Entscheidungsstichwort (Thema)
Nießbrauchsvereinbarung mit Kindern
Leitsatz (NV)
Die einkommensteuerrechtliche Anerkennung des Erzielens von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aufgrund einer Nießbrauchsvereinbarung zwischen Eltern und Kindern setzt voraus, daß die Kinder tatsächlich die Vermieterstellung übernommen haben.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Versicherungsvertreter. Am 2. November 1972 schlossen er, seine Ehefrau sowie seine beiden Söhne A (geboren September 1956) und B (geboren März 1962) eine privatschriftliche Vereinbarung mit folgendem Wortlaut:
,,Die Unterzeichner dieser Vereinbarung haben sich dahingehend geeinigt, daß ab 1. 1.1973 für die Dauer von 10 Jahren zugunsten der Kinder A . . . und B . . . an dem Wohnhaus in A ein unentgeltliches Nießbrauchsrecht bestellt wird.
Die Kinder erhalten die Miete aus dem vorbezeichneten Wohnhaus auf ein noch einzurichtendes, auf beider Namen lautendes gemeinsames Sparkonto. Die Abhebungen sind von ihnen jeweils hälftig zu teilen.
Der Grundstückseigentümer E trägt weiterhin alle Tilg. u. Zinsen für Kredite dieses Hauses und übernimmt alle Kosten, Gebühren und Abgaben, sowie die Aufwendungen für die Instandhaltung, soweit diese nicht vom Mieter lt. Mietvertrag getragen werden."
Lt. notarieller Bewilligungserklärung vom 9. November 1972 ist das Nießbrauchsrecht am 20. Dezember 1972 für die Nießbrauchsberechtigten zu je 1/2 im Grundbuch eingetragen worden. Bei der Bestellung hat kein Ergänzungspfleger mitgewirkt. Das Einfamilienhaus war seit dem 1. Mai 1972 für eine Monatsmiete von 500 DM fremdvermietet. Mit Schreiben vom 27. Dezember 1972 forderte der Kläger die Mieter auf, die Miete ab 1. Januar 1973 auf das Konto . . . bei der Stadtsparkasse zu überweisen, das auf den Namen seiner Söhne lautete. Das Sparkassenbuch zeigt bis August 1977 nachträglich gebuchte, monatliche Eingänge von 555 DM. Mit Wirkung ab 1. September 1977 schlossen der Kläger und seine Ehefrau im Namen ihrer beiden Söhne einen neuen Mietvertrag bei einem Mietzins von zunächst 600 DM, wegen erweiterter Gartennutzung ab 4/1978 von 640 DM ab.
Der Kläger machte hinsichtlich des o. g. Objekts in den Streitjahren Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung in folgender Höhe geltend:
1977 1978 1979
18 433 DM 4 831 DM 1 613 DM.
Der Kläger hatte wegen des Nießbrauchsrechts seiner Söhne keine Einnahmen angesetzt. Die Werbungskosten beruhten im wesentlichen auf Instandhaltungskosten, Zinsen, Absetzung für Abnutzung (AfA) und sonstigen Aufwendungen (Versicherung, Steuer).
Wegen weiterer Mietobjekte machte der Kläger insgesamt folgende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt FA ) mit Bescheiden gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) anerkannte:
1977 1978 1979
./. 39 617 DM ./. 26 370 DM ./. 27 172 DM.
Nach einer Betriebsprüfung vertrat das FA die Auffassung, auch die Einräumung eines sog. Brutto-Nießbrauchsrechts sei für minderjährige Nießbraucher nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Denn das gesetzliche Schuldverhältnis lege ihm verschiedene, aus §§ 1036 Abs. 2, 1041, 1042 und 1055 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) folgende Verpflichtungen auf. Wegen fehlender Pflegerbestellung und wegen Verstoßes gegen § 181 BGB sei das Nießbrauchsrecht bürgerlich-rechtlich nicht wirksam bestellt worden und deshalb steuerlich nicht anzuerkennen. Das FA rechnete deshalb mit den Einkommensteuer-Änderungsbescheiden vom 30. Juli 1981 dem Kläger folgende positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hinzu:
1977 1978 1979
6 840 DM 7 200 DM 7 200 DM.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt und setzte die Einkommensteuer unter Änderung der Einkommensteuer-Änderungsbescheide 1977 bis 1979 vom 30. Juli 1981 und der Einspruchsentscheidung vom 23. September 1982 auf 4 593 DM für den Veranlagungszeitraum 1977, auf 9 246 DM für den Veranlagungszeitraum 1978 und auf 15 031 DM für den Veranlagungszeitraum 1979 fest.
Das FG sah es als zweifelhaft an, ob der Kläger seinen Söhnen ein bürgerlich-rechtlich wirksames Nießbrauchsrecht bestellt habe. Es ließ ferner offen, ob bei einem bürgerlich-rechtlich unwirksam bestellten Nießbrauchsrecht die Nutzung der Söhne auf schuldrechtlicher Grundlage erfolgt sei. Die Gesamtwürdigung aller bekannten Indizien führte jedoch zu dem Schluß, daß der Kläger alles getan habe, um seinen Söhnen tatsächlich die Einkunftsquelle aus dem Einfamilienhaus so zu übertragen, daß sie selbst Einnahmen erzielten.
Da die Einnahmen aus dem Einfamilienhaus dem Kläger nicht zuzurechnen seien, stünden seine Aufwendungen, die das FA für dieses Objekt als Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung anerkannt habe, nicht im Zusammenhang mit eigenen Einnahmen. Nach den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. Mai 1980 VIII R 128/78 (BFHE 131, 216, BStBl II 1981, 299) scheide der Abzug dieser Aufwendungen als Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung aus. Der danach grundsätzlich zulässigen Saldierung innerhalb des Klageantrags stünde jedoch § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 entgegen. Die Vorschrift sei nicht deshalb unanwendbar, weil das FA bei Erlaß der angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheide die in den Erstveranlagungen gewährten Werbungskosten beibehalten und lediglich die streitigen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung hinzugerechnet habe. Das FG würde einen angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheid mit der geänderten Rechtsauffassung des BFH bestätigen. Das BFH-Urteil in BFHE 131, 216, BStBl II 1981, 299 stelle eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung dar. Seit dem BFH-Urteil vom 5. Juli 1957 VI 74/55 U (BFHE 65, 419, BStBl III 1957, 393) habe der BFH in ständiger Rechtsprechung anerkannt, daß bei Nießbrauchsbestellung der Eigentümer weiterhin die AfA geltend machen könne. Sonstige Werbungskosten seien unter dem Gesichtspunkt der vorweggenommenen Werbungskosten für abziehbar gehalten worden, da dem Eigentümer in absehbarer Zeit wieder Einnahmen zufließen würden.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage begehrt wird.
Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Wer einem Dritten entgeltlich unbewegliches Vermögen zur Nutzung überläßt, verwirklicht den Tatbestand der Einkunftserzielung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Ob die Einkünfte aus dem vermieteten Grundstück dem Kläger oder seinen Söhnen zuzurechnen sind, hängt davon ab, wer von ihnen diesen Tatbestand verwirklichte. Das ist grundsätzlich derjenige, der die rechtliche oder tatsächliche Macht hat, einem anderen das Grundstück entgeltlich zur Nutzung zu überlassen.
Bestellen Eltern ihren minderjährigen Kindern den Nießbrauch an einem Grundstück, ist Voraussetzung für eine Verwirklichung des Tatbestands der Erzielung von Einkünften durch die Kinder, daß zu ihren Gunsten ein bürgerlich-rechtlich wirksames Nutzungsrecht begründet wurde. Die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrags ist erforderlich, um eine klare Trennung der Verwaltung des eigenen Vermögens und der Verwaltung des Kindesvermögens durch die Eltern zu gewährleisten (vgl. BFH-Urteil vom 15. April 1986 IX R 52/83, BFHE 146, 415, BStBl II 1986, 605, m. w. N.).
Die Beurteilung des Sachverhalts durch das FG ist in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.
Der erkennende Senat läßt unerörtert, ob es für die bürgerlich-rechtliche Wirksamkeit der hier getroffenen Nießbrauchsvereinbarung der Bestellung von Pflegern bedurft hätte. Denn die Söhne des Klägers haben auch deshalb keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, weil sie nicht wirksam in die Vermieterstellung des Klägers und seiner Ehefrau eingetreten sind.
Ein Eintritt in das Mietverhältnis kraft Gesetzes (§ 577 i. V. m. § 571 BGB) ist zwar auch bei Nießbrauchsvereinbarungen möglich (vgl. hierzu Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. Juni 1972 V ZR 154/70, BGHZ 59, 51). Jedoch wäre für dessen einkommensteuerrechtliche Anerkennung erforderlich, daß die Söhne tatsächlich die Vermieterstellung des Klägers vollständig übernommen hätten. Das ist hier nicht der Fall. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG war dem Mieter mit Schreiben vom 27. Dezember 1972 nur mitgeteilt worden, daß der Mieter die Miete auf ein bestimmtes Konto zahlen sollte, das auf den Namen der Söhne lautete. Ausdrücklich hatte ,,die Erstattung der Auslagen für Müllabfuhr, Wassergeld etc." weiter an den Kläger auf dessen Konto zu erfolgen. Eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme setzt den Abschluß einer Vereinbarung mit dem Kläger und den Mietern oder einer Vereinbarung mit dem Kläger unter Zustimmung der Mieter voraus (BFH-Urteil vom 26. April 1983 VIII R 205/80, BFHE 138, 242, BStBl II 1983, 502, Nr. 2 der Gründe). Eine solche wirksame Vertragsübernahme war hier zunächst nicht und später jedenfalls nicht klar und eindeutig gegeben.
Dadurch, daß der Mieter die Miete auf ein Konto der Söhne des Klägers überwies, wurde er nicht Vertragspartner der Söhne.
Die Söhne des Klägers sind auch nicht durch den Vertrag vom 30. August 1977 Vertragspartner des Mieters geworden. Der Abschluß dieses Mietvertrags war bürgerlich-rechtlich schwebend unwirksam, soweit der Kläger ohne Vertretungsmacht aufgetreten ist (§ 177 BGB). Letzteres ist hier gegeben, weil der Sohn A im Zeitpunkt des Vertragsschlusses volljährig war. Für diesen Sohn hat der Kläger den Vertrag vom 30. August 1977 ohne Vorlage einer Vollmacht abgeschlossen. Die Frage einer stillschweigenden Bevollmächtigung bedarf keiner Prüfung. Denn Vereinbarungen unter nahen Angehörigen können nach ständiger Rechtsprechung einkommensteuerrechtlich nur anerkannt werden, wenn sie klar und eindeutig getroffen sind. Diesem Grundsatz wäre mit der Annahme einer stillschweigenden Vollmacht nicht genügt.
Die nach Ablauf der Streitjahre während des finanzgerichtlichen Verfahrens erklärte Genehmigung aller Maßnahmen des Klägers durch den Sohn A wirkt steuerrechtlich nicht auf die Streitjahre zurück.
Bei dem Mietvertrag vom 30. August 1977 handelt es sich um ein einheitliches Rechtsgeschäft. Die Unwirksamkeit des Auftretens des Klägers für den volljährigen Sohn erfaßt gemäß § 139 BGB das ganze Rechtsgeschäft.
Die Klage war demgemäß bereits nach der damaligen Beurteilung der Rechtslage unbegründet.
Darauf, ob die Überlassung der Mieteinnahmen Unterhaltsleistungen ersetzt hat oder ob sie eine zusätzliche Leistung neben der Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt war, kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an; demgemäß ist auch unerheblich, daß mit dem Vortrag, es lägen ,,zusätzliche Leistungen" an den Sohn A vor, nicht dargetan ist, daß die Mietzinsüberlassung an den Sohn B ebenfalls keine Unterhaltsleistung ersetzt habe. Infolgedessen kommt es auch auf die Überlegungen des FG zu § 176 AO 1977 nicht an.
Unter diesen Umständen bedarf es schließlich auch keiner Entscheidung, ob die Gestaltung den Kriterien des § 42 AO 1977 standhalten kann.
Fundstellen
Haufe-Index 416339 |
BFH/NV 1989, 694 |