Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ausgaben, die dem Erwerber eines Betriebsgrundstücks nach dem Erwerb für Abstandszahlungen an die Mieter und Prozeßkosten entstehen, können zu den Anschaffungskosten für das Grundstück gehören.
Zur Aktivierungspflicht von Kosten des Umbaus oder der Modernisierung von Läden.
Zur amtlichen Aufklärungspflicht der Finanzgerichte hinsichtlich solcher Punkte, über die zwischen dem Finanzamt und dem Steuerpflichtigen kein Streit besteht.
Normenkette
AO § 243; EStG § 6 Ziff. 1, § 7
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) ist eine OHG, die einen Schuhwareneinzelhandel betreibt. Sie erwarb im Oktober 1951 das an ihr Geschäftsgrundstück angrenzende Anwesen. Im Jahre 1953 vergrößerte sie ihre bisherigen Verkaufsräume durch den Umbau des in dem erworbenen Grundstück befindlichen Ladens. Streitig sind die folgenden Punkte:
I. Abstandszahlung und Prozeßkosten Die Bgin. leitete gegen den Mieter des in dem erworbenen Grundstück befindlichen Buchladens einen Räumungsprozeß ein. Der Rechtsstreit endete am 13. Januar 1953 mit einem gerichtlichen Vergleich, in dem sich die Bgin. verpflichtete, an den Mieter eine Abfindung von 8 000 DM zu zahlen. Die Prozeßkosten betrugen 1 185 DM. Die Bgin. behandelte die beiden Beträge im Jahre 1953 als Betriebsausgaben. Das Finanzamt sah die Beträge als zusätzliche Anschaffungskosten für das Grundstück an und ließ auf die gesamten Anschaffungskosten, soweit sie auf das Gebäude entfielen, eine Absetzung für Abnutzung von 2 v. H. zu. Die Bgin. beantragte im Berufungsverfahren, die streitigen Beträge auf drei Jahre zu verteilen.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt und führte aus: Abfindungssummen, die der Erwerber eines Grundstücks an abziehende Mieter für die Räumung zahle, gehörten zu den Anschaffungskosten, wenn die Abfindungen in engem Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks stünden (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 1198/29 vom 17. Juli 1930, Reichssteuerblatt - RStBl - 1931 S. 7; VI A 749/34 vom 7. August 1935, RStBl 1935 S. 1208). Ein solcher enger Zusammenhang bestehe aber im Streitfall nicht. Die streitigen Beträge könnten deshalb nicht zu den Anschaffungskosten gerechnet werden. Sie müßten aber aktiviert und auf drei Jahre verteilt werden. Denn die Bgin. habe die Abfindung gezahlt, weil sie damit rechnete, dadurch drei Jahre früher in den Besitz des Ladens zu kommen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts ist in diesem Punkt begründet.
Inwieweit Aufwendungen, die der Erwerber eines Grundstücks nach dem Erwerb auf das Grundstück macht, noch zu den Anschaffungskosten rechnen, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. Der Begriff Anschaffungskosten ist nicht eng zu fassen; er ist nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu bestimmen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 176/54 U vom 25. Oktober 1955, Slg. Bd. 61 S. 489, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S.388; ferner I 110/54 U vom 15. Februar 1955, Slg. Bd. 60 S. 289, BStBl 1955 III S. 111; IV 583/54 U vom 22. Dezember 1955, Slg. Bd. 62 S. 224, BStBl 1956 III S. 84).
Ausschlaggebend ist nicht in erster Linie, ob ein zeitlicher, sondern ob ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückserwerb und den nachträglichen Aufwendungen besteht. Macht ein Erwerber nachträglich Aufwendungen, um den mit dem Grundstückserwerb von vornherein verfolgten Zweck zu erreichen, so besteht in der Regel ein sachlicher und unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Erwerb und dem nachträglichen Aufwand.
Ist die Zeit zwischen dem Grundstückserwerb und dem nachträglichen Aufwand nur verhältnismäßig kurz, so spricht das in der Regel dafür, daß der Erwerber des Grundstücks von vornherein den späteren Aufwand zur Erreichung seines wirtschaftlichen Zwecks einkalkulierte. Je größer der zeitliche Abstand des nachträgliches Aufwand von dem Grundstückserwerb wird, um so gründlicher ist es zu prüfen, ob noch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den beiden Vorgängen besteht, oder ob die nachträglichen Aufwendungen auf spätere Umstände zurückzuführen sind, die mit dem Grundstückserwerb keinen sachlichen Zusammenhang haben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 386/52 U vom 11. Dezember 1953, Slg. Bd. 58 S. 424, BStBl 1954 III S. 74). Auch die Frage, ob es sich bei dem nachträglichen Aufwand um einen im Verhältnis zum Kaufpreis erheblichen Betrag handelt, kann für die Beurteilung des sachlichen Zusammenhangs bedeutsam sein.
Die Vorentscheidung entspricht diesen Grundsätzen nicht.
Das Finanzgericht nimmt an, daß die Bgin. das Nachbargrundstück erworben habe, um zusätzlichen Ladenraum zu gewinnen. Es ist der Behauptung der Bgin. gefolgt, daß nach den ursprünglichen Plänen der Laden in dem erworbenen Grundstück erst später hätte ausgebaut werden sollen. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein unmittelbarer Zusammenhang der streitigen Aufwendungen mit dem Grundstückserwerb nicht auch dann noch angenommen werden müßte, wenn die Bgin. erst nach längerer Zeit Maßnahmen eingeleitet hätte, um den Laden in dem erworbenen Grundstück freizubekommen. Denn im vorliegenden Fall hat sie jedenfalls solche Maßnahmen verhältnismäßig kurze Zeit nach dem Erwerb eingeleitet. Da sie das Grundstück im Oktober 1951 gekauft hatte, und die Eintragung als Eigentümerin im Grundbuch erfahrungsgemäß längere Zeit dauert, muß sie schon kurze Zeit nach der Eintragung die Kündigung ausgesprochen haben, wenn diese zum 30. Juni 1952 wirksam sein sollte. Es ist bisher nicht festgestellt, wann die Kündigung ausgesprochen worden ist. Einer weiteren Aufklärung bedarf es aber insoweit nicht, da den Umständen nach nicht zweifelhaft ist, daß die Bgin., sobald sie konnte, Maßnahmen einleitete, um den von vornherein mit dem Grundstückskauf verfolgten Zweck, nämlich zusätzlichen Ladenraum zu gewinnen, zu verwirklichen. Die streitigen Aufwendungen hängen demnach wirtschaftlich unmittelbar mit dem Grundstückskauf zusammen. Die Bgin. war offenbar von vornherein bereit, neben dem vereinbarten Kaufpreis die hier streitigen Beträge zusätzlich aufzuwenden, weil ihr das Grundstück für ihre geschäftlichen Zwecke so viel wert war. Die Abfindung und die Prozeßkosten können dabei nicht verschieden behandelt werden, da sie auf Grund eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs entstanden sind.
Das Finanzgericht nimmt an, daß die Bgin. durch die Abfindung einen besonderen wirtschaftlichen Vorteil erlangt habe, der sich aber in drei Jahren verzehre. Er müsse daher als besonderes Wirtschaftsgut aktiviert und abgeschrieben werden. Diese Betrachtung ist rechtlich nicht zutreffend. Die nachträglichen Aufwendungen sind, wie ausgeführt, nachträgliche Anschaffungskosten, also auf das Gebäude im ganzen gemacht. Sie können darum auch nur einheitlich mit dem Gebäudewert nach § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgeschrieben werden.
Kosten für den Ladenumbau Die Kosten für den Ladenumbau wurden zum 31. Dezember 1953 mit 13 790 DM aktiviert. Die Vorinstanzen gestatteten übereinstimmend, diese Aufwendungen mit 10 v. H. jährlich abzuschreiben. Das Finanzgericht hat zu dieser Frage nicht besonders Stellung genommen.
Mit der Rechtsbeschwerde macht der Vorsteher des Finanzamts erstmalig geltend, die Umbaukosten für den Laden hätten dem Gebäudewert zugeschlagen werden müssen und könnten nur einheitlich mit diesem abgeschrieben werden. Die Aufwendungen für das Gebäude und den Ladenumbau könnten nur getrennt behandelt werden, wenn der Laden für ein vorübergehende Zeit umgebaut würde (Urteil des Reichsfinanzhofs IV 10/41 vom 8. Mai 1941, RStBl 1941 S. 548). Eine solche Aufteilung könne bei Ladenumbauten in Großstädten in Betracht kommen (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 221/36 vom 27. Mai 1936, RStBl 1936 S. 886), spiele aber in kleineren Orten, wie im Streitfall, keine Rolle, da dort eine dem Zeitpunkt angepaßte Gestaltung eines Ladens nicht von gleicher wirtschaftlicher Bedeutung sei wie in Großstädten. Das Finanzgericht habe, indem es nicht zur Behandlung der Umbaukosten Stellung genommen habe, seine Aufklärungspflicht nach § 243 der Reichsabgabenordnung (AO) verletzt.
Die Rechtsbeschwerde ist in diesem Punkt nicht begründet.
Das Verfahren des Finanzgerichts verstößt nicht gegen § 243 AO. Da zwischen dem Finanzamt und der Bgin. kein Streit über die Behandlung der Umbaukosten bestand und die vom Finanzamt zugelassene gesonderte Absetzung für Abnutzung auf die Umbaukosten nicht von vornherein offensichtlich falsch war, hatte das Finanzgericht keine Veranlassung, auf die Frage besonders einzugehen und eine ungünstigere Behandlung der Bgin., als sie vom Finanzamt vorgenommen worden war, in Erwägung zu ziehen.
Sachlich sind die Beteiligten bisher davon ausgegangen, daß die Kosten des Ladenumbaus als Herstellungsaufwand aktiviert und auf die Jahre der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer verteilt werden müßte. Diese Auffassung ist rechtlich einwandfrei. Ob Aufwendungen für Ladenumbauten aktivierungspflichtiger Herstellungsaufwand sind oder sofort abgeschrieben werden können, ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 8/53 U vom 9. Juli 1953 Slg. Bd. 57 S. 639, BStBl 1953 III S. 245) und I 111/54 U vom 31. Januar 1956 (Slg. Bd. 62 S. 230, BStBl 1956 III S. 86) unter Ziff. 2 zu beurteilen. Größere Aufwendungen für Ladenumbauten, die nicht regelmäßig wiederkehren und die dem Betrieb für eine längere Zeit nützlich sind, müssen in übereinstimmung mit der Verwaltungsübung (vgl. die Rundverfügungen der Oberfinanzdirektion Hannover von 2. Juli 1955 "Der Betrieb" 1955 S. 739 und der Oberfinanzdirektion München und Nürnberg "Der Betriebs-Berater" 1956 S. 489) grundsätzlich als Herstellungsaufwand aktiviert werden. Da es sich um eine "Modernisierung" handelt, kann allein die sofortige Abschreibung nicht rechtfertigen (vgl. dazu Schreiber "Der Betrieb" 1955 S. 1148; George, "Der Betriebs-Berater" 1956 S. 650). Alle Kosten, die bei einem wirtschaftlich einheitlichen Umbau anfallen, müssen auch einheitlich als Herstellungsaufwand behandelt werden. Es können nicht etwa bestimmte Teile der Aufwendungen ausgesondert und als Reparaturaufwand (Modernisierungsaufwand) sofort abgeschrieben werden (vgl. dazu das erwähnte Urteil des Senats I 176/54 U).
Eine andere Frage ist, ob die Umbaukosten gesondert aktiviert und in welcher Zeit sie abgeschrieben werden können. Einbauten, wie sie im Zuge eines Ladenumbaus vorkommen, werden nach bürgerlichem Recht oft wesentliche Bestandteile des Grundstücks und verlieren als solche ihre rechtliche Selbständigkeit; oft sind sie auch Zubehör des Gewerbebetriebs. Werden sie wesentliche Bestandteile des Grundstücks, so ist damit nicht gesagt, daß sie auch steuerlich nur einheitlich mit dem Gebäude abgeschrieben werden dürfen. Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. das erwähnte Urteil VI A 221/36) und des Bundesfinanzhofs (vgl. I 200/55 vom 17. Juli 1956, das zur amtlichen Veröffentlichung freigegeben ist) sowie nach der Verwaltungsübung (vgl. Abschnitt 127 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1953, 160 EStR 1955) kann zwar die Absetzung für Abnutzung von dem ganzen Gebäude, auch bei späteren Einbauten grundsätzlich nur einheitlich berechnet werden. Eine getrennte Absetzung für Abnutzung auf spätere Einbauten wird im allgemeinen nur zugelassen, wenn die Einbauten wirtschaftlich abgrenzbare Einrichtungen betreffen, die von vornherein nur für eine vorübergehende Zeit errichtet werden (vgl. die erwähnte Entscheidung des Reichsfinanzhofs IV 10/41). Diese Grundsätze sind bei nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Gebäuden schon aus Gründen der Vereinfachung geboten, weil die Aufspaltung der Absetzung für Abnutzung für verschiedene Bestandteile eines wirtschaftlich einheitlichen Gegenstandes und die überwachung bei außerbetrieblichen Grundstücken mangels seiner Buchführung praktisch kaum durchführbar wäre. Bei Grundstücken, die zum Vermögen eines buchführenden Betriebs gehören, entfallen diese Bedenken. Ist bei wirtschaftlich abgrenzbaren Einbauten in einem betrieblichem Grundstück der wirtschaftliche Wertverzehr dieser Einbauten wesentlich kürzer als die technische Nutzungsdauer des Gebäudes, so entspricht es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und den Regeln einer zutreffenden steuerlichen Gewinnermittlung, für die Einbauten eine getrennte Absetzung für Abnutzung zuzulassen, wenn dies den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs entspricht. Die besondere Aktivierung und Abschreibung nach § 7 EStG kommt insbesondere auch für Ladenumbauten in Betracht, die wegen der schnellen Wandlung des modischen Geschmacks, aus Gründen der betrieblichen Repräsentation und der Werbung wirtschaftlich oft eine kürzere Nutzungsdauer haben, als sie ihnen bzw. dem Gebäude technisch zukommt. Bei den derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnissen sind die Geschäftsinhaber schon aus Konkurrenzgründen oft zu Umbauten gezwungen, ohne daß dafür ein technisches Bedürfnis besteht. Es ist dem Finanzamt zuzugeben, daß die Verhältnisse in Großstädten, wo ein schärferer Wettbewerb besteht, etwas anders liegen können, als in kleineren Orten. Aber auch in kleineren Orten wird die wirtschaftliche Nutzungsdauer eines Ladenumbaus gewöhnlich wesentlich unter der technischen Nutzungsdauer des Gebäudes liegen. Den abweichenden Verhältnissen zwischen den Großstädten und kleineren Orten kann bei der Schätzung der voraussichtlichen Nutzungsdauer für die Umbauten Rechnung getragen werden.
Die Frage der Nutzungsdauer selbst ist im wesentlichen eine Frage der tatsächlichen Würdigung, bei deren Beurteilung die betrieblichen, branchenmäßigen und örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen sind. Die im Streitfall vom Finanzamt zunächst vorgenommene und vom Finanzgericht bestätigte Schätzung einer wirtschaftlichen Nutzungsdauer von 10 Jahren für den Ladenumbau ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 408538 |
BStBl III 1956, 321 |
BFHE 1957, 322 |
BFHE 63, 322 |
BB 1956, 987 |
DB 1956, 1002 |