Leitsatz (amtlich)
Eine Teilungsanordnung des Erblassers (§ 2048 Satz 1 BGB), die einen Nachlaßgegenstand einem Miterben unmittelbar zuweist, ist für die erbschaftsteuerrechtliche Bemessung des Vermögensanfalls an diesen Erben zu berücksichtigen.
Normenkette
ErbStG 1959 § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Abs. 1 S. 1, § 23
Tatbestand
Der im Jahr 1961 verstorbene Erblasser hatte durch notariell beurkundete Verfügung von Todes wegen seinen einzigen Sohn, den Kläger, zu drei Vierteln als Vollerben, seine Wirtschafterin, die Beigeladene, zu einem Viertel des Nachlasses als Vorerbin eingesetzt. Als Nacherbe bezüglich dieses Viertels war der Kläger eingesetzt.
In derselben Verfügung hat der Erblasser folgende "Teilungsanordnung" getroffen:
"a) Frau X (die Beigeladene) soll das Grundstück ... in dem wir wohnen, als Vorerbin erhalten, und zwar mit den Belastungen, die heute auf dem Grundstück oben sind. Es ist mein Wunsch, daß sie dort auch weiter wohnen kann.
b) Meinen gesamten übrigen Nachlaß, insbesondere auch die Grundstücke ... soll mein Sohn bekommen.
c) Zusätzlich zu dem unter a) Gesagten soll Frau X als Vorerbin auch die gesamte Einrichtung meiner Wohnung ... erhalten."
Auf Grund dieses Testaments hat das Nachlaßgericht einen gemeinschaftlichen Erbschein erteilt, in dem als Erben bezeichnet werden:
a) der Sohn des Erblassers (Kläger) zu drei Vierteln,
b) die Beigeladene zu einem Viertel als Vorerbin und
c) der Sohn des Erblassers als Nacherbe dieses Viertels des Nachlasses im Falle des Todes der Vorerbin.
Der Steuerwert des Nachlasses war kleiner als 0 DM, da die Verbindlichkeiten das im wesentlichen mit den Einheitswerten anzusetzende Aktivvermögen überstiegen. Der Einheitswert des der Beigeladenen zugewiesenen Grundstücks betrug 35 000 DM; die auf sie entfallenden Lasten betrugen 10 554 DM.
Das FA (Beklagter) hat gegen die Beigeladene die Erbschaftsteuer auf 4 392 DM festgesetzt. Es vertrat die Auffassung, daß der Besteuerung der Beigeladenen nicht ein Viertel des Gesamtnachlasses, mithin ein negativer Wert, sondern der Wert dessen zugrunde zu legen sei, was sie erhalten habe. Der Bescheid, der dem Kläger nicht bekanntgegeben worden war, ist bestandskräftig.
Da die Beigeladene die Steuer nur in Raten von 25 DM monatlich entrichten konnte und ihr mangels Zustimmung des Klägers zur Belastung des geerbten Grundstücks nicht möglich war, einen Kredit zur Steuertilgung aufzunehmen, hat der Beklagte gegen den Kläger einen Haftungsbescheid über den zu diesem Zeitpunkt von der Beigeladenen noch nicht entrichteten Steuerbetrag von 3 889,75 DM erlassen. Der Einspruch des Klägers ist erfolglos geblieben.
Auf die Klage hat das FG Haftungsbescheid und Einspruchsentscheidung aufgehoben, weil ein Steueranspruch gegenüber der Beigeladenen weder bestanden habe noch bestehe. Die Beigeladene habe beim Tod des Erblassers nicht durch Vorausvermächtnis ein Grundstück, sondern als Vorerbin neben dem Kläger eine bestimmte Quote an dem gesamten Nachlaß erworben. Da der Nachlaß bei Ansatz der Steuerwerte als "überschuldet" zu gelten habe, sei auch der Wert des Erwerbs der Beigeladenen kleiner als 0 DM.
Mit der Revision beantragt der Beklagte, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Er rügt Verletzung der §§ 15 Abs. 3, 2 Abs. 1 Nr. 1, 23, 24 Abs. 1 ErbStG 1959. Angegriffen wird die Rechtsauffassung des FG, die Teilungsanordnung habe bei der Besteuerung außer Betracht zu bleiben.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben (§ 126 Abs. 3 FGO); die Klage war abzuweisen.
Der Steueranspruch gegen die Beigeladene ist beim Tod des Erblassers in der gegen sie festgesetzten Höhe entstanden (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Abs. 1 Satz 1, § 23 ErbStG 1959). Für diese Steuer haftet der Beklagte (§ 15 Abs. 3 ErbStG 1959).
1. Der Erwerb der Beigeladenen als Miterbin unterlag gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. April 1959 (BGBl I 1959, 187) der Erbschaftsteuer mit dem gesamten Vermögensanfall (§ 24 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1959). Der Vermögensanfall an die Beigeladene bestand aus der ihr mit dem Tode des Erblassers unmittelbar kraft Gesetzes dinglich angefallenen (§ 1922 BGB) Beteiligung an dem gesamthänderisch gebundenen Nachlaßvermögen (§ 2032 Abs. 1, § 2033 Abs. 2 BGB), begünstigt, aber auch beschränkt (vgl. § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB) durch die - nur obligatorisch wirkende -"Teilungsanordnung", daß sie aus dem Nachlaß das Grundstück gegen Übernahme der Lasten und den Hausrat, aber auch nur diese Gegenstände erhalten solle.
Ob die testamentarische Teilungsanordnung nur eine solche i. S. des § 2048 Satz 1 BGB ist oder auch ein Vermächtnis enthält (§§ 2150, 2191 BGB), läßt sich den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht entnehmen. Weder sind die Wertvorstellungen des Erblassers bei Errichtung des Testaments noch die Wertverhältnisse seines Vermögens zu diesem Zeitpunkt, noch die Wertverhältnisse des Nachlasses beim Tod des Erblassers bekannt. Darauf kommt es aber nicht an. Denn im einen wie im anderen Falle bedurfte es der Auflassung des Grundstücks an die Beigeladene; den Anspruch auf diese - Zug um Zug gegen Übernahme der Lasten (§§ 274, 273 BGB) - hat sie jedenfalls mit dem Tode des Erblassers erlangt (§ 2042 Abs. 1, §§ 2048, 2174, 2176 BGB), und jedenfalls konnte sie zur Auseinandersetzung des Nachlasses nicht mehr als die Auflassung und Übergabe des Grundstücks - Zug um Zug gegen Übernahme der Lasten - und die Übereignung des Hausrats fordern. Selbst wenn diese Verteilung von der Quotelung der Erbteile abweichen würde, würde daraus entgegen der Ansicht des Finanzgerichts keine Veränderung der Erbteile selbst folgen (vgl. § 2050 BGB); ebenso wie bei gesetzlicher Erbfolge (§§ 1924 ff. BGB) eine Ausgleichungspflicht (§ 2050 BGB) den Auseinandersetzungswert (vgl. § 2042 BGB) eines Erbteils (§ 1922 Abs. 2, § 2033 BGB) auf Null herabdrücken kann (§ 2056 BGB) und Vorausvermächtnisse an Miterben (§ 2150 BGB) die Erbquoten unberührt lassen, gilt das auch für die Erbteile der eingesetzten Erben (§ 1937 BGB), sofern die Erbeinsetzung als solche zu verstehen ist (§ 2087 ff. BGB).
Ein Erblasser kann über die Teilung des Nachlasses in unterschiedlicher Weise verfügen. Er kann einem Miterben das bloße Recht geben, einen Gegenstand zu übernehmen mit der Folge, daß es der freien Entscheidung dieses Erben überlassen bleibt, durch Ausübung eines Gestaltungsrechts den Anspruch auf Übertragung des zugewiesenen Gegenstandes zu begründen. Eine solche Anordnung kann ein Vermächtnis enthalten (vgl. § 2154 Abs. 1 Satz 1, § 2155 Abs. 2 BGB), und diese Auslegung ist auch dann nicht schlechthin ausgeschlossen, wenn der Bedachte als Miterbe (§ 2150 BGB) im Falle der Übernahme den vollen Wert des Gegenstandes auszugleichen hat (§ 2042 BGB; vgl. § 2050 BGB). Die Teilungsanordnung kann aber auch einen oder mehrere Nachlaßgegenstände einem Miterben - wenn auch nicht mit dinglicher Wirkung (§ 2048 BGB) - bindend zuweisen (vgl. § 2204 Abs. 1, § 2048 Satz 1 BGB). Verteilt im letztgenannten Falle der Erblasser durch Teilungsanordnung (§ 2048 Satz 1 BGB) den Nachlaß vollständig, ist für eine Auseinandersetzung nach Maßgabe des § 2042 Abs. 2 BGB oder einen diese ersetzenden Auseinandersetzungsvertrag kein Raum mehr; vielmehr ist nur die Teilungsanordnung zu vollziehen (vgl. Urteil des RG vom 3. Juli 1930 IV 656/29, HRR 1930 Nr. 1806).
Der durch die Teilungsanordnung (§ 2048 Satz 1 BGB) berechtigte Miterbe kann in diesem Falle unmittelbar - sei es auch gegebenenfalls nur Zug um Zug gegen Übernahme oder Berichtigung bestimmter Verbindlichkeiten - die Übereignung der ihm durch die Teilungsanordnung zugedachten Gegenstände fordern. Er unterscheidet sich insofern nicht von einem Vermächtnisnehmer (§§ 2174, 2166 BGB). Hier wie dort können zwar die Beteiligten sich abweichend von den Verfügungen des Erblassers einigen, soweit eine solche Einigung sich nicht auf die dingliche Erbfolge bezieht und ihre Entscheidungsfreiheit nicht durch Testamentsvollstreckung (§ 2204 Abs. 1 BGB), durch auflösende Bedingungen (§§ 2100 ff., 2191 BGB) oder in anderer Weise (§ 2194 BGB) beschränkt ist. Eine solche Einigung liegt aber - vom Falle der Ausschlagung der Erbschaft (§ 1953 Abs. 1 BGB) oder des Vermächtnisses (§ 2180 Abs. 3 BGB) abgesehen - außerhalb des "Vermögensanfalls", wie er dem Testament zufolge kraft Gesetzes eintritt.
Um eine Teilungsanordnung mit unmittelbarer Verbindlichkeit handelt es sich im vorliegenden Fall. Der Erblasser hat unmißverständlich der Beigeladenen das "Grundstück ...", dem Kläger dagegen den "gesamten übrigen Nachlaß" zugedacht und damit den Nachlaß vollständig verteilt.
Dadurch hat die Beigeladene bereits mit dem Tode des Erblassers einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks erworben.
Für die Erbschaftsteuer maßgebend sind die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über den Anfall von Todes wegen (vgl. § 1922 Abs. 2, §§ 1924 ff., 1935 ff., 1942 ff., 1951 ff., 2032, 2066 ff., 2085, 2087 ff., 2147 ff. BGB) einschließlich derjenigen Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Erbauseinandersetzung (vgl. §§ 2046 ff. BGB). aus denen sich kraft Gesetzes oder kraft letztwilliger Verfügung ergibt, daß dem einzelnen Miterben etwas anderes zukommt, als allein nach Maßgabe des § 2042 Abs. 2 BGB seiner dinglichen Beteiligung am Nachlaß entspräche. Im übrigen beeinflußt die Erbauseinandersetzung die Erbschaftsteuerpflicht grundsätzlich (vgl. aber § 7 Abs. 5 ErbStG 1959) nicht (vgl. Gutachten des RFH vom 21. Mai 1931 I D 1/30, RFHE 29, 137, 159, RStBl 1931, 559).
Entscheidend ist somit, was der Betroffene Rechtens zu beanspruchen hat. Die dargestellte, sich aus § 2048 Satz 1 BGB ergebende bürgerliche Rechtsfolge der Teilungsanordnung führt dazu, daß auch für das Steuerrecht jedenfalls die unmittelbar wirksame und nicht in das Ermessen des begünstigten Miterben gestellte materielle Teilungsanordnung des Erblassers maßgebend ist (vgl. Finger, Erbschaftsteuergesetz, 4. Aufl. 1932 § 2 Anm. 2 e S. 36; § 23 Anm. 1 d S. 339; Kipp, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz 1925, § 2 Anm. 24 S. 109, Anm. 44 S. 119), mithin - bei Steuerfreiheit des Hausratserwerbs (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG 1959) - als Besteuerungsgrundlage der Anspruch der Beigeladenen auf Übereignung des Grundstücks (Zug um Zug gegen Übernahme der darauf ruhenden Lasten und der diesen korrespondierenden persönlichen Schulden) angesehen werden muß.
Diese Auffassung steht nicht im Widerspruch zum Urteil des Senats vom 30. Juni 1960 II 254/57 U (BFHE 71, 266, BStBl III 1960, 348). Dort ist zwar beiläufig in den Entscheidungsgründen ausgesprochen, eine Teilungsanordnung i. S. des § 2048 BGB sei für die Besteuerung unerheblich; diese Aussage ist bei der Veröffentlichung in den Leitsatz übernommen worden. Das Urteil beruht aber nicht auf ihr. In dem jenem Urteil zugrunde liegenden Fall war vielmehr eine freie Auseinandersetzung der Miterben erfolgt. Eine Teilungsanordnung, die einen unmittelbaren Anspruch auf bestimmte Gegenstände begründet hätte, war dort nicht getroffen worden. Des weiteren ist auf dieses Urteil hier nicht einzugehen.
Da eine Teilungsanordnung der vorliegenden Art in einschlägiger Beziehung die gleichen steuerrechtlichen Folgen hat wie ein Vorausvermächtnis, braucht auf die Abgrenzung der Teilungsanordnung von einem Vorausvermächtnis nicht eingegangen zu werden. Die Begrenzung auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt verbietet es auch, Erwägungen über die gleiche oder die unterschiedliche Behandlung anderer Teilungsanordnungen anzustellen.
Der Anspruch der Beigeladenen auf Übereignung des Grundstücks ist zutreffend bewertet. Da der Besteuerungsgrund des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 erbrechtlich-dingliche Erwerbe (Erbanfälle im engeren Sinn) und erbrechtlich-obligatorische Erwerbe (z. B. Vermächtnisse) gleichsetzt, ist in der Besteuerungsgrundlage der Anspruch auf Übereignung des Grundstücks ebenso mit dem Einheitswert anzusetzen wie das im Nachlaß befindliche Grundstück selbst (§ 23 Abs. 2 ErbStG 1959).
Daß dem Nachlaß und damit der Summe der durch den Tod des Erblassers eingetretenen Erwerbe nach den durch § 23 ErbStG 1959 vorgeschriebenen Bewertungsmaßstäben ein negativer Wert zukommt, steht dem Ansatz eines positiven Werts beim Erwerb der Beigeladenen nicht entgegen. Denn Besteuerungsgrundlage bildet jeweils nur der Vermögensanfall an den einzelnen Erwerber (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1959), nicht dagegen ein bestimmter Hundertsatz des gesamten Nachlasses. Indem das BVerfG § 23 Abs. 1 ErbStG 1959 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 BewG 1965 für mit dem GG vereinbar erklärt hat (Beschluß vom 10. Februar 1976 1 BvL 8/73, BVerfGE 41, 269, HFR 1976, 213), hat es im Ergebnis zumindest dem Grundsatz nach § 23 ErbStG 1959 im ganzen für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Auf Grund der in § 23 ErbStG 1959 in Bezug genommenen Vorschriften kann sich ergeben, daß anläßlich ein und desselben Erbfalles teils positiv, teils negativ zu bewertende Erwerbe eintreten, deren Summe einen Negativsaldo aufweisen würde.
2. Der Kläger haftet gemäß § 15 Abs. 3 ErbStG 1959 für die Steuer der Beigeladenen. Seine Inanspruchnahme ist nicht ermessensmißbräuchlich. Der Kläger hat es der Beigeladenen unmöglich gemacht, einen Kredit zur Steuertilgung aufzunehmen, indem er der Beigeladenen die Zustimmung zur Belastung des Grundstücks (vgl. § 2113 Abs. 1 BGB) verweigerte.
Fundstellen
Haufe-Index 72384 |
BStBl II 1977, 640 |
BFHE 1977, 519 |