Leitsatz (amtlich)
Sind die Kommanditisten einer GmbH & Co. KG nach dem Gesellschaftsvertrag verpflichtet, das Kommanditkapital "aus stehenbleibenden Gewinnen" zu erhöhen, so wurde dadurch eine Verpflichtung i. S. des § 2 Nr. 2 KVStG 1959 begründet. Die Steuerpflicht nach dieser Vorschrift war nicht davon abhängig, daß die Erhöhung der (bedungenen) Einlagen im Handelsregister eingetragen wurde.
Normenkette
KVStG 1959 § 2 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2; HGB § 167
Tatbestand
Die Klägerin, eine GmbH, trat im Jahre 1959 als persönlich haftende Gesellschafterin in eine KG ein. Das Kommanditkapital betrug 500 000 DM. Nach § 9 des Gesellschaftsvertrags waren die Kommanditisten "verpflichtet, aus stehenbleibenden Gewinnen das Kapital auf DM 800 000 zu erhöhen". Aus diesem Grund sollten die Gewinne bis einschließlich 1960 nur zur Hälfte und ab 1. Januar 1961 zu 75 % ausgezahlt werden. Die nichtausgezahlten Gewinnanteile wurden auf "Kapitalkonten II" gutgeschrieben.
Am 31. Dezember 1960 betrugen die Kapitalkonten II insgesamt 382 224,70 DM. Hieraus wurden entsprechend § 9 des Gesellschaftsvertrags und gemäß Gesellschafterbeschluß vom 29. November 1961 die Kommanditeinlagen (Kapitalkonten I) um 300 000 DM erhöht. Die Erhöhung wurde nicht im Handelsregister eingetragen.
Das beklagte FA setzte nach einer Kapitalverkehrsteuerprüfung am 17. November 1966 mit Bescheid vom 9. Januar 1969 gemäß § 2 Nr. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 7 500 DM Gesellschaftsteuer fest, nachdem das BVerfG vom 2. Oktober 1968 (1 BvF 3/65, BStBl II 1968, 762) § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 für verfassungsgemäß erklärt hatte.
Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Auf die Klage hob das FG den Steuerbescheid und die Einspruchsentseheidung auf. Die Vorschrift des § 2 Nr. 2 KVStG 1959, welche hier allein in Betracht komme und aus welcher das Finanzamt die Steuerpflicht jetzt herleite, rechtfertige nicht - i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959 - den angefochtenen Steuerbescheid. Bevor die Erhöhung des Kommanditkapitals nicht im Handelsregister eingetragen sei, seien die Leistungen der Gesellschafter nicht als "bewirkt" anzusehen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Die Steuerpflicht folgt aus § 2 Nr. 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG 1959.
Die Vorschrift des § 2 Nr. 1 KVStG scheidet hier aus, weil die Kommanditisten mit der Erhöhung ihrer Einlagen nicht als erste Erwerber Gesellschaftsrechte an der KG erworben haben. Diese Rechte standen ihnen schon vorher zu. Eine Mehrheit solcher Rechte konnten sie an der KG - anders als an einer GmbH oder AG - nicht erwerben (Urteil vom 21. Oktober 1969 II 141/65, BFHE 97, 320, BStBl II 1970, 99).
Die Kommanditisten galten i. S. des § 2 Nr. 2 KVStG 1959 als Gesellschafter einer inländischen Kapitalgesellschaft (§ 6 Abs. 1 Nr. 4, § 6 Abs. 2 KVStG 1959).
Die Gesellschafter waren verpflichtet, das Kommanditkapital auf 800 000 DM zu erhöhen. Diese Verpflichtungen waren im Gesellschaftsverhältnis begründet, denn sie ergaben sich aus § 9 des Gesellschaftsvertrags.
Unerheblich ist, daß nach dem Wortlaut des § 9 des Gesellschaftsvertrags das Kapital "aus stehenbleibenden Gewinnen" zu erhöhen war. Sollte diese Vertragsklausel nach dem Willen der Gesellschafter bedeuten, daß insoweit Gewinnauszahlungsansprüche der Gesellschafter entstanden und die Beträge zunächst darlehnsweise der Gesellschaft verblieben, so würde § 9 des Gesellschaftsvertrags (Zahlungs-)Verpflichtungen gemäß § 2 Nr. 2 KVStG 1959 der Gesellschafter begründet haben, die später durch den Gesellschafterbeschluß vom 29. November 1961 im Wege der Verrechnung mit den Darlehensansprüchen der Gesellschafter getilgt worden wären. Möglich ist jedoch auch die Auslegung, daß die betreffenden Gewinnanteile gesamthänderisch gebunden bleiben sollten (vgl. dazu die Urteile vom 23. Juli 1975 II R 101/73, BFHE 116, 566, BStBl II 1976, 23, und vom 14. Juli 1976 II R 79/74, BFHE 119, 511, BStBl II 1976, 715). Dann wären indessen ebenfalls Verpflichtungen i. S. des § 2 Nr. 2 KVStG 1959 entstanden. Das ergibt sich aus Satz 2 des § 2 Nr. 2 KVStG 1959, wonach die Gesellschaftsteuer auch dann entsteht, wenn die Gesellschaft mit eigenen Mitteln die Verpflichtung des Gesellschafters "abdeckt". Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, daß er in Fällen der vorliegenden Art auf den wirtschaftlichen Erfolg statt auf die bürgerlich-rechtliche Gestaltung abstellt. Die Begründung zum KVStG 1934 (RStBl 1934, 1464) nennt hierzu den Fall, daß der Gewinn vor Verteilung ganz oder teilweise auf das Konto "Forderungen an die Aktionäre" überwiesen wird. Bürgerlich-rechtlich ist zumindest zweifelhaft, ob auf diese Weise die Ansprüche der Kapitalgesellschaft aus § 54 Abs. 1 des AktG 1965 bzw. § 19 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) erfüllt werden; denn bei dieser Gestaltung hätten Gewinnauszahlungsansprüche der Gesellschafter, mit denen die genannten Ansprüche der Gesellschaft hätten verrechnet und somit getilgt werden können, nicht bestanden. Gleichwohl besteuerte das KVStG 1959 diesen Vorgang. Es stellte ohne Rücksicht auf dessen Gestaltung und bürgerlich-rechtliche Wirksamkeit nur auf den erzielten wirtschaftlichen Erfolg ab, nämlich die Verstärkung des Gesellschaftskapitals aus Gewinnen. Dabei machte es keinen Unterschied, ob die Gesellschafter ursprünglich vorhatten, zunächst Gewinnverteilungsbeschlüsse zu fassen und anschließend mit den Gewinnauszahlungsansprüchen gegen die Ansprüche der Gesellschaft aus § 54 Abs. 1 AktG 1965 bzw. § 19 GmbHG aufzurechnen, oder ob sie von vornherein den "abgekürzten Weg" (Zuweisung des Gewinns vor Verteilung an das Konto "Forderungen an Aktionäre") beabsichtigten. Bei dem letztgenannten Fall wiederum kann man gesellschaftsteuerrechtlich nicht danach unterscheiden, ob die Gesellschafter ihre Absicht von Anfang an durch eine entsprechende Formulierung der Verpflichtung zum Ausdruck gebracht haben oder nicht. Deshalb würde im vorliegenden Fall auch eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, Gewinne nicht auszuschütten und aus diesen Mitteln die Kommanditeinlagen zu erhöhen, Verpflichtungen i. S. des § 2 Nr. 2 KVStG 1959 geschaffen haben. Andernfalls würde die Besteuerung davon abhängig sein, welche Gestaltung oder gar lediglich welche Formulierung die Beteiligten bei gleichem wirtschaftlichen Erfolg gewählt haben. Das sollte aber mit der Einführung des § 2 Nr. 2 Satz 2 KVStG gerade verhindert werden. Das gleiche Bestreben des Gesetzgebers kam nochmals bei der Neufassung des im § 2 Nr. 1 KVStG geregelten Tatbestandes zum Ausdruck; es sollte z. B. bei der Ausgabe von Freiaktien gesellschaftsteuerrechtlich nicht darauf ankommen, ob die Gesellschafter vorher die Verteilung des Reingewinns beschlossen hatten oder nicht (vgl. dazu die Begründung, RStBl 1934, 1464).
Durch den Gesellschafterbeschluß vom 29. November 1961 über die Erhöhung der Kommanditeinlagen wurden die vorgenannten Verpflichtungen der Gesellschafter aus Mitteln der Gesellschaft abgedeckt (§ 2 Nr. 2 Satz 2 KVStG 1959). Unerheblich ist, daß die Erhöhungen der Kommanditeinlagen nicht im Handelsregister eingetragen wurden. § 2 Nr. 2 KVStG 1959 erfaßte Leistungen der Gesellschafter, machte die Steuerpflicht aber nicht von der Eintragung in das Handelsregister abhängig, zumal diese Leistungen häufig überhaupt nicht eintragungsfähig waren. Das gilt auch für den vorliegenden Fall; hier wurden lediglich die bedungenen Einlagen (§ 167 HGB), nicht dagegen die Hafteinlagen (§§ 171, 172 HGB) erhöht.
Gemäß § 8 Nr. 2 KVStG 1969 ist die Steuer im vorliegenden Fall vom Wert der Leistungen zu berechnen. Mängel des angefochtenen Steuerbescheids sind insoweit nicht erkennbar und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden.
Fundstellen
Haufe-Index 72415 |
BStBl II 1977, 699 |
BFHE 1978, 555 |