Erlass mit Übergangsregelung zur Anwendung dieser Entscheidung
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung eines Büroraums des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
Leistet der Arbeitgeber Zahlungen für ein im Haus bzw. in der Wohnung des Arbeitnehmers gelegenes Büro, das der Arbeitnehmer für die Erbringung seiner Arbeitsleistung nutzt, so ist die Unterscheidung zwischen Arbeitslohn einerseits und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung andererseits danach vorzunehmen, in wessen vorrangigem Interesse die Nutzung des Büros erfolgt.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 1997 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger ist Diplom-Forstingenieur und war in der Niedersächsischen Forstverwaltung Dienststelleninhaber einer Revierförsterei. Aufgrund eines 1995 geschlossenen Mietvertrags überließ er dem zuständigen Staatlichen Forstamt einen Büroraum im Keller des ihm gehörenden und von ihm und seiner Familie bewohnten Einfamilienhauses. Der Raum sollte der Forstverwaltung als Dienstzimmer dienen und vom Kläger genutzt werden. Der monatliche Mietzins betrug einschließlich einer Pauschale für Schönheitsreparaturen 90 DM. Das Mietverhältnis wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen, konnte von beiden Vertragsparteien unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen gekündigt werden und sollte spätestens mit Ablauf der Amtszeit des Klägers als Leiter der Revierförsterei enden.
Aus einer Mitteilung des Forstamts geht Folgendes hervor: Dem Kläger hätte als Dienstsitz grundsätzlich ein Raum in einem Förstereigehöft zur Verfügung gestanden. Das betreffende Gehöft sollte jedoch aus Kostengründen aufgelöst und verkauft werden. Da der Kläger im Hinblick auf Innendienstarbeiten und Publikumsverkehr auf ein Dienstzimmer angewiesen war, hatte sich die Forstverwaltung zunächst bemüht, einen geeigneten Raum in der Umgebung des Gehöfts anzumieten, was jedoch nicht gelang, so dass es zu dem Mietvertrag mit dem Kläger kam. Auf die Höhe des Mietzinses, der in Anlehnung an die einschlägigen Dienstwohnungsvorschriften festgesetzt wurde, hatte der Kläger keinen Einfluss nehmen können.
Mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1997 machten die Kläger Aufwendungen für den Büroraum in Höhe von zunächst 6 011 DM (neben weiteren Aufwendungen für Ausstattung, Bürobedarf etc. und abzüglich der monatlichen Zahlungen des Arbeitgebers) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nicht-selbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) ließ diese Aufwendungen nur in Höhe von 2 400 DM zum Werbungskostenabzug zu.
Das Finanzgericht (FG) entschied dagegen, dass die im Klageverfahren für den Büroraum noch geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von insgesamt 3 654 DM in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen seien. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 969 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das FA beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat im Ergebnis zutreffend die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers in vollem Umfang als Werbungskosten anerkannt. Zwar führen die Zahlungen des Arbeitgebers für das Dienstzimmer entgegen der Ansicht des FG bei dem Kläger zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG); doch ist dem FG insoweit zu folgen, als die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen nicht unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG fallen.
1. Bei den Zahlungen des Arbeitgebers für das Dienstzimmer im selbstgenutzten Einfamilienhaus des Klägers handelt es sich um Nutzungsentgelte i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, und nicht um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
a) Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehören gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auch Einkünfte aus der Vermietung von Gebäudeteilen. Da die Begriffe Vermietung und Verpachtung im einkommensteuerrechtlichen Sinne umfassender sind als die vergleichbaren bürgerlich-rechtlichen Begriffe, richtet sich die steuerliche Zuordnung der jeweiligen Einnahmen nicht nach der äußeren Form und Bezeichnung der von den Beteiligten geschlossenen Verträge, sondern nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt. Eine Zahlung, die sich ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach als Gegenleistung für die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung des überlassenen Gegenstands darstellt (Ausnahme: § 21 Abs. 1 Nr. 4 EStG), ist daher bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 7. Juni 2002 VI R 145/99, BFHE 199, 322, BStBl II 2002, 829; vgl. auch Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 21 Rz. 1). Gehören die betreffenden Einkünfte allerdings (auch) zu einer anderen Einkunftsart, so sind sie gemäß § 21 Abs. 3 EStG dieser zuzurechnen (Subsidiaritätsklausel).
b) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Ein Vorteil wird "für" eine solche Beschäftigung gewährt, wenn er durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst ist (vgl. etwa BFH-Urteil vom 26. Juni 2003 VI R 112/98, BFHE 203, 53, 56, BStBl II 2003, 886; ferner: Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 19 Rz. 24, m.w.N.; Küttner/Thomas, Personalbuch 2004, Stichwort Arbeitsentgelt, Rz. 32 ff. und 45 ff.). Hieran fehlt es, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Vorteile aufgrund einer anderen, neben dem Dienstverhältnis gesondert bestehenden Rechtsbeziehung ―beispielsweise einem Mietverhältnis― zuwendet (BFH-Urteile vom 19. Oktober 2001 VI R 131/00, BFHE 197, 98, BStBl II 2002, 300, m.w.N., und in BFHE 199, 322, BStBl II 2002, 829).
c) Leistet der Arbeitgeber Zahlungen für ein im Haus bzw. in der Wohnung des Arbeitnehmers gelegenes Büro, das der Arbeitnehmer für die Erbringung seiner Arbeitsleistung nutzt, so ist die Unterscheidung zwischen Arbeitslohn einerseits und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung andererseits danach vorzunehmen, in wessen vorrangigem Interesse die Nutzung des Büros erfolgt.
aa) Dient die Nutzung in erster Linie den Interessen des Arbeitnehmers, so ist davon auszugehen, dass die Zahlungen des Arbeitgebers (im weitesten Sinne) als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erfolgt sind. Die Einnahmen sind dementsprechend als Arbeitslohn zu erfassen. So verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers über einen weiteren Arbeitsplatz verfügt und die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers vom Arbeitgeber lediglich gestattet bzw. geduldet wird.
bb) Wird der betreffende Raum jedoch vor allem im betrieblichen Interesse des Arbeitgebers genutzt und geht dieses Interesse ―objektiv nachvollziehbar― über die Entlohnung des Arbeitnehmers bzw. über die Erbringung der jeweiligen Arbeitsleistung hinaus, so ist anzunehmen, dass die betreffenden Zahlungen auf einer neben dem Dienstverhältnis gesondert bestehenden Rechtsbeziehung beruhen. Anhaltspunkte hierfür können sich beispielsweise daraus ergeben, dass der Arbeitgeber entsprechende Rechtsbeziehungen zu gleichen Bedingungen auch mit fremden Dritten, die nicht in einem Dienstverhältnis zu ihm stehen, eingegangen ist. Doch handelt es sich insoweit lediglich um ein Indiz, nicht um eine zwingende Voraussetzung; soweit der erkennende Senat mit Urteil in BFHE 197, 98, BStBl II 2002, 300 (unter II. 2. e) eine andere Auffassung vertreten hat, wird daran nicht mehr festgehalten.
cc) Haben die Beteiligten eine ausdrückliche, schriftliche Vereinbarung über die Bedingungen der Nutzung des überlassenen Raumes getroffen, so kann dies ebenfalls ein Indiz für ein besonderes, über das Dienstverhältnis hinausgehendes betriebliches Interesse sein. Allerdings schließt eine solche Vereinbarung einerseits nicht aus, dass die Zahlungen gleichwohl als Arbeitslohn zu erfassen sind, falls ein entsprechendes betriebliches Interesse des Arbeitgebers nicht nachgewiesen werden kann. Andererseits ist eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung keine zwingende Voraussetzung für die Annahme einer eigenständigen Rechtsbeziehung; denn ein steuerlich anzuerkennendes Nutzungsverhältnis kann auch mündlich oder konkludent begründet werden.
dd) Der Nachweis eines entsprechenden betrieblichen Interesses an der Nutzung des betreffenden Raumes obliegt dem Steuerpflichtigen.
d) Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die an den Kläger für das Dienstzimmer geleisteten Zahlungen im Streitfall kein Arbeitslohn, da die Nutzung des betreffenden Raumes vorrangig den Interessen des Arbeitgebers diente.
aa) Bei dem Dienstzimmer handelte es sich letztlich um ein (externes) Büro des Arbeitgebers. Der Kläger und sein Arbeitgeber haben eine ausdrückliche und schriftliche Nutzungsvereinbarung getroffen, auf deren Grundlage die streitigen Zahlungen geleistet wurden. Den Feststellungen des FG zufolge waren dabei sowohl der Abschluss bzw. die Ausgestaltung dieser Vereinbarung als auch die tatsächliche Nutzung des fraglichen Raumes im Haus des Klägers maßgeblich und objektiv nachvollziehbar von den Bedürfnissen der Forstverwaltung geprägt. Der Raum sollte der Forstverwaltung als Dienstzimmer dienen. Die ursprünglich zu diesem Zweck genutzte Revierförsterei sollte aus Kostengründen aufgelöst werden. Ein (im Zweifel) daneben gleichwohl bestehendes Interesse des Klägers, die anfallenden Büroarbeiten im eigenen Haus zu verrichten, trat demgegenüber zurück; es war weder für den Abschluss noch für die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses entscheidend. Das zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass der Arbeitgeber zunächst versucht hat, einen geeigneten Raum von dritter Seite anzumieten.
bb) Entgegen der Auffassung des FA kommt es im Streitfall für die Unterscheidung zwischen Arbeitslohn und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht darauf an, ob ein entsprechendes Nutzungsverhältnis zu gleichen Bedingungen auch mit einem fremden Dritten hätte begründet werden können. Unerheblich ist insbesondere, ob der vereinbarte Mietzins die Höhe des ortsüblichen Mietzinses unterschreitet. Denn das hier geforderte betriebliche Interesse an der Nutzung des betreffenden Raumes wird durch eine für den Arbeitgeber vorteilhafte Gestaltung der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung nicht in Frage gestellt.
e) Da die streitigen Einkünfte zu keiner anderen Einkunftsart gehören, insbesondere nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 3 EStG nicht erfüllt. Die Subsidiaritätsklausel kommt hier somit nicht zur Anwendung.
2. Die für das Dienstzimmer geltend gemachten Aufwendungen sind in vollem Umfang als Werbungskosten zu berücksichtigen. Sie fallen nicht unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG. Zwar gilt diese Regelung nach § 9 Abs. 5 EStG sinngemäß auch für Werbungskosten, die im Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entstehen. Doch handelt es sich bei dem Dienstzimmer des Klägers nicht um ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne der Abzugsbeschränkung. Denn vom Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers werden solche Räume nicht erfasst, die der Arbeitnehmer aufgrund eines steuerlich anzuerkennenden, neben dem Dienstvertrag bestehenden Nutzungsverhältnisses seinem Arbeitgeber überlässt und die ihm im Rahmen des Dienstverhältnisses (rück-)überlassen werden (BFH-Urteil vom 20. März 2003 VI R 147/00, BFHE 201, 311, BStBl II 2003, 519).
3. Bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit ist nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften (BFH-Urteil vom 5. November 2002 IX R 48/01, BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646). Dass der Gegenstand des Mietvertrages ein im Hause des Klägers gelegenes Büro des Arbeitgebers ist, ändert daran regelmäßig nichts (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 201, 311, BStBl II 2003, 519). Selbst wenn man aber im vorliegenden Fall wegen der Koppelung des Mietvertrages an die Amtszeit des Klägers als Leiter der Revierförsterei und im Hinblick auf die Höhe des vereinbarten Mietzinses Zweifel am Vorliegen einer Überschusserzielungsabsicht haben könnte, stünde dies einer Berücksichtigung der Aufwendungen nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats können Verluste aus einer ohne Überschusserzielungsabsicht ausgeübten Nebentätigkeit gleichwohl zu Werbungskosten bei der Haupttätigkeit führen, wenn sie durch diese veranlasst sind (BFH-Urteil vom 22. Juli 1993 VI R 122/92, BFHE 171, 558, BStBl II 1994, 510). Diese Voraussetzung wäre in Bezug auf den Kläger und seine (Haupt-)Tätigkeit als Revierförster jedenfalls erfüllt. Weiterer Feststellungen insbesondere zur Höhe der ortsüblichen Mietzinsen bedurfte es daher nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 1278260 |
BFH/NV 2005, 279 |
BStBl II 2006, 10 |
BFHE 2005, 457 |
BFHE 207, 457 |
BB 2005, 34 |
BB 2005, 480 |
DB 2005, 87 |
DStR 2005, 59 |
DStRE 2005, 182 |
HFR 2005, 220 |