Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung von Leibrente und dauernder Last bei Vermögensübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge gegen Versorgungsleistungen
Leitsatz (NV)
Wird Vermögen (hier: Gewerbebetrieb) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge u. a. gegen eine lebenslängliche Geldrente übertragen, ist deren Höhe auch dann, wenn eine ausdrückliche Änderungsklausel fehlt, regelmäßig abänderbar (Anschluß an BFH-Beschluß vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78; BFH-Urteil vom 11. März 1992 X R 141/88, BStBl II 1992, 499).
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 22 Nr. 1, § 12 Nr. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute; sie wurden für die Streitjahre 1981 und 1982 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Durch ,,Geschäftsübergabevertrag" vom 31. Dezember 1972 hatte der Kläger den Anteil seines Vaters am gemeinsamen . . . geschäft übernommen; er wurde dadurch Alleininhaber des Gewerbebetriebes. Hierfür hatte er an seine Eltern eine wertgesicherte Rente zu zahlen. Diese Rente betrug zunächst 60 v. H. der Rente, die der Vater des Klägers aus der gesetzlichen Rentenvesicherung erhielt; nach dessen Tod sollte sie an die Mutter weitergezahlt werden und sich auf 60 v. H. der Witwenrente aus der gesetzlichen Sozialversicherung ermäßigen. Der Geschäftsübergabevertrag enthielt keine ausdrückliche Bezugnahme auf den Rechtsgedanken des § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Der Vater hatte im Jahre 1972 eine Sozialversicherungsrente in Höhe von 889 DM bezogen; seine Versorgungsrente betrug 533,40 DM (jeweils monatlich).
Nach dem Tod des Vaters vereinbarte der Kläger mit der Mutter am 2. Januar 1980 eine Änderung der wiederkehrenden Bezüge: Der Kläger verpflichtete sich, an seine Mutter monatlich 584,20 DM auf Lebenszeit zu zahlen. Ferner übernahm der Kläger alle von der Krankenversicherung nicht gedeckten Krankheitskosten seiner Mutter sowie alle ,,nichtversicherungsfähigen Kosten wie z. B. Pflegekosten", soweit seine Mutter zu deren Übernahme finanziell nicht in der Lage wäre. Der monatliche Unterhaltsbetrag sollte ,,gemäß § 323 ZPO" an veränderte Verhältnisse angepaßt werden können.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre beantragten die Kläger, die geleisteten Zahlungen in Höhe von jeweils 7010 DM zum Abzug als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zuzulassen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Rente nur mit einem Ertragsanteil von 13 v. H.
Das Finanzgericht (FG) hat den nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klagen stattgegeben. Sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 503.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. September 1980 VI R 161/77 (BFHE 131, 384, BStBl II 1981, 26) und vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84 (BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610) sei eine Beurteilung der in einem Übergabevertrag vereinbarten laufenden Zahlungen als dauernde Last nur möglich, wenn sich aus dem Vertrag selbst ergebe, daß die Zahlungen entsprechend den wirtschaftlichen Verhältnissen der Vertragsparteien abänderbar sein sollen. Hiernach sei eine nachträgliche Veränderung des Übergabevertrages nicht mehr möglich; bei einer entsprechenden nachträglichen Vereinbarung trete der Unterhaltscharakter in den Vordergrund, da die neue Vereinbarung ohne entsprechende Gegenleistung getroffen werde. Zu Unrecht nehme das FG an, daß die Berechtigung der Mutter auf dem ursprünglichen Vertrag vom 31. Dezember 1972 beruhe; trotz der Bezugnahme auf den Übergabevertrag sei am 2. Januar 1980 eine ,,völlig eigenständige Vereinbarung" getroffen worden, aufgrund derer die Mutter Unterhaltsleistungen beziehe: Diese Vereinbarung habe mangels einer Gegenleistung keinen Versorgungs-, sondern Unterhaltscharakter.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat die Revisionen X R 201/87 und X R 202/87 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Revisionen sind im Ergebnis unbegründet.
1. Schon die auf der Grundlage des Vertrages vom 31. Dezember 1972 gezahlten Leistungen sind, weil abänderbar, als dauernde Last abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Die Abänderbarkeit folgt hier zwar nicht aus einem ausdrücklichen Änderungsvorbehalt, aber aus der Rechtsnatur des Übergabevertrages als Versorgungsvertrag. Es kommt nicht darauf an, ob sich die Rechtsnatur der Zahlungen infolge des Nachtragsvertrages vom 2. Januar 1980 geändert hat.
2. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang sehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Leibrenten können - nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG - nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG aufgeführten Ertragswerttabelle ergibt.
3. Im Anschluß an die Beschlüsse des Großen Senats vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) und vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78) hat der erkennende Senat mit Urteil vom 11. März 1992 X R 141/88 (BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499) entschieden: Inhalt bzw. Rechtsnatur des anläßlich einer Vermögensübergabe vereinbarten Versorgungsvertrages führen dazu, daß Versorgungsleistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit der Übergabe von existenzsicherndem Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vereinbart werden, im Regelfall abänderbar sind. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.
4. Der Kläger und seine Eltern haben in dem vom FG festgestellten Vertrag vom 31. Dezember 1972, welchen der Senat selbst auslegen darf, eine Vermögensübergabe gegen der Höhe nach abänderbare Versorgungsleistungen vereinbart.
Eine Abänderbarkeit ergibt sich zwar nicht aus einer Bezugnahme auf § 323 ZPO, wohl aber aus der Rechtsnatur des Übergabevertrages als Versorgungsvertrag. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich hier um einen Altenteilsvertrag i. S. des Art. 15 des Preußischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 20. September 1899 (Sammlung des in Nordrhein-Westfalen geltenden Rechts - PrGs.NW - S. 105) handelt. Auf die Zuordnung zum Altenteilsvertrag im Sinne des Landesrechts kommt es letztlich nicht an. Da existenzsicherndes Vermögen gegen Versorgungsleistungen übertragen worden ist, handelt es sich um einen Versorgungsvertrag, der dem landesrechtlich geregelten Altenteilsvertrag zumindest vergleichbar ist. Aus der zivil- und steuerrechtlichen Rechtsnatur der Versorgungsleistungen als vorbehaltene Vermögenserträge folgt hinsichtlich deren Abänderbarkeit, daß die wirtschaftlichen Risiken des Vertrages nicht ein für allemal unabänderlich nach den im ursprünglichen Vertrag festgelegten Bedingungen verteilt sind. Damit entspricht der Vertrag dem Typus des Versorgungsvertrages, den der Gesetzgeber dem Rechtsinstitut der dauernden Last zugeordnet hat.
War der Übergabevertrag vom 31. Dezember 1972 seiner Rechtsnatur nach ein Versorgungsvertrag, konnten der Kläger und seine Mutter die auf dieser Rechtsgrundlage zu erbringende Leistungen der Entwicklung der Verhältnisse anpassen. Die Erhöhung der Monatsbezüge auf 584,20 DM hielt sich im Rahmen der im Vertrag vorgesehenen Anpassung an die Renten der Sozialversicherung. Die Abziehbarkeit von Krankheitskosten haben die Kläger nicht beantragt; es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Übernahme von Krankheits- und Pflegekosten mit Vertrag vom 2. Januar 1980 mit der Vermögensübergabe sachlich zusammenhing.
Fundstellen
Haufe-Index 418603 |
BFH/NV 1992, 817 |