Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von 15 000 km übersteigenden Fahrleistungen bei außergewöhnlich stark gehbehinderten Personen
Leitsatz (amtlich)
Ausnahmsweise können Fahrleistungen mit einem PKW bei außerordentlich gehbehinderten Personen, auch soweit sie 15 000 km im Jahr übersteigen, noch als angemessen zu beurteilen und die entstandenen Aufwendungen deshalb als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen sein, sofern nach der Art und der Schwere der Behinderung nur durch den Einsatz eines PKW eine berufsqualifizierende Ausbildung durchgeführt werden kann. In einem solchen Ausnahmefall können jedoch über die im Zusammenhang mit der Ausbildung stehenden Fahrten hinaus für weitere rein private Fahrten höchstens noch Fahrleistungen bis zu 5 000 km p.a. zusätzlich steuerlich berücksichtigt werden.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 2, § 33a Abs. 2, 5, § 33 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Münster (EFG 1999, 648) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) machte in der Einkommensteuererklärung für 1994 behinderungsbedingte Kfz-Kosten seines Sohnes in Höhe von 17 805,32 DM (34 241 km x 0,52 DM) als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend.
Der am 22. April 1969 geborene Sohn ist zu 100 v.H. behindert mit den Merkmalen im Schwerbehindertenausweis "G", "aG" und "RF" und lebt im elterlichen Haushalt. Der Sohn, der als Student der Mathematik an der Universität A eingeschrieben ist, kann infolge seiner Behinderung die Universität ausschließlich mit einem Kfz erreichen. Nach den Angaben des Klägers ist der Sohn wegen seines künstlichen Darmausgangs auf eine spezielle häusliche Toilette angewiesen und muss deshalb bei nachmittäglichen Veranstaltungen zwischendurch nach Hause fahren. Die Entfernung zwischen Wohnort und Universität beträgt 43 km.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte die Fahrtaufwendungen des Sohnes im Einkommensteuerbescheid 1994 nur mit einem Betrag von 7 800 DM (15 000 km x 0,52 DM). Das FA setzte jedoch für den Sohn einen Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 2 400 DM und wegen dessen Behinderung zusätzlich einen Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG in Höhe von 2 760 DM an.
Mit seinem Einspruch machte der Kläger geltend, die Kfz-Kosten beträfen keineswegs ausnahmslos sog. Privatfahren bzw. Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten. Vielmehr handele es sich mit 21 414 km überwiegend um Fahrten zu und von der Ausbildungsstätte. In den mit 12 827 km ausgewiesenen Privatfahrten seien auch die für die Ausbildung des Sohnes notwendigen regelmäßigen Fahrten zu Kommilitonen enthalten.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 648 veröffentlichtem Urteil als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Soweit sein Sohn 12 827 km auf regelmäßigen Fahrten zu den Kommilitonen zurückgelegt habe, sei er aufgrund seiner Behinderung weitaus mehr als andere Studenten auf gemeinsames Lernen mit Kommilitonen sowie auf deren Unterstützung zur Vor- und Nachbereitung des Lernstoffes angewiesen.
Kfz-Kosten würden nach der Rechtsprechung nicht nur für unabweisliche Fahrten, sondern für sämtliche Privatfahrten ohne Berücksichtigung des Fahrtzweckes anerkannt. Deshalb sei dem Bundesfinanzhof (BFH) darin zuzustimmen, dass diese Aufwendungen nicht schrankenlos, vor allem nicht für Vergnügungsfahrten, steuermindernd berücksichtigt werden dürften. Zu Recht beschränke der BFH deshalb die Abziehbarkeit auf ein angemessenes Maß.
Jedoch habe das FG den vom BFH aufgestellten Abgrenzungsmaßstab verkannt, als es die äußerste Grenze mit 15 000 km/Jahr angenommen habe. Der BFH ziehe nämlich diese Grenze ausdrücklich nur "in aller Regel".
Das FG habe es unterlassen, sich mit den Voraussetzungen des Regel- und des Ausnahmefalles auseinander zu setzen. Bei sachgerechter Abwägung hätte das FG hier einen Ausnahmefall bejahen müssen. Die erklärten Kosten beträfen nicht reine private Fahrten, sondern Kosten für die aus Gründen der Ausbildung unabdingbaren Fahrten. Mithin sollten nicht Aufwendungen für eine reine Freizeitgestaltung seines Sohnes auf den Fiskus übergewälzt werden. Sein Sohn sei als Behinderter in besonderem Maße auf eine qualifizierte Ausbildung angewiesen, um eine Chance auf einen Arbeitsplatz zu erhalten. Der Studienabschluss werde ihm eine Berufswahl ermöglichen, bei welcher seine Behinderung in den Hintergrund treten werde.
Seine Behinderung erlaube ihm nicht, eine Wohnung in der Nähe der Universität zu beziehen, weil er nicht ohne fremde Hilfe leben könne. Ebenso wenig könne er mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Universität fahren. Er, der Kläger, habe sich entsprechend seiner zivilrechtlichen Unterhaltspflicht auch nicht der Übernahme der Kfz-Kosten entziehen können.
Die über 15 000 km hinausgehende Fahrleistung sei auch nicht durch den Ausbildungsfreibetrag abgegolten. Das FG habe verkannt, dass der Ausbildungsfreibetrag allen Eltern für in Ausbildung befindliche Kinder zustehe. Hingegen sei die steuerliche Leistungsfähigkeit von Eltern mit einem behinderten Kind zusätzlich gemindert. Diese zusätzliche Minderung müsse deshalb auch zusätzlich berücksichtigt werden, um eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zu vermeiden.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides für 1994 i.d.F. der Einspruchsentscheidung weitere Fahrtaufwendungen in Höhe von 10 005,32 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es weist vorsorglich darauf hin, dass der Kläger bislang die Fahrtaufwendungen weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht habe.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Nach den zutreffenden Ausführungen des FG kann der Kläger die Kfz-Kosten neben dem Pauschbetrag für Körperbehinderte, der ihm im Streitjahr wegen der Behinderung seines Sohnes in Höhe von 2 760 DM gewährt worden ist (§ 33b Abs. 3, 5 EStG), geltend machen. Denn neben dem Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG, der laufende und typische unmittelbar mit der Behinderung zusammenhängende Kosten abgilt, hat der BFH in ständiger Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen gewisse mit der Körperbehinderung zusammenhängende Aufwendungen nach § 33 EStG zum Abzug zugelassen. Dazu gehören u.a. Kfz-Aufwendungen Schwerkörperbehinderter mit erheblicher Geh- und Stehbehinderung (Senatsurteil vom 22. Oktober 1996 III R 203/94, BFHE 182, 44, BStBl II 1997, 384, m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch, wenn nicht der Körperbehinderte selbst, sondern derjenige, dem der Behinderten-Pauschbetrag gemäß § 33b Abs. 5 EStG übertragen worden ist, die Kfz-Kosten getragen hat (vgl. BFH-Urteil vom 1. August 1975 VI R 158/72, BFHE 116, 378, BStBl II 1975, 825).
2. Zu Unrecht hat es das FG jedoch abgelehnt, Aufwendungen für Fahrten von mehr als 15 000 km als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
a) Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Die Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
b) Im Streitfall hatte der Kläger aus rechtlichen Gründen die Kfz-Kosten des Sohnes zu tragen.
aa) Eltern sind bürgerlich-rechtlich verpflichtet, ihren Kindern angemessenen Unterhalt zu gewähren (§ 1601, § 1610 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―). Im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit haben sie für den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Berufsausbildung anfallen, aufzukommen (§ 1610 Abs. 2 BGB). Soweit durch Krankheit oder Behinderung eines Kindes Mehrbedarf entsteht, haben die Eltern diesen im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten ebenfalls zu finanzieren (vgl. Senatsurteile vom 27. Februar 1987 III R 209/81, BFHE 149, 240, BStBl II 1987, 432, unter 2.; vom 15. November 1991 III R 1/91, BFH/NV 1992, 302).
bb) Bei den geltend gemachten Kfz-Kosten handelt es sich dem Grunde nach um Aufwendungen, welche der Kläger im Rahmen seiner Unterhaltspflicht zu tragen hatte, da der Sohn infolge seiner Behinderung zur Fortbewegung auf sein Kfz angewiesen war und zwar sowohl für die ausbildungsbedingten Fahrten als auch die reinen Privatfahrten.
c) Zwangsläufig entstandene Aufwendungen sind als außergewöhnliche Belastung aber nur zu berücksichtigen, soweit sie den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.
aa) Bei Steuerpflichtigen mit erheblicher Geh- und Stehbehinderung, die sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines Kfz bewegen können, sind grundsätzlich sämtliche Kfz-Kosten, soweit es sich nicht um Werbungskosten oder Betriebsausgaben handelt, als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, also nicht nur die unvermeidbaren Kosten zur Erledigung privater Angelegenheiten, sondern in angemessenem Rahmen auch die Kosten für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten (Senatsurteil in BFHE 182, 44, BStBl II 1997, 384, m.w.N.).
Die Angemessenheit ist insbesondere nach der Höhe der Fahrleistung, nach der Art und dem Charakter der durchgeführten Fahrten sowie unter Berücksichtigung der vom Steuerpflichtigen benutzten Wagenklasse zu bestimmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist eine jährliche Fahrleistung von mehr als 15 000 km im Hinblick auf die Fahrgewohnheiten der Autobesitzer in aller Regel nicht mehr als angemessen zu beurteilen (Urteil in BFHE 182, 44, BStBl II 1997, 384, m.w.N.).
Diese Grundsätze für die Berücksichtigung von Kfz-Kosten als außergewöhnliche Belastung beim Behinderten selbst, gelten in Fällen entsprechend, in denen ein Unterhaltsverpflichteter die Kfz-Kosten des Schwerbehinderten trägt und als außergewöhnliche Belastung geltend macht (vgl. BFH in BFHE 116, 378, BStBl II 1975, 825).
bb) Im Streitfall hält es der Senat jedoch aufgrund der besonderen Umstände ausnahmsweise für gerechtfertigt, die Aufwendungen für Fahrten mit dem Kfz über die generelle Angemessenheitsgrenze von 15 000 km hinaus als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Für die Festlegung dieser Grenze war ausschlaggebend, dass eine Fahrleistung von mehr als 15 000 km für reine Privatfahrten nicht den Fahrgewohnheiten der Mehrheit der Autobenutzer entspricht und damit außerhalb des Rahmens des Angemessenen liegt (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1992 III R 63/91, BFHE 169, 427, BStBl II 1993, 286). Die Fahrten im Streitfall sind aber überwiegend nicht als "reine" Privatfahrten in diesem Sinn zu beurteilen.
Von den im Streitjahr 1994 gefahrenen 34 241 km entfielen nach dem Vortrag des Klägers 21 414 km auf Fahrten zwischen Wohnung und Universität und 12 827 km auf Fahrten zu Freunden und Kommilitonen. Bei den Fahrten zwischen Wohnung und Universität handelt es sich um unvermeidbare Privatfahrten, die nicht der persönlichen Freizeit- und Urlaubsgestaltung gedient haben. Insoweit war der Sohn auf die Benutzung des Kfz angewiesen, um einen berufsqualifizierenden Studienabschluss erlangen zu können. Die Begrenzung auf 15 000 km bezieht sich auf rein private, im Wesentlichen dem persönlichen Vergnügen dienende Fahrten, nicht aber auf Fahrtaufwendungen, die zum überwiegenden Teil durch zwingende sachliche Gründe veranlasst sind.
Nach Auffassung des Senats sind die unvermeidbaren Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Universität auch insoweit steuermindernd zu berücksichtigen, als sie die Regelgrenze von 15 000 km überschreiten, ebenso die Aufwendungen für Fahrten zu Kommilitonen, die nachprüfbar der Vor- und Nachbereitung des Lernstoffs gedient haben, weil diese Fahrten wegen der durch die Behinderung des Sohnes erschwerten Lebens- und Lernbedingungen notwendig waren.
Aufwendungen für reine Privatfahrten sind daneben ebenfalls in gewissem Umfang als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, jedoch begrenzt auf höchstens 5 000 km. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind die auch bei großzügiger Beurteilung nicht zu berücksichtigenden Privatfahrten zu schätzen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 116, 378, BStBl II 1975, 825 ; vom 15. November 1991 III R 30/88, BFHE 166, 159, BStBl II 1992, 179, unter 3. der Gründe, jeweils m.w.N.). Je größer die Erwerbsminderung durch die Geh- und Stehbehinderung sei, umso höher seien nach der Lebenserfahrung auch die dadurch bedingten zwangsläufigen Aufwendungen für Fahrten mit dem Kfz. Im Streitfall ist andererseits zu berücksichtigen, dass der Sohn des Klägers im Streitjahr bereits eine große Zahl unvermeidbarer Fahrten hatte und aufgrund seiner Behinderung aus physischen Gründen nicht in der Lage gewesen sein dürfte, zusätzlich noch in wesentlich größerem Umfang rein private Fahrten durchzuführen. Nach einer dem FA bei der Veranlagung 1992 vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 27. August 1993 konnte der Sohn nicht ständig ein Kfz lenken. Überdies ist zu berücksichtigen, dass der Kläger weder unterhaltsrechtlich noch aus sittlichen Gründen gehalten war, dem Sohn praktisch unbegrenzt eine rein private Kfz-Benutzung zu finanzieren. Ein solcher Aufwand könnte jedenfalls nicht mehr als zwangsläufig anerkannt und steuermindernd zu Lasten der Allgemeinheit berücksichtigt werden.
3. Entgegen der Auffassung des FG sind die Aufwendungen für die durch die Ausbildung des Sohnes verursachten Fahrten auch nicht durch den Ausbildungsfreibetrag abgegolten.
a) Erhält der Steuerpflichtige für sein Kind einen Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 EStG können daneben zwar Aufwendungen für die Berufsausbildung des Kindes grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt werden (§ 33a Abs. 5 EStG) unabhängig davon, ob es sich um typische oder untypische Kosten handelt (BFH-Urteil vom 9. November 1984 VI R 40/83, BFHE 142, 450, BStBl II 1985, 135; ferner BFH-Beschluss vom 23. Mai 2000 III B 98/99, BFH/NV 2000, 1340, m.w.N.). Zu den durch den Ausbildungsfreibetrag abgegoltenen Aufwendungen für die Berufsausbildung gehören nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig auch die Kosten für Fahrten zur Ausbildungsstätte (vgl. Urteil vom 22. März 1996 III R 7/93, BFHE 180, 541, BStBl II 1997, 30, m.w.N.). In Ausnahmefällen, wenn dem Steuerpflichtigen durch außergewöhnliche Umstände zusätzliche, durch die Pauschbeträge des § 33a Abs. 2 EStG und § 32 Abs. 6 EStG sowie durch das Kindergeld nicht abgegoltene besondere Aufwendungen entstehen, kann er diese aber neben dem Ausbildungsfreibetrag als außergewöhnliche Belastung geltend machen (Beschluss vom 17. April 1997 III B 216/96, BFHE 183, 139, BStBl II 1997, 752, m.w.N., betr. Aufwendungen für den Schulbesuch als Krankheitskosten).
b) Bei den Kosten für die Fahrten des Sohnes zur Universität mit dem Kfz handelt es sich um solche zusätzlichen, auf außergewöhnlichen Umständen beruhenden Aufwendungen. Die Kfz-Kosten hängen zwar mit der Ausbildung des Sohnes zusammen, jedoch liegt ihre eigentliche Ursache in seiner schwerwiegenden Behinderung (zu dieser möglichen Ausnahme auch Anm. o.V. in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1985, 164; ferner zur Gehbehinderung als maßgebendem auslösenden Moment für die Entstehung zusätzlicher zwangsläufiger Aufwendungen BFH-Urteil vom 26. März 1993 III R 9/92, BFHE 171, 428, BStBl II 1993, 749). Denn der Sohn konnte aufgrund seiner Behinderung nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Universität fahren und deshalb auch nicht das "Semesterticket" für den Verkehrsverbund ausnutzen, das ―wie der Kläger vorgetragen hat― mit dem Semesterausweis "automatisch" erworben werde. Insbesondere war der Sohn des Klägers aufgrund seiner Behinderung darauf angewiesen, zwischen den Vorlesungen, sofern diese auch am Nachmittag stattfanden, nach Hause zu fahren. Insoweit handelt es sich bei den Kfz-Kosten um zwangsläufige, durch die Behinderung verursachte Aufwendungen, die Eltern nicht behinderter Kinder nicht zu tragen haben und die deshalb nicht durch den Ausbildungsfreibetrag und auch nicht durch den dem Kläger gewährten Kinderfreibetrag abgegolten sind.
4. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat aus seiner Sicht zu Recht nicht geprüft, ob der Sohn des Klägers tatsächlich mehr als 15 000 km im Streitjahr gefahren ist und welchem Zweck die einzelnen Fahrten gedient haben. Das FG wird auch aufzuklären haben, welches Fahrzeug der Sohn im Streitjahr benutzt hat. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Steuerpflichtige die durch die Behinderung veranlassten Fahrtaufwendungen nachzuweisen oder zumindest in angemessener Weise glaubhaft zu machen (BFH-Entscheidungen in BFHE 116, 378, BStBl II 1975, 825, und vom 17. September 1999 III B 38/99, BFH/NV 2000, 315, unter 1. b, m.w.N.).
Das FG wird u.U. auch zu berücksichtigen haben, ob dem Sohn des Klägers im Hinblick auf die behinderungsbedingten Mehraufwendungen bereits eine entsprechend angehobene Ausbildungsförderung geleistet worden ist. Ausweislich eines in den Einkommensteuer-Akten befindlichen Schreibens des Landesamtes für Ausbildungsförderung vom 21. Oktober 1994 an das beklagte FA betreffend den Bewilligungszeitraum 10/1993 bis 9/1994 hat der Sohn offenbar im Widerspruchsverfahren entsprechende Mehraufwendungen bereits geltend gemacht.
Fundstellen
Haufe-Index 674641 |
BFH/NV 2002, 438 |
BStBl II 2002, 198 |
BFHE 197, 455 |
BFHE 2002, 455 |
BB 2002, 449 |
DB 2002, 1696 |
DStRE 2002, 429 |
HFR 2002, 412 |
StE 2002, 104 |