Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbbauzins kein Entgelt für die Nutzung der auf dem belasteten Grundstück befindlichen Gebäude
Leitsatz (NV)
Der Erbbauzins ist auch dann kein Entgelt für die Nutzung der auf dem belasteten Grundstück bereits bei Begründung des Erbbaurechts befindlichen Gebäude, wenn der Erbbauzins sich an dem Ertragswert der Gebäude orientiert und der Erwerber dieses Grundstücks für die Gebäude ein Entgelt gezahlt hat.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 7, § 7; ErbbauVO § 1 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 12 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden.
1985 erwarb die Klägerin von der Stadt X ein u.a. mit einem denkmalgeschützten Gebäude bebautes Grundstück, das seit 1974 bis zum Jahre 2004 mit einem Erbbaurecht zugunsten des Klägers belastet ist. Der Kaufpreis für das Grundstück "einschließlich Gebäudewertanteil" betrug 830 000 DM. Lt. § 10 des Erbbaurechtsvertrags hat der Erbbauberechtigte bei Ablauf des Erbbaurechts keinen Anspruch auf Entschädigung. Nach § 4 des Vertrages werden die auf dem Grundstück befindlichen Gebäude zu Wohn- und Gewerbezwecken genutzt.
Die Klägerin erklärte für die Streitjahre 1987, 1988 und 1990 Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Gestalt des Erbbauzinses für dieses Grundstück. Im Rahmen der Werbungskosten machte sie Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 13 862 DM geltend, das sind 2,5 v.H. des von ihr ermittelten Gebäudewertanteils an dem Kaufpreis in Höhe von 554 469 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) berücksichtige keine AfA. Der Erbbauzins entgelte ausschließlich die Duldung der Nutzung des Grund und Bodens durch den Erbbauberechtigten, nicht aber die Nutzung der auf dem Grundstück stehenden Gebäude.
Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Kläger Klage mit der sie geltend machen, der Erbbauzins entgelte hier auch die Nutzung der bestehenden Aufbauten. Das Recht auf die Vereinnahmung des Erbbauzinses stelle, soweit es auf die aufstehenden Gebäude entfalle, ein Wirtschaftsgut dar, das bis zum Heimfall des Gebäudes wie ein immaterielles Wirtschaftsgut abzuschreiben sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet zurück (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 1314). Das Gebäude werde von der Klägerin nicht zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzt; es sei Bestandteil des Erbbaurechts geworden und gehöre dem Erbbauberechtigten (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 19. Januar 1982 VIII R 102/78, BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533). Die Klägerin könne auch keine Abschreibungen auf ein immaterielles Wirtschaftsgut "Erbbaurecht" machen, denn sie habe den Wertverzehr des Gebäudes bis zu dessen Heimfall nicht zu tragen.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Klägerin habe eigene Aufwendungen für die Anschaffung des Gebäudes getragen und damit zivilrechtlich das Recht auf Erbbauzins und Heimfall des Gebäudes erworben. Dieses Recht sei gleich dem Gebäude der Abschreibung zugänglich (Hinweis auf den Beschluss des Großen Senats vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281, und das BFH-Urteil vom 27. Juni 1978 VIII R 12/72, BFHE 125, 528, BStBl II 1979, 38).
Das FG habe ferner nicht berücksichtigt, dass sich das Gebäude im Jahre 1974, als das Erbbaurecht bestellt worden sei, bereits auf dem Grundstück befunden habe. Eine Nutzung des Grund und Bodens durch eigene Bebauung sei durch die Bestimmungen des Erbbaurechtsvertrages und faktisch aufgrund des bestehenden Denkmalschutzes ausgeschlossen. So ergebe sich aus dem Erbbaurechtsvertrag (§ 3 Abs. 1), dass der Erbbauzins nach dem Ertragswert des Gebäudes und nicht dem des Grund und Bodens bemessen worden sei. Unerheblich sei, ob das Gebäude der Klägerin gehöre.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG vom 17. März 1998 und die Einspruchsentscheidung des FA vom 26. April 1993 aufzuheben und die Einkommensteuer der Jahre 1987, 1988 und 1990 unter Berücksichtigung eines jährlichen Abschreibungsbetrages von 15 206 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung AfA nicht zum Abzug zugelassen (§§ 21 Abs. 1, 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―).
1. Die Klägerin erzielte in den Streitjahren als erbbauverpflichtete Grundstückseigentümerin durch den Zufluss des Erbbauzinses (§ 9 Abs. 1 der Verordnung über das Erbbaurecht vom 15. Januar 1919 ―ErbbauV―, § 11 Abs. 1 EStG) Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§§ 8 Abs. 1, 21 Abs. 1 EStG; BFH-Urteile vom 11. Oktober 1963 VI 251/62 U, BFHE 77, 665, BStBl III 1963, 564, vom 19. Januar 1982 VIII R 102/78, BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533). Zu AfA ist die Klägerin berechtigt, wenn sie ein abnutzbares Wirtschaftsgut zur Erzielung von Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nutzt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG). Das ist hier nicht der Fall; die Klägerin ist weder zu AfA auf die auf dem Grundstück befindlichen Gebäude noch auf ein "Recht auf Erbbauzins" berechtigt.
a) Die Klägerin hat durch den Kaufvertrag vom 17. Mai 1985 ein bebautes Grundstück erworben, das mit einem Erbbaurecht belastet war. Soweit der Kaufpreis auf den Grund und Boden entfällt, kann die Klägerin AfA nicht in Anspruch nehmen, weil es sich beim Grund und Boden nicht um ein abnutzbares Wirtschaftsgut i.S. des § 7 Abs. 1 EStG handelt. Soweit der Kaufpreis auf vorhandene Gebäude entfällt ("Gebäudewertanteil"), kann sie AfA nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Gebäude ―als wesentliche Bestandteile des Erbbaurechts (§ 12 ErbbauV)― dem Erbbauberechtigten nicht zur Nutzung überlassen, d.h. daraus keine Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 EStG) erzielt hat. Im Kaufvertrag mit der Stadt X sind keine Vereinbarungen getroffen worden, aus denen sich etwas Gegenteiliges ergibt. Es wird darin vielmehr auf die Vereinbarung der Stadt X mit dem Kläger über die Bestellung des Erbbaurechts vom 8. April 1974 Bezug genommen (s. dort Vorbemerkung, § 3 Nr. 4, § 10). Die Klägerin ist danach als neue Eigentümerin des belasteten Grundstücks in das bisher zwischen der Stadt X und dem Kläger bestehende Erbbaurechtsverhältnis eingetreten. Zusätzliche oder abweichende Vereinbarungen sind nach den Feststellungen des FG (§ 118 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) zwischen der Klägerin und dem Kläger nicht getroffen worden.
Nach dem Erbbaurechtsvertrag mit der Stadt X war der Erbbauzins lediglich Entgelt für die Duldung der Nutzung des Grundstücks durch den Erbbauverpflichteten (§ 1 Abs. 1 ErbbauV; BFH-Urteile vom 20. November 1980 IV R 126/78, BFHE 132, 418, BStBl II 1981, 398, und vom 19. Januar 1982 VIII R 102/78, BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533). Er war nicht ―auch nicht teilweise― Entgelt für die Nutzung der auf dem Grundstück bei Bestellung des Erbbaurechts bereits vorhandenen Gebäude, denn diese sind Eigentum des erbbauberechtigten Klägers geworden (§ 12 Abs. 1 Satz 2 ErbbauV; v. Oefele in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 12 ErbbauVO Rdnr. 6, m.w.N.). Das Eigentum umfasst das Recht zur Nutzung (§ 903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
Im Streitfall bemisst sich der Erbbauzins lt. § 3 des Erbbaurechtsvertrags zwar nach dem "Ertragswert des Gebäudes" (4 % von 300 000 DM). Das ist jedoch kein Anzeichen dafür, dass der Erbbauzins hier ―statt oder neben dem Entgelt für den Grund und Boden― ein Entgelt für die Überlassung des Gebäudes sein sollte. Bei der Bemessung des Erbbauzinses kann die Art und Intensität der konkreten Nutzung des Grundstücks (z.B. Wohngebäude, gewerbliche Gebäude) berücksichtigt werden (v. Oefele a.a.O., § 9 ErbbauVO Rdnr. 2.; Götz, Deutsche Notar-Zeitschrift ―DNotZ― 1980, 3, 6; Ingenstau/Hustedt, Kommentar zum Erbbaurecht, 8. Aufl. 2001, § 9 Rn. 15). Unter Berücksichtigung dessen ist der "Ertragswert des Gebäudes" hier lediglich ein Anhaltspunkt für den wirtschaftlichen Wert der Möglichkeit des Erbbauberechtigten, das Grundstück zu nutzen. Anzeichen dafür, dass ―entgegen den Grundsätzen des Erbbaurechts― auch die Nutzung der vorhandenen Aufbauten entgolten werden sollte, enthält der Erbbaurechtsvertrag nicht.
Da der Erbbauzins im Streitfall kein Entgelt für die Überlassung der Gebäude zur Nutzung ist, kann die Klägerin auch keine AfA auf die (anteiligen) Anschaffungskosten der Gebäude in Anspruch nehmen. Es kann daher offen bleiben, in welcher Höhe der Kaufpreis Entgelt für die auf dem Grundstück stehenden Gebäude war.
b) Auch AfA auf ein "Recht auf Erbbauzins" kommen danach nicht in Frage. Der Erbbauzins ist Entgelt für eine laufende Leistung des Grundstückseigentümers (BFH-Urteil in BFHE 132, 418, BStBl II 1981, 398, zu 2. a). Die Klägerin hat von der Stadt X neben dem Grundstück kein selbständiges Recht auf den Ertrag aus dem Grundstück erworben.
c) Zu Unrecht berufen sich die Kläger in diesem Zusammenhang auf die BFH-Entscheidungen in BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281, betr. Drittaufwand, und in BFHE 125, 528, BStBl II 1979, 38, betr. AfA auf das Recht zum Sandabbau. Anders als in den entschiedenen Fällen hat die Klägerin ―soweit die Gebäude betroffen sind― keine Aufwendungen getätigt, um in den Streitjahren Einkünfte zu erzielen. Unerheblich ist, ob sie nach Heimfall der Gebäude im Jahre 2004 daraus Einnahmen erzielen will.
Fundstellen
Haufe-Index 647721 |
BFH/NV 2002, 18 |
HFR 2002, 20 |