Entscheidungsstichwort (Thema)
Umlagen für Nebenkosten und Betriebskosten als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung; § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG ist verfassungsgemäß
Leitsatz (amtlich)
Umlagen und Nebenentgelte, die der Vermieter für die Nebenkosten oder Betriebskosten erhebt, gehören zu den Einnahmen bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung.
§ 9a Satz 1 Nr. 2 EStG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Normenkette
EStG §§ 8, 9a Abs. 1 Nr. 2, § 21 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Dok.-Nr. 0550041; EFG 1999, 17) |
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind je zur Hälfte Eigentümer eines Mietwohngrundstückes in B. Im Streitjahr vereinnahmten sie Kaltmieten in Höhe von 35 787 DM sowie 2 627 DM Mietumlagen. In ihrer Steuererklärung für 1996 erklärten sie lediglich die Kaltmieten als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Neben Schuldzinsen in Höhe von 17 845 DM und Absetzung für Abnutzung in Höhe von 12 329 DM machten sie die übrigen Werbungskosten gemäß § 9a Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschal mit 9 828 DM geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte bei der Veranlagung abweichend von der Steuererklärung auch die vereinnahmten Umlagebeträge von 2 627 DM als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 24. Februar 1997 auf 164 DM fest.
Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet abwies (Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 17).
Mit der Revision rügen die Kläger eine Verletzung materiellen Rechts.
Würden die Mietumlagen als Einnahmen erfasst, bestehe bei Inanspruchnahme des Pauschbetrages nach § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG keine Möglichkeit, die für die vereinnahmten Umlagen angefallenen Ausgaben bei den Werbungskosten zu berücksichtigen. Die Erstattung der Umlagen durch den Mieter sei als negative Werbungskosten und nicht als Einnahmen i.S. des § 8 EStG anzusetzen. Es bestehe keine Einnahmeerzielungsabsicht und die von den Mietern vereinnahmten Umlagen stellten lediglich eine Erstattung für die von Dritten berechneten Kosten dar.
Die Erfassung der Mietumlagen als Einnahmen verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Bei Steuerpflichtigen, die bei einer Vermietung lediglich die Kaltmieten vereinnahmten, weil Versorgungsunternehmen und sonstige Dritte direkt mit den Mietern abrechnen könnten, wirke sich der Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG in voller Höhe steuermindernd aus, während bei Steuerpflichtigen, die mit ihren Mietern die Umlagen abrechnen müssten, sich der Pauschbetrag gar nicht oder nur teilweise steuermindernd auswirke. § 21 EStG sei daher verfassungswidrig.
Die Kläger beantragen, das Urteil des Niedersächsischen FG vom 22. Juli 1998 III 347/97 und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und die Einkommensteuer auf 0 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet; sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat zu Recht die von den Klägern vereinnahmten Umlagebeträge als Einnahmen im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) erfasst.
1. a) Einnahmen sind gemäß § 8 Abs. 1 EStG alle Güter in Geld oder Geldeswert, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen. Die Vermögensmehrung muss durch eine der Einkunftsarten veranlasst sein.
Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) gehören nicht nur die für die Überlassung eines Gegenstandes gezahlten Miet- oder Pachtzinsen, sondern auch alle sonstigen Entgelte, die in einem objektiven wirtschaftlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart stehen und damit durch sie veranlasst sind.
Umlagen und Nebenentgelte, die der Vermieter für die Nebenkosten oder Betriebskosten (vgl. Anlage 3 zu § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung) erhebt, sind durch das jeweilige Mietverhältnis veranlasst und gehören zu den Einnahmen bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung.
Für die steuerrechtliche Beurteilung dieser Zahlungen als Einnahmen ist unbeachtlich, dass damit ein entsprechender Aufwand des Vermieters abgegolten wird und Überzahlungen ggf. an die Mieter zurückzuzahlen sind. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zählen auch diejenigen Beträge, die Werbungskosten ersetzen, in den Jahren des Zuflusses zu den steuerpflichtigen Einnahmen (vgl. z.B. Senatsurteile vom 28. März 1995 IX R 41/93, BFHE 177, 414, BStBl II 1995, 704; vom 22. September 1994 IX R 13/93, BFHE 175, 546, BStBl II 1995, 118; vom 23. März 1993 IX R 67/88, BFHE 171, 183, BStBl II 1993, 748; vgl. auch Birk in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 8 EStG Anm. 33; von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 59 ff.; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 8 Rz. 35).
Dass der Steuerpflichtige die Umlagen oder Nebenentgelte zweckgebunden zur Zahlung der Werbungskosten verwendet, führt zu keinem anderen Ergebnis; denn der Zufluss einer Einnahme i.S. des § 8 Abs. 1 EStG i.V.m. § 11 Abs. 1 EStG setzt nicht voraus, dass dem Steuerpflichtigen der zugeflossene Vermögensvorteil auf Dauer (endgültig) verbleibt (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 22. Juli 1997 VIII R 13/96, BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767; vom 13. Oktober 1989 III R 30-31/85, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, m.w.N.).
b) Bei den von den Mietern erhobenen Umlagen oder Nebenkosten handelt es sich nicht um nicht steuerbaren Aufwendungs- oder Auslagenersatz. Die für Arbeitnehmereinkünfte geltende Sonderregelung des § 3 Nr. 50 EStG, die Beiträge, durch die Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber ersetzt werden, steuerfrei stellt, gilt nicht für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Darüber hinaus kann jedenfalls bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ein nicht steuerbarer Aufwendungsersatz nicht anerkannt werden. Selbst wenn es sich bei den Umlagen oder Nebenentgelten um eine Ersatzleistung handeln würde, wären diese als Einnahmen zu erfassen und die entsprechenden Aufwendungen als Werbungskosten abziehbar.
c) Umlagen und Nebenentgelte gehören auch nicht zu den durchlaufenden Posten, denn sie werden vom Vermieter nicht im Namen und für Rechnung des Mieters vereinnahmt und verausgabt (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG; Blümich/Glenk, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 8 EStG Rz. 24).
d) Soweit die Kläger sich darauf berufen, dass die Mietumlagen keine Einnahmen darstellten, da es sich um sog. negative Werbungskosten handele, kann ihnen nicht gefolgt werden. Tatbestand und Rechtsfolgen der sog. "negativen Werbungskosten" sind weder gesetzlich geregelt noch in der Rechtsprechung des BFH anerkannt. Auch im vorliegenden Verfahren kann offen bleiben, ob negative Werbungskosten überhaupt anzuerkennen sind (vgl. bejahend Crezelius, in: Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 8 Rdnr. B 48; ablehnend Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 9 EStG Anm. 85; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 11 Rdnr. B 33; von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 9 Rdnr. B 64; vgl. auch Blümich/Glenk, a.a.O., § 8 EStG Rz. 54; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Rz. 65).
Negative Werbungskosten setzen als actus contrarius der Aufwendungen voraus, dass eine Identität der an den Aufwendungen und am Rückfluss beteiligten Personen besteht (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juni 1982 VIII R 6/79, BFHE 136, 238, BStBl II 1982, 755, unter 1. h; Wüllenkemper, Rückfluss von Aufwendungen im Einkommensteuerrecht, 1987, S. 2). Nur wenn die Werbungskosten von dem vormaligen Leistungsempfänger an denjenigen zurückgezahlt werden, der die Werbungskosten zuvor abgezogen hat, kann von einem Rückfluss der Werbungskosten und einer Wiederherstellung der früheren Vermögenslage gesprochen werden.
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Der Mieter zahlt keine Werbungskosten zurück, sondern entrichtet Nebenentgelte an den Vermieter aufgrund eines Mietvertrages, die als Einnahmen gemäß § 8 EStG steuerbar sind.
e) Die Umlagen können auch nicht mit der Begründung von der Besteuerung ausgenommen werden, die Kläger hätten insoweit keine Einkünfteerzielungsabsicht.
Hiergegen spricht bereits, dass die Kläger die Umlage als Einnahme benötigen, um die ihnen in Rechnung gestellten Nebenkosten zu begleichen. Der Einwand, einzelne Einnahmepositionen seien ohne Einkünfteerzielungsabsicht vereinnahmt worden, ist im Übrigen unbeachtlich, denn die der Umlage zugrunde liegende Tätigkeit oder Vermögensnutzung dient insgesamt der Erzielung positiver Einkünfte. Das Merkmal der Überschusserzielungsabsicht dient dazu, die einkommensteuerrelevante Tätigkeit oder Vermögensnutzung von Tätigkeiten abzugrenzen, die nicht unter die Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG fallen. Es ist nicht entscheidend, ob jede einzelne Vermögensposition auf Dauer gesehen zu einer Vermögensmehrung bei dem Steuerpflichtigen führt. Eine isolierte Betrachtung der Abrechnung von Nebenkosten scheidet aus, denn die Vereinnahmung der Mietumlagen oder von Nebenentgelten ist untrennbar mit der Vermietungstätigkeit verbunden.
2. Die Erfassung der vereinnahmten Nebenkosten als Einnahmen i.S. des § 8 EStG ist nicht verfassungswidrig. § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet auch keine Steuerfreistellung der vereinnahmten Umlagen. Auch die von den Klägern geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §§ 8 und 21 EStG greifen nicht durch.
a) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Kläger sich schon deshalb nicht auf die Verfassungswidrigkeit des § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG berufen können, weil im Fall der Nichtigkeit dieser Vorschrift nur schwer vorstellbar wäre, dass der Gesetzgeber rückwirkend eine Regelung erließe, die die vereinnahmten Nebenkosten generell von der Besteuerung ausnimmt. Der Werbungskostenpauschbetrag des § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG ist verfassungsgemäß.
Art. 3 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber eine willkürlich ungleiche Behandlung des in wesentlichen Punkten Gleichen. Für den Sachbereich des Steuerrechts fordert Art. 3 Abs. 1 GG eine gleiche Besteuerung des gesetzlich bestimmten Steuergegenstandes im Belastungserfolg (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 271; vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6). Der Gesetzgeber hat allerdings bei der Ordnung von Massenerscheinungen eine weitreichende Gestaltungsfreiheit für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Der Gleichheitssatz fordert nicht eine immer mehr individualisierende und spezialisierende Steuergesetzgebung, sondern die Regelung eines allgemein verständlichen und möglichst unausweichlichen Belastungsgrundes. In diesem Rahmen ist auch eine pauschalierte Erfassung eines tatsächlichen Aufwandes grundsätzlich zulässig (BVerfG-Entscheidungen vom 5. November 1975 2 BvR 193/74, BVerfGE 40, 296; in BVerfGE 96, 1, 6; vom 11. November 1998 2 BvL 10/95, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1999, 292).
Nach diesen Maßstäben ist § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der Werbungskostenpauschbetrag für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung setzt einen typisierenden Aufwand fest. Ob und inwieweit dem Vermieter ein Aufwand tatsächlich entsteht, wird nicht geprüft.
Zwar können sich bei vergleichbaren wirtschaftlichen Sachverhalten unterschiedliche steuerliche Ergebnisse ergeben. Es bleibt dem Steuerpflichtigen jedoch in der Regel überlassen, ob er mit den Mietern vertragliche Vereinbarungen trifft, dass diese ohne Einschaltung des Vermieters mit dem Versorgungsunternehmen unmittelbar abrechnen. Aber auch in den Fällen, in denen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen eine entsprechende Nebenkostenabrede mit dem Mieter ausscheidet, ist die damit verbundene unterschiedliche Belastung hinzunehmen. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass lediglich für einen Teil der Nebenkosten eine originäre Leistungspflicht des Mieters begründet werden kann. Außerdem sieht § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG nur die Typisierung eines Mindestaufwandes vor und lässt den Nachweis höherer Werbungskosten ausdrücklich zu, so dass sichergestellt ist, dass der Steuerpflichtige die ihm tatsächlich entstandenen Werbungskosten geltend machen kann.
b) Der Gleichheitssatz gebietet auch im Hinblick auf mögliche steuerliche Belastungsunterschiede keine generelle Steuerfreistellung der vom Vermieter vereinnahmten Nebenentgelte oder Umlagen. Dies würde zu einer steuerlichen Privilegierung der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung führen, die ihrerseits vom Grundsatz der synthetischen Einkommensteuer (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Februar 1999 X R 171/96, BFHE 188, 69, BStBl II 1999, 450) abweichen und gegen den Gleichheitssatz verstoßen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 424831 |
BFH/NV 2000, 649 |
BStBl II 2000, 197 |
BFHE 2000, 442 |
BB 2000, 597 |
DB 2000, 599 |
DStR 2000, 466 |
DStRE 2000, 342 |
DStZ 2000, 451 |
HFR 2000, 350 |
WPg 2000, 480 |
FR 2000, 459 |
LEXinform-Nr. 0553250 |
NJW 2000, 3303 |
Inf 2000, 282 |
SteuerBriefe 00, 13 |
SteuerBriefe 2000, 821 |
KFR 2000, 165 |
DWW 2000, 132 |
StWKHeft 2000, 10 |
StWK Gruppe 1, 4213 |
EStB 2000, 121 |
NZM 2000, 353 |
ZAP 2000, 464 |
ZfIR 2000, 310 |
RdW 2000, 577 |
NWB-DokSt 2000, 756 |
stak 2000 |