Leitsatz (amtlich)
Bewohnen Eltern ein aufgrund der ihnen obliegenden Sorge für das Vermögen des Kindes (§ 1626 Abs. 1 BGB) in ihrem Besitz befindliches und ihrem minderjährigen Kind gehörendes Einfamilienhaus, so beruht die Nutzung nicht auf einer gesicherten Rechtsposition.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind bei der Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Die Klägerin schenkte mit Vertrag vom 22. November 1971 ihren in L belegenen Grundbesitz ihren damals minderjährigen Kindern. Der Eigentumsübergang auf die Kinder wurde im Grundbuch eingetragen. Sonstige das Grundstück belastende oder beschränkende Rechte sind bei Abschluß des Schenkungsvertrages schriftlich nicht vereinbart worden. In den Jahren 1972/73 errichteten die Kläger auf dem Grundstück ein Einfamilienhaus, das von ihnen und ihren Kindern selbst genutzt wird. Am 16. Juli 1979 wurde ein Nießbrauchsrecht zugunsten der Kläger beurkundet und später im Grundbuch eingetragen.
Nach einer Betriebsprüfung rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die in den streitigen Veranlagungszeiträumen 1973 bis 1976 angefallenen Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht den Klägern, sondern den minderjährigen Kindern als Grundstückseigentümern zu.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit ihrer Revision beantragen die Kläger, die Einkommensteuer unter Anerkennung von Werbungskosten herabzusetzen.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Ohne Rechtsverstoß ist das Finanzgericht (FG) davon ausgegangen, daß die Kläger mangels Einkünfteerzielung in bezug auf das in L belegene Grundstück keine Werbungskosten einschließlich erhöhter Absetzungen gemäß § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) abziehen können.
1. Den Klägern ist der Nutzungswert des Hauses nicht als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 1, § 21a EStG zuzurechnen. Denn sie waren weder rechtliche noch wirtschaftliche Eigentümer des ihren Kindern gehörenden Einfamilienhauses in L, und es ist ihnen der Nutzungswert nach dieser Vorschrift auch nicht als Vorbehaltsnießbraucher zuzurechnen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Dezember 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627 , und jeweils vom 29. November 1983 VIII R 215/79, BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366, sowie VIII R 184/83, BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371 ).
a) Unstreitig ist die Klägerin nicht rechtliche Eigentümerin des Einfamilienhauses. Denn dieses wurde mit seiner Errichtung Eigentum der Kinder, die Eigentümer des Grundstücks waren (§ 94 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).
b) Die Klägerin war in den Jahren 1973 bis 1976 auch nicht wirtschaftliche Eigentümerin des Grundstücks oder des Einfamilienhauses. Denn sie schloß ihre Kinder für die gewöhnliche Nutzungsdauer nicht von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich aus (§ 11 Nr. 4 des Steueranpassungsgesetzes; vgl. insoweit BFH-Urteil vom 26. Januar 1970 IV R 144/60, BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264 , 272), wie das FG zutreffend ausführt. Die Kinder waren in ihrer Verfügungsmacht bürgerlich-rechtlich nicht beschränkt, und andere Umstände, die sie von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut dauerhaft ausschlossen, lagen nicht vor.
c) Die Kläger waren in den Jahren 1973 bis 1976 auch nicht Vorbehaltsnießbraucher, so daß ihnen aus diesem Grunde der Nutzungswert des Einfamilienhauses zuzurechnen gewesen wäre (§ 21 Abs. 2 Alternative 1, § 21a EStG; vgl. Urteil in BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627 ). Denn die Kläger nutzten das Einfamilienhaus nicht vergleichbar einem Eigentümer aufgrund eines bei der Eigentumsübertragung vorbehaltenen Nießbrauchs.
Zutreffend hat das FG dargelegt, daß der Kläger nicht Vorbehaltsnießbraucher sein konnte, weil er nicht Eigentümer des Grundstücks war und somit nichts zurückbehalten konnte.
Die Klägerin war ebenfalls nicht Vorbehaltsnießbraucherin. Vorbehaltsnießbraucherin des unbebauten Grundstücks ist sie nicht geworden, weil keine rechtswirksame Vereinbarung eines Vorbehaltsnießbrauchs zwischen ihr und den Kindern im Schenkungsvertrag getroffen worden ist. Aus der vom FG in Bezug genommenen Erklärung des Pflegers vom 19. Juni 1979 ergibt sich, daß die Klägerin den Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs für sich und die Einräumung eines lebenslangen Nießbrauchs für ihren Mann bewußt nicht vereinbart hatte, um nicht Gefahr zu laufen, daß der Vormundschaftsrichter der Schenkung möglicherweise die Genehmigung versagt hätte und daß Schwierigkeiten bei der Eintragung von Belastungen im Zusammenhang mit der Finanzierung entstehen. Aus dem eigenen Vortrag der Kläger ergibt sich demgemäß, daß schon bürgerlich-rechtlich keine Nießbrauchsrechte entstanden sind, so daß sich die Frage der steuerrechtlichen Anerkennung nicht stellte.
Die Neuvornahme des Rechtsgeschäfts der Einräumung eines dinglich gesicherten Nießbrauchs am 16. Juli 1979 wirkte schon bürgerlich-rechtlich nicht auf die Vergangenheit bis zum Eintritt der Volljährigkeit zurück. Sie vermochte auch steuerrechtlich keine Rückwirkung zu entfalten. Die von den Kindern nach Eintritt ihrer Volljährigkeit den Eltern eingeräumte Nießbraucherstellung wirkt sich als Tatsache nicht auf Veranlagungszeiträume aus, die vor der Einräumung liegen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 175 AO 1977 Tz. 10); dies gilt auch dann, wenn die Vertragsbeteiligten durch die Vereinbarungen den Zustand haben herstellen wollen, der der Klägerin als Vorstellung im Zeitpunkt der Schenkung vorschwebte, den rechtlich wirksam herbeizuführen sie aber damals bewußt unterlassen hatte.
Vorbehaltsnießbraucherin allein des Gebäudes konnte die Klägerin nicht werden, weil das Gebäude im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs des Grundstücks auf die Kinder noch nicht vorhanden war.
2. Den Klägern sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auch nicht nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG zuzurechnen.
Nach der neueren Rechtsprechung des BFH ist dem Nutzenden der Nutzungswert einer ihm ganz oder teilweise unentgeltlich überlassenen Wohnung nach dieser Vorschrift zuzurechnen, wenn ihm eine gesicherte Rechtsposition eingeräumt ist; das gilt auch im Verhältnis von gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen zueinander (vgl. BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366 , und BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371 ). Eine gesicherte Rechtsposition in diesem Sinne hat auch derjenige, dem die Wohnung aufgrund einer schuldrechtlich eingeräumten Nutzungsbefugnis überlassen ist. Eine derartige gesicherte Rechtsposition haben die Eltern im vorliegenden Fall jedoch nicht erlangt.
a) Im Gegensatz zu dem vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts (GleichberG) vom 18. Juni 1957 (BGBl I 1957, 609) geltenden Rechtszustand, der den Eltern und zuvor dem Vater ein nießbrauchsähnliches Nutzungsrecht am Vermögen des Kindes eingeräumt hatte (vgl. dazu Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10./11. Aufl., 1966, Familienrecht, § 1649 Erläuterungen 1 und 2; Beitzke, Familienrecht, 23. Aufl., 1983, § 28 S. 255) und der die Annahme einer gesicherten Rechtsposition zugelassen hätte, steht den Eltern nunmehr nur die fremdnützige Vermögensverwaltung zu (vgl. dazu auch Soergel/Lange, Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl., 1981, § 1649 Rz. 1).
Diese berechtigt die Eltern zwar zur Inbesitznahme der den Kindern gehörenden Gegenstände; ihnen wird hierdurch indessen keine gesicherte Rechtsposition im Sinne der neueren Rechtsprechung des BFH (BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366 ) eingeräumt. Denn es fehlt insoweit an einer vertraglichen Rechtsgrundlage. Der Besitz an der Sache allein genügt nicht für die Begründung einer gesicherten Rechtsposition.
An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, daß durch das tatsächliche Wohnen im eigenen Haus die Kinder selbst den Tatbestand von § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG erfüllen und daß die elterliche Gewalt die Rechte umfaßt, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen (§ 1631 BGB) und das Kindesvermögen fremdnützig zu verwalten (§ 1626 BGB).
b) Die Kläger hatten auch nicht etwa deshalb eine gesicherte Rechtsposition, weil die Klägerin das Grundstück ihren Kindern geschenkt hat. Eine Schenkung führt nicht eine eingeschränkte oder geminderte Rechtsposition des Bedachten im Verhältnis zum Schenker herbei. Eine Schenkung unter Auflage (§ 525 BGB) liegt mangels einer dahin gehenden Vereinbarung nicht vor.
c) Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob das Haus ganz oder teilweise aus Mitteln der Kinder oder der Kläger errichtet wurde. Denn auch durch die Finanzierung oder Beteiligung an der Finanzierung hätten die Kläger keine gesicherte Rechtsposition für die Nutzung des im Eigentum der Kinder stehenden Hauses erlangt. Ein etwaiger Anspruch gemäß §§ 951 Abs. 1, 946 BGB geht auf eine Vergütung in Geld, führt aber nicht zu einer gesicherten Rechtsposition in diesem Sinn.
Fundstellen
Haufe-Index 426010 |
BStBl II 1985, 154 |
BFHE 1985, 443 |