Entscheidungsstichwort (Thema)
(Passivierung von hinterzogener Lohnsteuer, von nicht abgeführten Sozialabgaben und von Hinterziehungszinsen)
Leitsatz (amtlich)
1. Hinterzogene Lohnsteuer ist vom Arbeitgeber in dem Zeitpunkt zurückzustellen, in dem er mit seiner Haftungsinanspruchnahme ernsthaft rechnen muß.
2. Für nicht abgeführte Sozialabgaben hat der Arbeitgeber grundsätzlich zum jeweiligen Bilanzstichtag eine Verbindlichkeit zu passivieren.
3. Für Zinsen auf hinterzogene Lohnsteuern kann der Arbeitgeber grundsätzlich keine Rückstellung bilden.
Orientierungssatz
Der Arbeitgeber schuldet keine Hinterziehungszinsen für nicht einbehaltene Lohnsteuer (vgl. BFH-Urteil vom 5.11.1993 VI R 16/93). Wegen dennoch gegen ihn festgesetzter Hinterziehungszinsen könnte eine Rückstellung frühestens im Zeitpunkt der Zinsfestsetzung gebildet werden.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 5 Nr. 8a, § 5 Abs. 1; AO 1977 § 235 Abs. 1 S. 2, § 160; HGB §§ 247, 249, 266 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Betriebs-GmbH im Rahmen einer Betriebsaufspaltung. Sie ließ sich in den Streitjahren 1981 bis 1987 Scheinrechnungen ausstellen, die sie als Betriebsausgaben verbuchte. Die Rechnungsbeträge abzüglich der Vergütung für die Rechnungsaussteller verwandte der Geschäftsführer der Klägerin nach seinen Angaben zu ca. 70 % zur Zahlung von Schwarzlöhnen an eigene Arbeitnehmer und zu ca. 30 % zur Zahlung von Schmiergeldern an Arbeitnehmer von Auftraggebern. Im Streitjahr 1988 verbuchte die Klägerin zwar keine Scheinrechnungen mehr. Da jedoch der buchmäßige Kassenbestand zum 31. Dezember 1988 um 329 539 DM über dem tatsächlichen lag, gab die Klägerin an, den Differenzbetrag wiederum zu 70 % zur Zahlung von Schwarzlöhnen bzw. zu 30 % zur Zahlung von Schmiergeldern verwendet zu haben.
Im Jahr 1985 fand eine Betriebsprüfung für 1981 bis 1983 und im Jahr 1989 eine Steuerfahndungsprüfung für 1981 bis 1988 statt.
Dem Vorschlag des Fahndungsprüfers folgend erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) geänderte Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuer-Meßbescheide für 1981 bis 1988 und geänderte Feststellungsbescheide gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31. Dezember 1981 bis 31. Dezember 1988. Danach wurden die Schmiergelder und die an die Rechnungsaussteller bezahlten Beträge nicht zum Abzug zugelassen. Ein Teil der Beträge wurden als Lohnzahlungen anerkannt und die hierauf sowie auf Aushilfslöhne entfallenden Lohnsteuern und Sozialabgaben jeweils im Jahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit passiviert. Die Änderungsbescheide führten in Sachen Körperschaftsteuer 1981 und Gewerbesteuer-Meßbetrag 1981 bis 1984 zu einer Herabsetzung; im übrigen erhöhte sich insbesondere wegen früher beschlossener Gewinnausschüttungen die Körperschaftsteuer gemäß § 27 KStG.
Demgegenüber begehrte die Klägerin, die gesamten Lohnsteuer- und Sozialversicherungsnachzahlungen, die daraus folgenden Korrekturen bei der Gewerbesteuer und Hinterziehungszinsen im Streitjahr 1989 zu berücksichtigen. Dies lehnte das FA ab.
Streitgegenstand ist ferner der Gewerbesteuer-Meßbescheid für 1990, in dem das FA ebenfalls Schmiergeldzahlungen nicht zum Abzug zuließ.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es hielt die angefochtenen Bescheide insoweit für rechtswidrig, als das FA die nachzuzahlenden Lohnsteuern und Sozialversicherungsabgaben auf die Jahre 1981 bis 1988 verteilt hatte. Entsprechend den Grundsätzen zur Passivierung ungewisser Verbindlichkeiten habe die Klägerin mit der Inanspruchnahme für diese Beträge erst nach Beginn der Außenprüfung im Jahr 1985 für 1981 bis 1983 bzw. der Steuerfahndungsprüfung im Jahr 1989 für 1984 bis 1988 rechnen müssen. Da der Jahresabschluß für 1984 erst am 14. Oktober 1985 und damit nach Beginn der Außenprüfung und der Jahresabschluß für 1988 erst am 21. Dezember 1989 und damit nach Beginn der Steuerfahndungsprüfung erstellt worden seien, müßten die nachzuzahlenden Lohnsteuern und die Sozialversicherungsbeiträge für 1981 bis 1983 zum 31. Dezember 1984 bzw. für 1984 bis 1988 zum 31. Dezember 1988 passiviert werden. Das FG war ferner der Auffassung, daß die Schmiergeldzahlungen 1988 bis 1990 den Gewerbeertrag minderten. Außerdem seien 1989 Hinterziehungszinsen betreffend Lohn- und Umsatzsteuer sowie eine Gewerbesteuernachzahlung gewinnmindernd zu berücksichtigen (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1995, 962).
Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung von § 160 der Abgabenordnung (AO 1977), § 5 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Widerspruch zu Abschn.22 Abs.3 Nr.2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1981 bis 1987 und beantragt, das Urteil des FG aufzuheben, soweit es der Klage stattgibt, jedoch mit Ausnahme der Aufhebung der Einspruchsentscheidung zur Feststellung gemäß § 47 KStG zum 31. Dezember 1981 und hilfsweise, den Ansatz der Gewerbesteuernachzahlung 1981 bis 1988 in Höhe von 112 311 DM als abzugsfähige Betriebsausgabe bei der Körperschaftsteuer 1989 aufzuheben.
Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist --soweit beantragt-- aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
A. Passivierung von Sozialabgaben und Lohnsteuer
Bei der Passivierung von Verbindlichkeiten ist zu unterscheiden, ob es sich um dem Grunde und der Höhe nach gewisse oder ungewisse Verbindlichkeiten handelt. Gewisse Verbindlichkeiten sind grundsätzlich immer als "Verbindlichkeit" zu passivieren (§§ 247, 266 des Handelsgesetzbuchs --HGB--, § 5 Abs.1 EStG). Eine Ausnahme besteht nur für Verbindlichkeiten, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden müssen (so grundlegend Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. November 1988 VIII R 62/85, BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359; ebenso BFH-Urteile vom 12. Dezember 1990 I R 153/86, BFHE 163, 146, BStBl II 1991, 479; vom 12. Dezember 1990 I R 27/88, BFH/NV 1992, 8; vom 3. Juni 1992 X R 50/91, BFH/NV 1992, 741; vom 9. Februar 1993 VIII R 21/93, BFHE 170, 540, BStBl II 1993, 543; vom 24. Februar 1994 IV R 103/92, BFH/NV 1994, 779; vom 30. März 1993 IV R 57/91, BFHE 170, 449, BStBl II 1993, 502; vom 20. September 1995 X R 225/93, BFHE 178, 434; zustimmend z.B. Bordewin, Rechts- und Wirtschaftspraxis 1989/1181, SG 1.3, 2938; Mathiak, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1989, 661; Kempermann in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 5 B 95). Ungewisse Verbindlichkeiten sind in Gestalt einer Rückstellung zu passivieren. Dies setzt im allgemeinen voraus das Bestehen oder die Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit, die wirtschaftliche Verursachung dieser Verbindlichkeit in der Zeit vor dem Bilanzstichtag und daß der Schuldner mit seiner Inanspruchnahme ernsthaft rechnen muß, d.h. mehr Gründe für als gegen die Inanspruchnahme sprechen (so ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 VIII R 14/92, BFHE 172, 456, BStBl II 1993, 891, m.w.N.). Der Grad der wahrscheinlichen Inanspruchnahme ist damit bei der Passivierung der Verbindlichkeit bzw. der Bildung einer Rückstellung ein anderer (vgl. auch BFH in BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359; in BFH/NV 1992, 741; Mathiak, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1987, 253, 255, 256).
1. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen ist eine dem Grunde und der Höhe nach gewisse Verbindlichkeit (ebenso Sarrazin/Bordewin in Deutscher Steuerberatertag 1992, 269, 271). Sie entsteht mit der Lohnzahlung und richtet sich nach der Höhe des gezahlten Lohns. Der Arbeitgeber ist Schuldner des Gesamtbeitrages, d.h. sowohl Schuldner des Arbeitgeber- als auch des Arbeitnehmeranteils (vgl. hierzu § 393 Abs.1, § 1396 Abs.1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung --RVO--; § 118 Abs.1 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes --AVG--; § 176 Abs.1 Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes --AFG-- bzw. für die Zeit ab 1. Januar 1989 § 28e des Sozialgesetzbuchs --SGB-- IV; Urteile des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 10. Februar 1960 1 RA 23/59, BSGE 11, 278, 279; vom 28. April 1964 3 RK 68/60, BSGE 21, 57, 63; Brackmann, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd.II S.369 b, Bd.III S.644 n; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil I Bd.I, § 28e SGB IV; Grüner, Sozialgesetzbuch IV/3, § 28e Abschn.II Nr.1). Dem entspricht, daß § 266 Abs.3 C Nr.8 HGB hierfür ausdrücklich einen Ausweis als (sonstige) Verbindlichkeit vorsieht (s. auch Wirtschaftsprüfer-Handbuch 1992 F 237; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 266 HGB Rdnr.221; Clemm/Nonnenmacher, Beck'scher Bilanzkommentar, § 266 HGB Rdnr.251; Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 4.Aufl., § 266 HGB Rdnr.160).
Die Sozialversicherungsverbindlichkeiten der Klägerin sind daher vom FA zutreffend jeweils in dem Wirtschaftsjahr berücksichtigt worden, in dem sie entstanden sind, da --wie auch der tatsächliche Geschehensablauf im Streitfall zeigt-- nicht davon auszugehen ist, daß diese Verbindlichkeiten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden müssen.
2. Bei der einzubehaltenden und abzuführenden Lohnsteuer ist die Rechtslage zwar bezüglich des Entstehens und der Höhe vergleichbar (§ 38 Abs.2 Satz 2 EStG; s. Lohnsteuer-Tabellen; § 51a Abs.1 EStG). Sie ist aber insoweit eine andere, als der Arbeitgeber nicht Schuldner der genannten Steuern ist, sondern nur als Haftungsschuldner herangezogen werden kann (§ 42d Abs.1 EStG) und das Betriebstätten-FA die Steuer- oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber dem Arbeitnehmer bzw. dem Arbeitgeber geltend machen kann (§ 42d Abs.3 Satz 2 EStG; vgl. z.B. auch BFH-Urteil vom 9. Oktober 1992 VI R 47/91, BFHE 169, 208, BStBl II 1993, 169). Als Haftender kommt ggf. auch der Geschäftsführer des Arbeitgeberunternehmens in Betracht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. November 1992 VII R 13/92, BFHE 170, 295, BStBl II 1993, 471). Die Frage, an welche der genannten Personen sich das FA bei einvernehmlich nicht einbehaltener und nicht abgeführter Lohnsteuer hält, ist damit zum jeweiligen Bilanzstichtag ungewiß. Dementsprechend wird in der handelsrechtlichen Literatur als "Verbindlichkeit, davon aus Steuern" i.S. des § 266 Abs.3 C Nr.8 HGB nur die Pflicht zur Zahlung einbehaltener und noch abzuführender Steuer verstanden (WP-Handbuch F 235; Clemm/ Nonnenmacher, a.a.O., § 266 HGB Rdnr.246, 251; Küting/Weber, a.a.O., § 266 HGB Rdnr.61).
3. Ist für die nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer eine Rückstellung wegen Ungewißheit zu bilden, ist entscheidungserheblich, ob und zu welchem Zeitpunkt die Klägerin mit der Inanspruchnahme als Haftende ernsthaft rechnen mußte. Das ist eine Tatfrage, die als solche grundsätzlich vom FG unter Würdigung aller Umstände (§ 96 Abs.1 FGO; BFH in BFHE 172, 456, BStBl II 1993, 891, m.w.N.) zu beantworten ist. Der Senat ist an die Würdigung gebunden, solange diese nicht gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstößt (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., § 118 Rdnr.23, m.w.N.).
Derartige Verstöße sind im Streitfall nicht feststellbar. Im Grunde wird dies auch vom FA nicht behauptet. Es meint nur, das FG hätte im Hinblick auf seine Prüfungstätigkeit und die Prüfungshäufigkeit die Wahrscheinlichkeit der Haftungsinanspruchnahme der Klägerin bereits zum 31. Dezember 1981/1982/ 1983/1985/1986/1987 bejahen müssen. Erfahrungssätze, die diese Erwartung bestätigen, bestehen nicht. Wenn das FG daher in Übereinstimmung mit der wohl überwiegend in der Literatur vertretenen Auffassung die Nachzahlung hinterzogener Steuern erst mit Beginn aufdeckungsorientierter Maßnahmen für wahrscheinlich hält, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch Lambrecht in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 5 D 307; Horlemann, Betriebs-Berater --BB-- 1989, 2005; Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 14.Aufl., § 5 Rdnr.550 "Betriebsprüfung"; Blümich/Schreiber, Einkommensteuergesetz, § 5 Rdnr.920 "Außenprüfung"; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 5 EStG Rdnr.805 "Hinterzogene Steuern"). Der Senat sieht insoweit keinen Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 18. Juli 1973 I R 11/73 (BFHE 110, 226, BStBl II 1973, 860), als dort ausdrücklich ausgeführt wird, "daß der Steuerpflichtige die Mehrsteuern in dem Jahr des Entstehens zu passivieren hat, wenn er bei Aufstellung der Bilanz unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns mit der Entstehung der Mehrsteuern rechnen muß".
Der Senat kann offenlassen, ob, was das FG nicht geprüft hat, zum 31. Dezember 1984 nicht auch bereits 1984 hinterzogene Beträge hätten zurückgestellt werden müssen. Dieser Gesichtspunkt würde zur Verminderung des zu versteuernden Einkommens 1984 und damit zu einer niedrigeren tariflichen Körperschaftsteuer führen. Die Klägerin hat jedoch keine Revision eingelegt. Die Erhöhung der Körperschaftsteuer 1984 gemäß §§ 27, 35 KStG bliebe hiervon unberührt.
Auf die Rechtmäßigkeit des Abschn.22 Abs.3 Nr.2 Satz 2 EStR 1981 bis 1987 kommt es im Streitfall nicht an, weil diese Verwaltungsanweisung nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nur veranlagte Steuern betrifft. Die hier streitige Lohnsteuer fällt nicht darunter.
B. Betriebsausgaben gemäß § 160 AO 1977 bei möglicherweise nicht gewerbesteuerpflichtigen Empfängern
Mit Entscheidung vom 15. März 1995 I R 46/94 (BFHE 178, 99, BStBl II 1996, 51) hat der Senat entschieden, daß bei Ermittlung des Gewerbeertrags auch solche Betriebsausgaben nach § 160 AO 1977 unberücksichtigt bleiben, die an nicht gewerbesteuerpflichtige Empfänger gezahlt wurden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die genannte Entscheidung Bezug genommen.
C. Hinterziehungszinsen
Da das FG zu den Hinterziehungszinsen nicht die notwendigen tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, kann der Senat nicht abschließend darüber entscheiden, ob und ggf. in welchem Veranlagungszeitraum die Hinterziehungszinsen sich gewinnmindernd auswirken.
1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß § 4 Abs.5 Nr.8 a EStG, der Hinterziehungszinsen vom Betriebsausgabenabzug ausschließt, gemäß § 52 Abs.5 EStG 1990 erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden ist, das nach dem 31. Dezember 1989 endet. § 4 Abs.5 Nr.8 a EStG gilt auch für Zinsen, die im Zusammenhang mit einer vor diesem Stichtag begangenen Hinterziehungshandlung stehen. Entscheidend ist, ob sich die Hinterziehungszinsen nach allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen nach dem Stichtag auswirken würden.
2. Da die Klägerin ihren Gewinn durch Vermögensvergleich (§ 8 Abs.1 KStG, § 4 Abs.1, § 5 Abs.1 EStG) ermittelt, kommt es --entgegen der Auffassung des FG-- nicht auf den Zeitpunkt der Zahlung der Hinterziehungszinsen an. Die Frage, in welchem Wirtschaftsjahr sich die Verpflichtung zur Zahlung von Hinterziehungszinsen gewinnmindernd auswirkt, bestimmt sich für die Klägerin vielmehr nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen. Danach setzt die Rückstellung von Hinterziehungszinsen grundsätzlich keine entsprechende Zinsfestsetzung voraus, wenn die Zinsverbindlichkeit gemäß § 235 AO 1977 besteht und, soweit sie unter Berücksichtigung des bisher abgelaufenen Verzinsungszeitraums (§ 235 Abs.2, § 238 Abs.1 AO 1977) wirtschaftlich verursacht ist, und die Inanspruchnahme durch Festsetzung gemäß § 239 Abs.1 i.V.m. § 155 AO 1977 wahrscheinlich ist. Für Hinterziehungszinsen, die vom Steuerpflichtigen kraft Gesetzes nicht geschuldet werden, wird eine Rückstellung nur in Ausnahmefällen möglich sein.
Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, für welche Art hinterzogener Steuern Hinterziehungszinsen festgesetzt wurden. Nach den Entscheidungsgründen soll es sich um Lohn- und Umsatzsteuern handeln. Lt. Vortrag des FA im Revisionsverfahren (Schriftsatz vom 15. August 1995) betreffen die Hinterziehungszinsen zusätzliche Lohnsteuerbeträge für 1988 und 1989. Sollten die Hinterziehungszinsen tatsächlich Lohnsteuern betreffen, so ist das Urteil des VI.Senats des BFH vom 5. November 1993 VI R 16/93 (BFHE 173, 192, BStBl II 1994, 557) zu beachten. Danach schuldet gemäß § 235 Abs.1 Satz 2 AO 1977 der Arbeitgeber keine Hinterziehungszinsen für nicht einbehaltene Lohnsteuer. Auch eine Haftung solcher Arbeitgeber, die --wie die Klägerin-- juristische Personen sind, scheidet danach aus. Damit besteht grundsätzlich auch kein Anlaß zur Bildung einer Rückstellung für Hinterziehungszinsen zur Lohnsteuer. Etwas anderes kann nur gelten, wenn das FA tatsächlich Zinsen für hinterzogene Lohnsteuern gegenüber der Klägerin festgesetzt haben sollte. Dann könnte frühestens im Zeitpunkt der Zinsfestsetzung eine Rückstellung gebildet werden. Damit wird letztlich wegen § 4 Abs.5 Nr.8 a EStG 1990 doch entscheidungserheblich, wann Hinterziehungszinsen zur Lohnsteuer festgesetzt wurden.
D. Gewerbesteuernachzahlung 1989
Im zweiten Rechtsgang hat das FG auch Gelegenheit, die Ausführungen des FA in seinem Hilfsantrag zu berücksichtigen. Da es zu diesem Problem keinerlei tatsächliche Feststellungen getroffen hat, ist dem Senat eine rechtliche Überprüfung nicht möglich. Sollte es sich hierbei --wie das FA vorträgt-- um Gewerbesteuer handeln, die die Klägerin für die Jahre 1981 bis 1988 nachzahlen müßte, wenn die streitigen Lohnsteuern und Sozialabgaben nicht die Gewerbeerträge 1981 bis 1988 minderten, so wäre die Gewerbesteuernachzahlung spätestens zum 31. Dezember 1988 zurückzustellen. Diese würde sich daher keinesfalls 1989 gewinnmindernd auswirken.
Fundstellen
Haufe-Index 66106 |
BFH/NV 1996, 203 |
BStBl II 1996, 592 |
BFHE 180, 110 |
BFHE 1997, 110 |
BB 1996, 1323 |
BB 1996, 1323-1325 (LT) |
DB 1996, 1312-1313 (LT) |
DStR 1996, 955-956 (KT) |
DStZ 1996, 465-466 (KT) |
HFR 1996, 566-567 (L) |
StE 1996, 408 (K) |