzahl von vier Abtretungen einschließlich eines Wiederholungsfalles innerhalb eines Zeitraums von wenig mehr als einem Jahr kann ausreichen. Wenn die Vorinstanz in einem solchen Falle die Geschäftsmäßigkeit bejaht hat, so kann darin ein Rechtsfehler nicht gefunden werden.
Fundstellen
Haufe-Index 420318 |
BFH/NV 1995, 473 |