Entscheidungsstichwort (Thema)
"Vorab" entstandene Betriebsausgaben; Aufwendungen für einen schwarzen Anzug Betriebsausgaben?; Aufwendungen für ein Meisterstück Werbungskosten?
Leitsatz (NV)
1. Vorab entstandene Aufwendungen zur Vorbereitung einer erst geplanten zukünftigen Einnahmenerzielung können Betriebsausgaben sein, wenn ein klar erkennbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und einer bestimmten Einkunftsart besteht. Die Aussicht, später einmal das Unternehmen des Vaters zu übernehmen, reicht zur Herstellung eines solchen Zusammenhangs nicht aus.
2. Ein Steuerpflichtiger, der nur aushilfsweise als Leichenbestatter tätig wird, kann die Aufwendungen für einen schwarzen Anzug nicht als Betriebsausgaben abziehen.
3. Grundsätzlich sind Aufwendungen, die ein in nichtselbständiger Arbeit tätiger Handwerksgeselle im Zusammenhang mit der Ablegung der Meisterprüfung macht, Werbungskosten. Das gilt auch für Aufwendungen zur Herstellung eines Meisterstücks. Handelt es sich allerdings bei dem Meisterstück um ein marktgängiges abnutzbares Wirtschaftsgut, so ist nur eine zeitanteilige AfA als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7, § 7 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Tischler ausgebildet. Er arbeitete in den Streitjahren 1983 und 1984 im Geschäft seiner Mutter und erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Streitjahr 1984 legte er die Meisterprüfung als Tischler ab. Für die Prüfung hatte er einen . . . schrank als Meisterstück zu fertigen; die Materialkosten hierfür betrugen 3 738 DM.
Der Kläger ist außerdem staatlich geprüfter Bestatter. Neben seiner Tätigkeit im Unternehmen seiner Mutter half er in den Streitjahren auch in dem Schreinerei- und Bestattungsunternehmen seines Vaters aus. Einnahmen aus dieser Tätigkeit hatte er in den Streitjahren nicht.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für die Streitjahre machte der Kläger Aufwendungen für Reisen und Bewirtungen sowie für einen schwarzen Anzug als vorab entstandene Betriebsausgaben geltend; die Aufwendungen stünden im Zusammenhang mit dem väterlichen Bestattungsunternehmen, das er später einmal übernehmen werde. Außerdem zog der Kläger die Materialaufwendungen für das von ihm gefertigte Meisterstück als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Jahres 1984 ab.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den Abzug dieser Aufwendungen im wesentlichen ab.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte nur in geringfügigem Umfang Erfolg.
Mit seiner - vom Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Das FG hat den Abzug der vom Kläger geltend gemachten Reise- und Bewirtungsaufwendungen sowie der Kosten für die Anschaffung eines schwarzen Anzugs als vorab entstandene Betriebsausgaben zu Recht abgelehnt.
a) Einkommensteuerrechtlich beginnt der Gewerbebetrieb einer natürlichen Person zwar nicht erst mit der werbenden Tätigkeit (wie z. B. nach Eröffnung des Ladenlokals), sondern bereits mit den ersten Maßnahmen, die der Vorbereitung der späteren werbenden Tätigkeit dienen und mit dieser in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Dezember 1988 III R 116/86, BFHE 156, 312, BStBl II 1989, 380; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 15 Anm. 29, m. w. N.). Demgemäß können auch vorab entstandene Aufwendungen zur Vorbereitung einer erst geplanten zukünftigen Einnahmenerzielung Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) darstellen, wenn ein klar erkennbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und einer bestimmten Einkunftsart besteht (BFH-Urteil vom 14. Juni 1988 VIII R 252/82, BFHE 154, 72, BStBl II 1988, 992; Heinicke, Lexikon des Steuer- und Wirtschaftsrechts - LSW -, Gr. 5, S. 531; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 4 Anm. 92 e). Ihrer Art nach können auch Bewirtungs- und Reisekosten zu den vorab entstandenen Betriebsausgaben gehören.
Im Streitfall bestehen allerdings erhebliche Zweifel, ob die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen in einem hinreichend klaren Zusammenhang mit einer späteren Tätigkeit des Klägers stehen. Die vom Kläger zur Darlegung dieses Zusammenhangs behauptete Aussicht, später einmal das Bestattungsunternehmen seines Vaters zu übernehmen, reicht hierfür allein nicht aus.
Doch bedarf diese Frage keiner näheren Prüfung.
Denn die Abziehbarkeit von Aufwendungen als vorab entstandene Betriebsausgaben hängt in jedem Fall - wie auch bei einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb - davon ab, daß die Aufwendungen ganz überwiegend betrieblich veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Sind sie in nicht unerheblichem Umfang auch als Kosten der privaten Lebensführung anzusehen (§ 12 Nr. 1 EStG), so unterliegen sie nach ständiger Rechtsprechung des BFH (Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) als sog. ,,gemischte Aufwendungen" einem Aufteilungs- und Abzugsverbot.
Nach den tatsächlichen Feststellungen, die das FG zu den vom Kläger aufgewendeten Reise- und Bewirtungskosten getroffen hat, sind diese Kosten als ,,gemischte Aufwendungen" anzusehen. Denn für den Kläger haben bei den Vorgängen, die die Kosten auslösten (Treffen mit anderen Bestattern zur Kontaktpflege), in nicht unerheblichem Umfang auch private Motive eine Rolle gespielt. An diese tatsächliche Würdigung, gegen die der Kläger keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat, ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden.
b) Auch die Aufwendungen für einen schwarzen Anzug sind im Hinblick auf das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG nicht als Betriebsausgaben abziehbar.
Aufwendungen für sog. ,,bürgerliche Kleidung", zu der auch ein schwarzer Anzug gehört, sind grundsätzlich nicht abziehbar (BFH-Urteil vom 4. Dezember 1987 VI R 20/85, BFH/NV 1988, 703, m. w. N.). Die normale bürgerliche Kleidung ist auch dann der privaten Sphäre zuzurechnen, wenn sie überwiegend beruflich getragen wird. Der BFH hat zwar den schwarzen Anzug eines Leichenbestatters als Berufskleidung anerkannt und die Aufwendungen hierfür demgemäß zum Abzug zugelassen (vgl. BFH-Urteile vom 30. September 1970 I R 33/69, BFHE 100, 243, BStBl II 1971, 50, und vom 9. März 1979 VI R 171/77, BFHE 127, 522, BStBl II 1979, 519). Im Streitfall kann jedoch eine nicht nur untergeordnete private Mitbenutzung des schwarzen Anzugs schon deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil der Kläger nicht regelmäßig, sondern nur aushilfsweise als Bestatter tätig war und der Anzug auch für andere - private - Zwecke zur Verfügung stand. An diese tatsächliche Würdigung des Sachverhalts ist der Senat ebenfalls gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.
2. Dagegen kann der Auffassung des FG, die im Streitjahr 1984 gemachten Aufwendungen des Klägers für die Materialbeschaffung zur Herstellung des Meisterstücks seien nicht abziehbar, nicht gefolgt werden.
a) Grundsätzlich sind Aufwendungen, die ein in nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) tätiger Handwerksgeselle im Zusammenhang mit der Ablegung der Meisterprüfung macht, als Werbungkosten (§ 9 EStG) anzusehen.
Im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind Werbungskosten alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind. Eine berufliche Veranlassung ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 7. August 1987 VI R 60/84, BFHE 150, 435, BStBl II 1987, 780 m. w. N.) gegeben, wenn es sich um Aufwendungen zur beruflichen Fortbildung handelt. Die Berufsfortbildungskosten stehen im Gegensatz zu den Berufsausbildungskosten, die der allgemeinen Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) zuzurechnen und deshalb nicht als Werbungkosten abziehbar sind.
Zu den Berufsfortbildungskosten gehören auch Aufwendungen, die ein in nichtselbständiger Arbeit tätiger Handwerksgeselle im Zusammenhang mit der Ablegung der Meisterprüfung macht (BFH-Urteile vom 13. Oktober 1961 VI 118/61 U, BFHE 74, 124, BStBl III 1962, 48; vom 10. Mai 1966 I 290/63, BFHE 86, 297, BStBl III 1966, 490; vom 8. November 1972 VI R 309/70, BFHE 107, 450, BStBl II 1973, 139, und vom 15. Dezember 1989 VI R 44/86, BFHE 160, 145, BStBl 1990, 692.
b) Auch Aufwendungen zur Herstellung eines Meisterstücks können als Werbungskosten abziehbar sein.
Die Aufwendungen erfüllen die allgemeinen begrifflichen Voraussetzungen der Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG (,,Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen") und können deshalb jedenfalls dann in vollem Umfang abgezogen werden, wenn ihr Abzug nicht durch das Gebot einer nur zeitanteiligen Berücksichtigung der Aufwendungen im Wege der Absetzung für Abnutzung - AfA - (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 1 EStG) eingeschränkt ist.
Ein sofortiger Abzug der Aufwendungen ist hiernach möglich, wenn sich die Funktion des Meisterstücks in der Präsentation bei der Meisterprüfung erschöpft und eine anschließende berufliche oder private Nutzung durch den Steuerpflichtigen wegen der Art des Gegenstands erfahrungsgemäß ausscheidet. In diesen Fällen ist kein Wirtschaftsgut entstanden, auf das die Vorschriften über die AfA Anwendung finden.
Handelt es sich dagegen bei dem Meisterstück um ein marktgängiges abnutzbares Wirtschaftsgut, das vom Steuerpflichtigen nach Ablegung der Prüfung im beruflichen oder privaten Bereich erfahrungsgemäß verwendet oder genutzt werden kann, so ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG nur eine zeitanteilige AfA als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.
Die Höhe der AfA richtet sich nach dem BFH-Urteil vom 15. Dezember 1989 VI R 44/86 in einem solchen Fall nach der - die berufliche und private Verwendung umfassenden - Gesamtnutzungsdauer des Wirtschaftsguts. Nach § 7 Abs. 1 EStG bemißt sich die AfA zwar nach der ,,betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer". Diese Vorschrift ist indessen nur bei Gewinneinkünften i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG anwendbar. Bei Überschußeinkünften i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG wird die Vorschrift des § 7 Abs. 1 EStG in der Weise entsprechend angewendet, daß bei einem Wechsel zwischen der Nutzung eines Wirtschaftsguts zur Erzielung von Einkünften i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG einerseits und der Nutzung im privaten Bereich andererseits (wie z. B. bei Nutzung eines Pkw für berufliche und private Zwecke) auf den Gesamtzeitraum abzustellen ist, in dem das Wirtschaftsgut ,,erfahrungsgemäß" in beiden Bereichen vom Steuerpflichtigen verwendet oder genutzt zu werden pflegt. Daher ist dieser Zeitraum und nicht die ,,betriebsgewöhnliche" Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts der AfA nach § 9 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 2 EStG zugrunde zu legen. Dementsprechend ist bei Überschußeinkünften abweichend vom Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht der Zeitraum der Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen ,,zur Erzielung von Einkünften", sondern der der beruflich und privaten Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen maßgebend. Hiervon sind sowohl der IX. Senat des BFH in seinem Urteil vom 14. Februar 1989 IX R 109/84 (BFHE 156, 417, BStBl II 1989, 922) als auch der VI. Senat in seinem Urteil vom 15. Dezember 1989 VI R 44/86 ausgegangen. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an.
Demnach kann der Kläger im Streitfall die Kosten für die Materialien seines Meisterstücks mit der Ablegung der Meisterprüfung nicht in vollem Umfang als Werbungskosten absetzen. Denn der von ihm für die Meisterprüfung angefertigte Schrank stellt ein marktgängiges abnutzbares Wirtschaftsgut dar, das vom Kläger auch noch nach Ablegung der Prüfung im beruflichen oder privaten Bereich verwendet werden konnte und dessen Nutzungsdauer mehr als ein Jahr beträgt. Er kann deshalb die Aufwendungen für die Materialien des Meisterstücks gemäß § 7 Abs. 1 EStG nur zeitanteilig im Wege der AfA als Werbungskosten abziehen.
c) Die Feststellung, von welcher Gesamtnutzungsdauer des Schranks auszugehen ist, obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Bei der Feststellung dieses Zeitraums ist zu beachten, daß die berufliche Nutzung des Schranks mit der Fertigstellung begonnen und nur bis zur Präsentation in der Meisterprüfung fortgedauert hat.
Da das FG keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, die die Bemessung der AfA im Streitjahr erlauben, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 63030 |
BFH/NV 1991, 25 |