Leitsatz (amtlich)
Der Kauf eines bebauten Grundstücks von einem Gesellschafter, auf den zuvor das Grundstück nach seiner Bebauung durch eine GdbR übertragen wurde, ist kein steuerfreier Ersterwerb nach § 1 Nr. 10 GrESWG Berlin 1958; steuerfreier Ersterwerb war bereits der Erwerb des bebauten Grundstücks durch den Gesellschafter. Hieran ändert sich dadurch nichts, daß der Erwerb des Grundstücks durch den Gesellschafter auch ohne den § 1 Nr. 10 GrESWG bereits nach § 6 Abs. 2 oder § 7 Abs. 2 GrEStG 1940 ganz oder teilweise von der Steuer freizustellen gewesen wäre.
Normenkette
GrESWG Berlin 1958 § 1 Nr. 10; GrEStG 1940 § 6 Abs. 2, § 7 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb am 3. Juli 1964 ein mit einem Wohngebäude bebautes, in Berlin belegenes Grundstück. Der Veräußerer war mit zwei weiteren Personen Gesellschafter einer 1957 gegründeten Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) gewesen, die das Grundstück und zwei weitere ihr gehörende Grundstücke bebaut hatte. Die Gebrauchsabnahme hatte am 4. August 1960 stattgefunden. Im November 1961 hatte sich die GdbR aufgelöst; jeder der drei Gesellschafter hatte eines der drei bebauten Grundstücke übertragen erhalten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte den Antrag des Klägers auf Freistellung seines Erwerbes von der Grunderwerbsteuer nach § 1 Nr. 10 des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau und den Wiederaufbau von Trümmergrundstücken vom 30. Mai 1956 (GVBl Berlin, 541) i. d. F. der Novelle vom 26. Juni 1958 (GVBl Berlin, 567) - GrESWG - ab, weil es den Erwerb als zweiten Erwerb nach der bezugsfertigen Errichtung des Gebäudes ansah. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Klage hatte teilweise Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist im wesentlichen unbegründet.
Nach § 1 Nr. 10 GrESWG ist der erste Erwerb eines auf einem unbebauten Grundstück oder auf einem Trümmergrundstück errichteten Wohngebäudes innerhalb von vier Jahren nach dessen bezugsfertiger Errichtung von der Grunderwerbsteuer freigestellt. Der Erwerb des Klägers ist jedoch bereits der zweite Erwerb nach der Errichtung des Gebäudes und deshalb steuerpflichtig. Erster Erwerb nach der Errichtung des Wohngebäudes durch die GdbR war der Erwerb dieses Grundstücks durch den Gesellschafter, von dem der Kläger das Grundstück anschließend erworben hat. Dies folgt aus den Vorgegebenheiten des bürgerlichen Rechts, die für das GrEStG maßgebend sind, da dieses im § 1 Abs. 1 bei der Formulierung der Steuertatbestände an bürgerlichrechtliche Rechtsvorgänge anknüpft.
Bürgerlich-rechtlich sind die für die GdbR erworbenen Gegenstände gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter (§ 718 BGB). Die Gesellschafter sind in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit berechtigt. Die Berechtigung der Gesellschafter ist eine ungeteilte Gesamtberechtigung. Kein Gesellschafter hat ein selbständiges, vom Recht der anderen Gesellschafter unabhängiges Recht an dem Gesellschaftsvermögen; es besteht kein Teilrecht eines Gesellschafters an den einzelnen Gegenständen des Gesellschaftsvermögens (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 33. Aufl., § 719 Anm. 1). Hieraus folgt, daß die Übertragung eines Grundstücks von der GdbR auf einen Gesellschafter nach § 313 BGB eines notariellen Vertrages und der Eigentumsübertragung nach den §§ 873, 925 BGB bedarf (vgl. Palandt, a. a. O., § 313 Anm. 4 a, § 718 Anm. 1, § 734 Anm. 2). Die GdbR ist danach bürgerlich-rechtlich, ohne daß sie eigene Rechtspersönlichkeit erlangt, soweit verselbständigt, daß zur Eigentumsübertragung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern schuldrechtliche und dingliche Verträge wie zwischen fremden Personen erforderlich sind. Ein Vertrag zwischen der GdbR und einem Gesellschafter, der auf die Übertragung eines Grundstücks gerichtet ist, begründet einen Anspruch gegen die GdbR auf Übereignung und ist demnach ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 (vgl. die Urteile des Senats vom 20. Februar 1968 II 146/64, BFHE 491, BStBl II 1968, 386, und vom 8. Dezember 1970 II 43/65, BFHE 102, 120, BStBl II 1971, 530). Es ist folgerichtig, diesen Erwerb ggf. als ersten Erwerb im Sinne des § 1 Nr. 10 GrESWG anzusehen. Aus den §§ 6, 7 GrEStG 1940 folgt nicht, daß der Erwerb eines Grundstücks durch einen Gesamthänder von der Gesamthand abweichend von den bürgerlich-rechtlichen Vorgegebenheiten ganz oder teilweise nicht als Erwerb im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts angesehen wird. Diese Vorschriften setzen vielmehr voraus, daß in diesen Fällen ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Vorgang gegeben ist, für den zur Vermeidung von Härten die Nichterhebung der Steuer in bestimmtem Umfang vorgesehen ist. Es ist deshalb nicht zulässig, den Erwerb eines Grundstücks durch einen Gesamthänder von einer Gesamthand bei Anwendung des § 1 Nr. 10 GrESWG ganz oder teilweise unberücksichtigt zu lassen und erst einen späteren Erwerb als ersten Erwerb zu zählen. Nich eingewandt werden kann, daß auf diese Weise eine Steuervergünstigung verloren gehe, da derselbe Vorgang sowohl unter § 1 Nr. 10 GrESWG als auch unter § 6 Abs. 2 oder § 7 Abs. 2 GrEStG 1940 falle. Es gibt keinen Rechtssatz, der besagt, daß ein weiterer Erwerb steuerfrei sei, wenn der vorhergehende Erwerb nach einer Vorschrift oder nach mehreren Vorschriften steuerfrei bzw. durch Nichterhebung der Steuer begünstigt ist. Entsprechendes hat der Senat bereits zu der Frage einer etwaigen Vorverlagerung einer Steuerbefreiung auf einen früheren Erwerbsvorgang ausgesprochen (vgl. die Urteile vom 8. Dezember 1970 II R 28/67, BFHE 101, 312, BStBl II 1971, 255, und vom 13. September 1972 II R 49/72, BFHE 107, 313, BStBl II 1973, 86). Die §§ 6, 7 GrEStG 1940, die zur Vermeidung von Härten eine Steuererleichterung gewähren, kommen nur dann zum Zuge, wenn der jeweilige Erwerbsvorgang nicht nach anderen Vorschriften bereits steuerfrei ist (Boruttau-Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 5 Anm. 35).
Auch der Zweck des § 1 Nr. 10 GrESWG erfordert es nicht, daß der Erwerb des Grundstücks durch den Gesellschafter einer GdbR, von der GdbR nach der Errichtung eines Wohngebäudes durch diese nicht als Ersterwerb gezählt werde und daß deshalb der Kläger noch Ersterwerber sein könne. Der erkennbare Zweck dieser Vorschrift geht vielmehr dahin, die erste Veräußerung eines neu erstellten Wohngebäudes zu fördern. Die gesetzlich festgelegte relativ kurze Erwerbsfrist (ursprünglich zwei Jahre, im Streitfalle infolge Gesetzesänderung ab 1. Januar 1958 vier Jahre) zeigt, daß die Vorschrift auf die Veräußerung durch den Bauträger abzielt, der die Bebauung mit dem Ziele der Veräußerung des Objektes durchführt. Die Zwischenschaltung eines Bauträgers soll nicht zu einer sonst nicht entstehenden Steuerpflicht führen. Dieser Gesetzeszweck kommt zwar im Gesetzeswortlaut nicht mit dieser Eindeutigkeit zum Ausdruck. Er läßt sich aber daraus erschließen, daß eine Erwerbsfrist für die Steuerbefreiung des ersten Erwerbs festgelegt ist. Infolge des insoweit nicht eindeutig gefaßten Wortlauts sind die Ersterwerbe allerdings auch dann steuerfrei, wenn die Veräußerungsabsicht erst nach der Bebauung innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Erwerbsfrist gefaßt worden ist. Der Gesetzeswortlaut geht im Interesse der leichteren Handhabung des § 1 Nr. 10 GrESWG über den Bereich der Fälle hinaus, für die die Vorschrift in erster Linie geschaffen worden ist. Bei dieser Sachlage ist es nicht vertretbar, die weit gefaßte Vorschrift erweiternd dahin auszulegen, daß der der Grunderwerbsteuer unterliegende Erwerb durch einen Gesellschafter von einer GdbR nicht gezählt und dadurch ein weiterer Erwerb als Ersterwerb steuerfrei wird. Mag die GdbR mit Veräußerungsabsicht gebaut haben oder nicht, jedenfalls ist mit dem Gesetzeszweck eine Auslegung des § 1 Nr. 10 GrESWG nicht vereinbar, die es einem Gesellschafter ermöglicht, das ihm im bebauten Zustand übertragene Grundstück steuerfrei weiterzuveräußern.
Daß der Kläger steuerfrei hätte erwerben können, wenn er von der GdbR erworben hätte, ist eine andere Frage, die hier nicht zu entscheiden ist. Dieser Erwerb war dem Kläger deshalb verwehrt, weil die GdbR bereits Jahre früher das fragliche Grundstück auf einen ihrer Gesellschafter übertragen hatte. Befreit ist der Ersterwerb von dem Bauherrn. Der veräußernde Gesellschafter war zwar in gesamthänderischer Verbundenheit mit den anderen Gesellschaftern Bauherr. Als veräußernde Einzelperson ist er jedoch mit dieser Bauherrengemeinschaft nicht identisch.
Eine derartige Identität hat der Senat auch nicht in seinem vom Kläger zitierten Urteil vom 25. Februar 1969 II 142/63, BFHE 95, 292, BStBl II 1969, 400 anerkannt. Er hat dort lediglich in den Fällen, in denen bestimmte persönliche Eigenschaften einer natürlichen Person zur Steuervergünstigung führen, zugelassen, daß diese Eigenschaften einer Personengesellschaft zugerechnet werden, wenn ein Gesellschafter in seiner Person diese Voraussetzungen erfüllt. Keineswegs ist aber eine Identität zwischen Personengesellschaft und Gesellschaftern mit der Folge anerkannt worden, daß Erwerbsvorgänge zwischen ihnen grunderwerbsteuerrechtlich ganz oder teilweise außer Betracht gelassen werden. Um letzteres geht es im vorliegenden Fall. Der an den Kläger veräußernde Gesellschafter war der erste Erwerber des bebauten Grundstückes nach der Errichtung des Gebäudes. Die Tatsache, daß er in gesamthänderischer Verbundenheit mit den übrigen Gesellschaftern das Wohngebäude errichtet hat, ändert nichts daran, daß der Erwerb des Klägers bereits der zweite Erwerb des Grundstücks nach der Errichtung des Gebäudes ist.
Fundstellen
Haufe-Index 71688 |
BStBl II 1976, 71 |
BFHE 1976, 187 |