Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung eines Damnums von einem Tilgungsstreckungsdarlehen
Leitsatz (NV)
Hat sich ein Darlehensnehmer für ein vereinbartes Damnum ein zusätzliches Darlehen gewähren lassen, so sind, wenn die Vereinbarung eine rechtliche und wirtschaft liche Einheit bildet, nur die zur Tilgung des Zusatzdarlehens geleisteten Teilbeträge als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Normenkette
EStG §§ 11, 21 Abs. 2, §§ 21a, 52 Abs. 21 S. 1
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, erwarben im Jahre 1984 ein Grundstück in A, das sie mit einem Einfamilienhaus bebauen ließen. Hierzu nahmen sie 1984 ein Darlehen in Höhe von 120 000 DM bei der X- Bank auf. In den Vertragsbedingungen heißt es u. a.: "Auszahlung: 99 %, worin 6 % des Darlehens als zinslos gestundetes Disagio enthalten sind (sog. Tilgungsstreckung). Dieses gestundete Disagio ist anstelle der Tilgungsraten vorab zurückzuzahlen." Die Tilgung sollte in den ersten vier Jahren nach Auszahlung des Darlehens 1,5 v. H. der Darlehenssumme betragen, danach 1 v. H. Die Kläger bezogen Ende 1985 das Haus. Zuvor hatte die Darlehensgeberin ein Damnum in Höhe von 1 200 DM einbehalten. Die Kläger sind der Meinung, sie hätten im Streitjahr (1985) das Damnum in voller Höhe getilgt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) zog bei der Einkommen steuerveranlagung 1985 von dem insgesamt geltend gemachten Damnum von 8 400 DM lediglich einen Betrag von 1 200 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ab. Dagegen vertraten die Kläger die Auffassung, das Damnum sei in voller Höhe zu berücksichtigen. Im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) hat das FA am 14. März 1991 den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1985 hinsichtlich des Grund- und Kinderfreibetrages gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) für vorläufig erklärt. Die Kläger haben diesen Bescheid jeweils gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Das FG wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung der §§ 11 und 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 1985 auf ... DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG hat es zu Recht abgelehnt, für das aufgenommene Darlehen einen über 1 200 DM hinaus gehenden Betrag als Damnum bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zum Abzug zuzulassen. Die Einkommensteuer ist jedoch im Hinblick auf den gemäß § 54 EStG a. F. (Art. 1 Nr. 18 des Steueränderungsgesetzes -- StÄndG -- 1991 vom 24. Juni 1991, BGBl I 1991, 1322, BStBl I 1991, 665) zu berücksichtigenden erhöhten Kinderfreibetrag von 2 432 DM herabzusetzen.
1. Zu den Aufwendungen, die im Streitjahr gemäß § 21 Abs. 2, § 21 a und § 52 Abs. 21 Satz 1 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden konnten, gehört auch ein Damnum, das vor Beginn der Eigennutzung eines Einfamilienhauses einbehalten worden ist (z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. Dezember 1983 VIII R 173/83, BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428). Hierbei kommt es nach der im Streitjahr maßgebenden Rechtslage auf den Zeitpunkt an, zu dem das Damnum vereinbarungsgemäß entrichtet wird (vgl. BFH-Urteil vom 8. Juni 1994 X R 26/92, BFHE 174, 535; Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1994, 1413). Haben die Vertragsparteien vereinbart, daß bei Auszahlung der Darlehenssumme ein Teil als Damnum einbehalten wird, so ist dies in dem Zeitpunkt geleistet, in dem das gekürzte Darlehenskapital dem Darlehensnehmer zufließt. Hat sich der Darlehensnehmer dagegen, um die volle Auszahlung eines Baudarlehens zu erreichen, für das vereinbarte Damnum vom Gläubiger ein zusätzliches Darlehen gewähren lassen, so kann er, wenn die Vereinbarung eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit bildet, nur die zur Tilgung des Zusatzdarlehens geleisteten Teilbeträge gleich einem Damnum als Werbungskosten abziehen. Das Damnum ist in den Fällen der Tilgungsstreckung gestundet (Senatsurteile vom 8. November 1988 IX R 177/85, BFH/NV 1989, 298 und IX R 96/84, BFH/NV 1989, 496). Diese Rechtsprechung, die der Senat erneut durch Urteil vom 13. September 1994 IX R 20/90, BFH/NV 1995, 293 bestätigt hat, geht auf die Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S (BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144) zurück, in der dieser zwischen der Begleichung eines Damnums durch Verrechnung und der Stundung des Damnums durch Aufnahme eines Tilgungsstrekungsdarlehens unterscheidet (vgl. BFH- Urteil vom 26. November 1974 VIII R 105/70, BFHE 114, 412, BStBl II 1975, 330). Der Beschluß des Großen Senats ist für den erkennenden Senat bindend (Beschluß des Großen Senats vom 18. Januar 1971 GrS 4/70, BFHE 101, 13, BStBl II 1971, 207; vgl. auch Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 11 Anm. 16). Neue rechtliche Gesichtspunkte, die im Streitfall eine erneute Anrufung des Großen Senats rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben.
Das FG hat zu Recht angenommen, daß die im Vertrag vom 14. Dezember 1984 getroffenen Vereinbarungen eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit bilden und daß ein Damnum in Höhe von 6 v. H. der Darlehenssumme gestundet werden sollte. Nach den unangefochtenen und damit bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG haben die Kläger -- entgegen ihrem Revisionsvorbringen -- im Streitjahr keine Tilgungsleistungen auf den gestundeten Betrag erbracht. Ein Werbungskostenabzug scheidet demnach aus.
Der Einwand der Kläger, sie hätten bei einer anderen vertraglichen Gestaltung den Abzug eines Betrags in Höhe des umstrittenen Damnums erreichen können, ist unbegründet. Der Besteuerung kann nur der verwirklichte, nicht hingegen ein gedachter Sachverhalt zugrunde gelegt werden (BFH- Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2--3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 826).
2. Die Revision ist jedoch begründet, soweit wegen des gemäß § 54 EStG a. F. nachträglich auf 2 432 DM erhöhten Kinderfreibetrages die Einkommensteuer herabzusetzen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 65052 |
BFH/NV 1995, 669 |