Entscheidungsstichwort (Thema)
Dauernde Last aufgrund eines Vermögensübergabevertrages
Leitsatz (NV)
Übertragen Eltern ihren Kindern existenzsicherndes Vermögen gegen Versorgungsleistungen, handelt es sich um einen Versorgungsvertrag, der dem Altenteilsvertrag zumindest vergleichbar ist. Im Hinblick auf die Rechtsnatur des Versorgungsvertrages sind die wiederkehrenden Leistungen im Regelfall als dauernde Last abziehbar (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499).
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a S. 1, § 12 Nr. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Sie wurden für die Streitjahre 1980 bis 1982 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.
Durch Geschäftsübergabevertrag vom 24. Dezember 1976 hatte der Kläger von seinem Vater den Betrieb eines . . .-handels mit . . . übernommen. Hierfür hatte er an seine Eltern eine monatliche Rente in Höhe von 2500 DM zu zahlen, die durch Anknüpfung an den Lebenshaltungskostenindex wertgesichert war. In § 2 des Vertrages war die Übergabe des ,,Geschäftsbetriebes mit allen Aktiven und Passiven zum 31. 12. 1976 auf der Grundlage einer noch zu erstellenden Übergabebilanz" geregelt. Weiterhin heißt es wörtlich:
,,Übernommen werden ebenso die Teilfertigarbeiten aus der . . . mit allen Rechten und Pflichten, sämtliche Geschäftsforderungen gegen Dritte, ebenso alle zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Geschäftsverbindlichkeiten, insbesondere auch etwaige rückständige Steuern, aber auch etwaige Ansprüche auf Steuerrückerstattungen. Dazu wird bemerkt, daß die Veranlagungen für 1973, 1974 und 1975 noch nicht erfolgt sind.
Am 16. Januar 1981 schlossen der Kläger und seine Eltern eine notarielle ,,Ergänzungsvereinbarung zum Geschäftsübergabevertrag. Dort heißt es u. a.:
,,Wir sind uns darüber einig, daß mit Rücksicht auf den Unterhaltscharakter der darin vereinbarten Rente . . . die Anwendbarkeit des § 323 ZPO auf die vereinbarte monatlich zu zahlende Rente nicht ausgeschlossen sein soll.
Zusätzlich verpflichtet sich der Erschienene zu 3) (d. h. der Kläger), mit Wirkung ab Januar 1981 die von seinen Eltern zu zahlenden Personensteuern (Einkommensteuer und Kirchensteuer) zu übernehmen und die Berechtigten insoweit von Forderungen des Finanzamts freizuhalten . . .
Bei der Veranlagung für das Jahr 1980 hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) antragsgemäß lediglich den Ertragsanteil (6000 DM) der als Leibrente behandelten wiederkehrenden Leistungen als abziehbar berücksichtigt. Für die Streitjahre 1981 und 1982 beantragten die Kläger, die monatlichen Zahlungen an die Eltern in voller Höhe zum Abzug als Sonderausgaben (dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes - EStG -) zuzulassen. In ihrer Einkommensteuererklärung für 1980 machten sie Zahlungen auf die von den Eltern für das Jahr 1976 nachzuzahlende Einkommensteuer und Kirchensteuer als dauernde Last geltend. Das FA berücksichtigte die laufenden Zahlungen nur mit einem Ertragsanteil von 20 v.H. (6000 DM); die Steuernachzahlung ließ es nicht zum Abzug zu.
Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage abgewiesen. Die nachträgliche Bezugnahme auf § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) habe keine steuerrechtliche Wirkung. Ein Abzug in voller Höhe als dauernde Last könne auch deswegen nicht in Betracht kommen, weil der Übergabevertrag nicht wie vereinbart durchgeführt worden sei: Die Umsätze des übergebenen Betriebes hätten sich in den Jahren 1979/1980 von . . . DM auf . . . DM erhöht; dies hätte bei Anwendung des Rechtsgedankens des § 323 ZPO zu einer Anpassung der monatlichen Zahlungen an die veränderten Verhältnisse führen müssen, zumal nach dem eigenen Vortrag des Klägers der Lebensbedarf seines Vaters gestiegen sei. Zwar könne die Übernahme von Steuerschulden zu einer dauernden Last führen. Hierfür bedürfe es aber einer Rechtsgrundlage; daran fehle es im Streitfall.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG und von Verfahrensrecht.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. Schon die auf der Grundlage des Vertrages vom 24. Dezember 1976 gezahlten Leistungen sind, weil abänderbar, als dauernde Last abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG). Die Abänderbarkeit folgt hier zwar nicht aus einem ausdrücklichen Änderungsvorbehalt, aber aus der Rechtsnatur des Übergabevertrages als Versorgungsvertrag. Es kommt nicht darauf an, ob sich die Rechtsnatur der Zahlungen infolge der Ergänzungsvereinbarung vom 16. Januar 1981 geändert hat.
2. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG). Leibrenten können - nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG - nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG aufgeführten Ertragswerttabelle ergibt.
3. Im Anschluß an die Beschlüsse des Großen Senats vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) und vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 161, 225, BStBl II 1992, 78) hat der erkennende Senat mit Urteil vom 11. März 1992 X R 141/88 (BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499) entschieden: Inhalt bzw. Rechtsnatur des anläßlich einer Vermögensübergabe vereinbarten Versorgungsvertrages führen dazu, daß Versorgungsleistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit Übergabe von existenzsicherndem Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vereinbart werden, im Regelfall abänderbar sind. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.
4. Der Übergabevertrag muß steuerrechtlich anzuerkennen sein. Dies setzt unter nahen Angehörigen jedenfalls voraus, daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig vereinbart sind (vgl. zu dieser Voraussetzung allgemein Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, 452, BStBl II 1991, 607, mit Nachweisen der Rechtsprechung; zur Abgrenzung der Betriebsausgaben von außerbetrieblichen Zuwendungen BFH-Urteile vom 21. August 1985 I R 73/82, BFHE 145, 316, BStBl II 1986, 250, und vom 13. November 1986 IV R 322/84, BFHE 148, 168, BStBl II 1987, 121; zur Verpflichtung von Versorgungsleistungen in einem Vermögensübergabevertrag BFH-Urteil vom 28. April 1987 IX R 40/81, BFH/NV 1987, 712, unter 3.). Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses oder bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden; rückwirkende Vereinbarungen sind steuerrechtlich nicht anzuerkennen (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1988 VIII R 83/82, BFHE 155, 114, 116, BStBl II 1989, 281).
5. Der Kläger und seine Eltern haben bereits in dem Geschäftsübergabevertrag eine Vermögensübergabe gegen der Höhe nach abänderbare Versorgungsleistungen vereinbart.
Eine Abänderbarkeit ergibt sich zwar nicht aus einer Bezugnahme auf § 323 ZPO, wohl aber aus der Rechtsnatur des Übergabevertrages als Versorgungsvertrag. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich hier um einen Altenteilsvertrag i.S. der §§ 5 ff. des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 4. März 1971 (GVBl 1971, 73) handelt. Auf die Zuordnung zum Altenteilsvertrag im Sinne des niedersächsischen Landesrechts kommt es letztlich nicht an. Da existenzsicherndes Vermögen gegen Versorgungsleistungen übertragen worden ist, handelt es sich um einen Versorgungsvertrag, der dem landesrechtlich geregelten Altenteilsvertrag zumindest vergleichbar ist. Aus der zivil- und steuerrechtlichen Rechtsnatur der Versorgungsleistungen als vorbehaltene Vermögenserträge folgt hinsichtlich deren Abänderbarkeit, daß die wirtschaftlichen Risiken des Vertrages nicht - vorbehaltlich eines nur unter besonderen Voraussetzungen anzunehmenden Wegfalls der Geschäftsgrundlage - ein für allemal unabänderlich nach den im ursprünglichen Vertrag festgelegten Bedingungen verteilt sind. Damit entspricht der Vertrag dem Typus des Versorgungsvertrages, den der Gesetzgeber dem Rechtsinstitut der dauernden Last zugeordnet hat.
Aus dem Umstand, daß die Eltern des Klägers über einen längeren Zeitraum hinweg von ihrem Recht, eine Anpassung der Rente zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht haben, läßt sich grundsätzlich nicht folgern, der Übergabevertrag sei nicht wie vereinbart durchgeführt worden.
6. Soweit die Beteiligten über die Abziehbarkeit der im Jahre 1980 gezahlten Einkommensteuer streiten, ist fraglich, ob der Übergabevertrag insoweit eine klare und eindeutige Vereinbarung enthält. § 2 dieses Vertrages läßt zumindest im Unklaren, ob auch die Übernahme der Einkommensteuer, die keine betriebliche Steuer ist, beabsichtigt war. Es kann indes dahingestellt bleiben, ob die Übernahme der Einkommensteuerschuld 1976 eine freiwillige Leistung des Klägers an seine Eltern ist, die dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG unterliegt. Zugunsten der Kläger ist zu berücksichtigen, daß das FA bislang nur den Ertragsanteil der dauernden Last in Höhe von 6000 DM zum Abzug als Sonderausgaben zugelassen hat. Im Umfang des Klageantrags ist daher eine Saldierung möglich.
7. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und sich seine Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend darstellt, war das Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.
Fundstellen
Haufe-Index 418604 |
BFH/NV 1993, 18 |