Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeverpflichtung nur bei tatsächlichen Aufwendungen Sonderausgabe
Leitsatz (NV)
Die Berücksichtigung der Pflegeverpflichtung als Sonderausgaben kommt allenfalls dann in Betracht, wenn in Erfüllung dieser Verpflichtung Aufwendungen entstanden sind (Anschluß an BFH-Urteil vom 4. April 1989 X R 14/85, BFHE 157, 88, BStBl II 1989, 779, unter 2 a).
Normenkette
EStG §§ 7b, 10, 21 Abs. 2; EStDV § 11d
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute.
Mit notariell beurkundetem Übergabevertrag vom 7. Dezember 1979 ,,verkauften und übertrugen" die Eltern des Klägers diesem ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück. Der Kläger verpflichtete sich zu folgenden Gegenleistungen:
1. Übernahme einer noch mit . . . DM valutierenden Hypothek von nominell . . . DM;
2. Einräumung eines lebenslangen unentgeltlichen Wohnrechts zugunsten der Eltern an der Erdgeschoßwohnung und einer Garage (Wert des Wohnrechts lt. Vertrag jährlich ca. . . . DM);
3. Pflegeverpflichtung zugunsten der Eltern (Wert lt. Vertrag ca. . . . DM jährlich);
4. Barzahlung an die Eltern in Höhe von . . . DM,
5. Rentenzahlungen in Höhe von . . . DM monatlich an die Eltern.
Von der Barleistung in Höhe von . . . DM erhielten die Eltern . . . DM, während je . . . DM unmittelbar den beiden Geschwistern des Klägers zukamen.
In der Einkommensteuererklärung 1980 machte der Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhöhte Absetzungen gemäß § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Werbungskosten geltend. Der Kläger ermittelte die Bemessungsgrundlage mit 80 % von . . . DM. Diese Anschaffungskosten hatte er durch Ansatz seiner Verpflichtungen unter Einbeziehung der kapitalisierten Werte des Wohnrechts, der Pflegeverpflichtung und der Rente sowie von Grundstücksübertragungskosten errechnet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte dem Kläger lediglich die den Rechtsvorgängern zustehenden Absetzungen nach § 7 b EStG für in 1975 fertiggestellte Garagen und nach § 7 Abs. 4 EStG für das übrige Gebäude. Das FA ging von einem unentgeltlichen Erwerb des Klägers aus. Der Einspruch, in dem die Kläger die Anschaffungskosten wegen Erhöhung des Kapitalwerts des Wohnrechts mit . . . DM berechneten, hatte insoweit keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage teilweise stattgegeben. Es führt im wesentlichen aus, obwohl die Grundstücksübertragung der vorweggenommenen Erbregelung gedient habe, sei im Streitfall von einem entgeltlichen Erwerb auszugehen. Die vom Kläger erbrachten Leistungen - außer der Bestellung des Wohnrechts - führten zu Anschaffungskosten. Das FG ermittelte die Anschaffungskosten mit . . DM, die es um den Verkehrswert des Grund und Bodens von . . . DM minderte. Es gewährte dem Kläger erhöhte Absetzungen von . . . DM.
Mit der Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung des § 9 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Rechtsfehlerfrei hat das FG zwar die Übertragung des Grundstücks als teilentgeltliches Rechtsgeschäft beurteilt. Unzutreffend hat es aber die Kapitalwerte der Pflegeverpflichtung und der Rente in das Entgelt einbezogen. Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) bilden bei der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die Abstandszahlung an den Übergeber und die Zahlung von Gleichstellungsgeldern an Angehörige sowie die Übernahme von Verbindlichkeiten Anschaffungskosten. Dagegen führt die Zusage von Versorgungsleistungen und der Vorbehalt eines Nutzungsrechts nicht zu Anschaffungskosten. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Beschluß in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C II 2, 3 und 1.
Auch die der Versorgung des Übergebenden dienende Pflegeverpflichtung rechnet nicht zu den Gegenleistungen für die Übertragung des Vermögens; denn sie ist als typischer Bestandteil eines Leibgedings- oder Altenteilsvertrags einkommensteuerrechtlich aus dem Bereich der Entgeltlichkeit ausgegrenzt (Senatsurteil vom 24. April 1991 XI R 9/84, BFHE 164, 354, BStBl II 1991, 794).
Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze sind dem Kläger in Höhe des Barpreises, der übernommenen Verbindlichkeiten und der Grundstücksübertragungskosten Anschaffungskosten für das Grundstück entstanden. Als Bemessungsgrundlage für die erhöhte Absetzung ist nach § 7 b EStG der auf das Gebäude entfallende Teil der Anschaffungskosten zugrunde zu legen. Diese ergeben sich - abweichend von der Ermittlung durch das FG - durch Aufteilung der Anschaffungskosten des Grundstücks entsprechend dem Verhältnis der Verkehrswerte des Grund und Bodens und Gebäudes (vgl. BFH-Urteil vom 15. Januar 1985 IX R 81/83, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252, mit weiteren Hinweisen). Soweit der Kläger das Grundstück unentgeltlich erworben hat, kommt § 11 d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) zur Anwendung (vgl. zur Aufteilung Senatsurteil vom 24. April 1991 XI R 5/83, BFHE 164, 352, BStBl II 1991, 793).
Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, weil der Senat nicht abschließend entscheiden kann. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um die Anschaffungskosten des Grundstücks auf Grund und Boden und Gebäude aufzuteilen. Darüber hinaus fehlen Feststellungen des FG dazu, in welchem Umfang der Kläger den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwirklicht; denn nur insoweit kann er Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen (vgl. BFH-Urteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390, und vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628, mit weiteren Hinweisen). Hinsichtlich der Erdgeschoßwohnung mit Garage erfüllen nur die Eltern des Klägers auf Grund ihres vorbehaltenen Wohnrechts den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und haben den Nutzungswert gemäß § 21 Abs. 2 EStG zu versteuern.
Bei der erneuten Entscheidung wird das FG - auf der Grundlage des Beschlusses des Großen Senats vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 - auch zu prüfen haben, in welcher Höhe die Rentenzahlungen des Klägers als Sonderausgaben abziehbar sind. Die Berücksichtigung der Pflegeverpflichtung als Sonderausgaben kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Kläger in Erfüllung dieser Verpflichtung Aufwendungen hatte, d. h. wirtschaftlich belastet war (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 1989 X R 14/85, BFHE 157, 88, BStBl II 1989, 779, unter 2 a).
Fundstellen
Haufe-Index 63619 |
BFH/NV 1992, 234 |