Entscheidungsstichwort (Thema)
Grabpflegeverpflichtung gehört nicht zu den Anschaffungskosten
Leitsatz (NV)
Die Grabpflegeverpflichtung ist typischer Bestandteil eines Altenteils- oder Leibgedingsvertrags. Das Leibgedinge gehört kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung einkommensteuerrechtlich zu den wiederkehrenden Bezügen beim Übergeber (§ 22 EStG) bzw. zu den Sonderausgaben beim Übernehmer (§ 10 EStG); der Gesetzgeber hat dadurch die Vermögensübergabe gegen Altenteilsleistungen aus dem Bereich der teilentgeltlichen Rechtsgeschäfte ausgegrenzt (Anschluß an Beschluß des BFH vom 25. April 1990 X R 38/86, BFHE 160, 33, BStBl II 1990, 625, und Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C II 1. Buchst. a und b).
Normenkette
EStG §§ 7b, 10, 22; EStDV § 82a
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie erhielten mit notariell beurkundetem Grundstücksüberlassungsvertrag vom 17. Juli 1979 von der Mutter der Klägerin deren Grundvermögen übertragen, das mit einem Einfamilienhaus bebaut war. Die Kläger gingen für die Überlassung des Grundvermögens folgende Verpflichtungen ein: Übernahme der dinglichen Belastungen einschließlich der zugrunde liegenden persönlichen Schulden; Einräumung eines lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs an dem übertragenen Grundvermögen zugunsten der Übergeberin und ihres Ehemannes als Gesamtberechtigte, Pflege der Übergeberin und ihres Ehemannes in kranken und gesunden Tagen, Einräumung eines dinglich gesicherten Wohnrechts zugunsten eines mit den Eltern zusammenlebenden Bruders der Klägerin, das nach dem Tode des längstlebenden Elternteils beginnen sollte; Abfindungszahlungen an vier weitere Geschwister der Klägerin von jeweils . . . DM; Übernahme der Grabpflege nach dem Tode der Eltern.
Die Kläger bewohnten zusammen mit der Übergeberin und deren Ehemann das Einfamilienhaus. Sie machten in ihrer Einkommensteuererklärung für 1980 erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Jahre 1979 und 1980 von . . . DM geltend. Dabei berechneten sie die Anschaffungskosten wie folgt:
1. Übernommene Belastungen,Valuta ... DM
2. Kapitalwert des Nießbrauchs ... DM
3. Kapitalwert des Wohnrechts ... DM
4. Abfindung der vier weiteren Geschwister ... DM
5. Grabpflegekosten ... DM
6. Nebenkosten des Grundstücksverkehrs ... DM.
Hinzu kamen nachträglich angefallene Herstellungskosten von . . . DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte die geltend gemachten erhöhten Absetzungen nicht als Werbungskosten an. Der Einspruch hatte insoweit Erfolg, als das FA erhöhte Absetzungen nach § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) gewährte.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es sei im Hinblick auf den vorbehaltenen Nießbrauch der Eltern schon fraglich, ob die Kläger den Tatbestand der Einkunftserzielung verwirklicht hätten. Dies könne aber dahinstehen, da ihnen die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG jedenfalls deshalb nicht zuständen, weil sie das Gebäude im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich erworben hätten.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger sinngemäß Verletzung der §§ 21 Abs. 2, 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, 7 b EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG rechtsfehlerhaft ein Anschaffungsgeschäft der Kläger verneint hat. Wie der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden hat, ist die Übertragung eines Grundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen die Zusage von sog. Gleichstellungsgeldern an Angehörige und die Übernahme von Verbindlichkeiten ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. Die zugesagten Leistungen und die übernommenen Verbindlichkeiten führen beim Übernehmer zu Anschaffungskosten. Dagegen stellen vom Vermögensübernehmer zugesagte Versorgungsleistungen weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten dar. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem genannten Beschluß unter C II 1. bis 3. Ebenso erwirbt der Übernehmer das Grundstück insoweit unentgeltlich, als sich der Übertragende an dem Vermögen ein Nutzungsrecht vorbehält. Die Einräumung des Nutzungsrechts stellt keine Gegenleistung des Übernehmers für die Übertragung des Grundstücks dar; sie mindert vielmehr von vornherein das übertragene Vermögen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Wie sich aus Abschn. C II 1. Buchst. c der Gründe des Beschlusses des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 ergibt, wird an dieser Rechtsauffassung festgehalten.
Legt man die vorgenannten Rechtsgrundsätze zugrunde, so sind den Klägern in Höhe der übernommenen Verbindlichkeiten und der Abfindungsleistungen an die Geschwister der Klägerin Anschaffungskosten entstanden. Keine Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks stellen hingegen die Einräumung des Nießbrauchs zugunsten der Eltern der Klägerin und des Wohnrechts zugunsten des Bruders der Klägerin dar. Diese Rechte hat die Übergeberin zurückbehalten (Senatsurteil vom 10. April 1991 XI R 7,8/84, BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791). Ebensowenig führt die Grabpflegeverpflichtung zu Anschaffungskosten. Abgesehen davon, daß es sich dabei um eine aufschiebend bedingte Last handelt, rechnet sie einkommensteuerrechtlich nicht zum Entgelt für die Übertragung des Vermögens. Die Grabpflegeverpflichtung ist typischer Bestandteil eines Altenteils- oder Leibgedingsvertrags i. S. Art. 96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB - (vgl. Lüdtke / Handjery, Deutsche Notar-Zeitschrift - DNotZ - 1985, 332, 348). Das Leibgedinge gehört kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung einkommensteuerrechtlich von alters her zu den wiederkehrenden Bezügen beim Übergeber (§ 22 EStG) bzw. zu den Sonderausgaben beim Übernehmer (§ 10 EStG); der Gesetzgeber hat dadurch die Vermögensübergabe gegen Altenteilsleistungen aus dem Bereich der teilentgeltlichen Rechtsgeschäfte ausgegrenzt (vgl. im einzelnen Beschluß des BFH vom 25. April 1990 X R 38/86, BFHE 160, 33, BStBl II 1990, 625, und Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 unter C II 1. Buchst. a und b).
Der Senat kann nicht entscheiden, ob erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG bei den Einkünften der Kläger als Werbungskosten abzusetzen sind; denn aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG läßt sich nicht beurteilen, ob die Kläger den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwirklicht haben. Dies ist für den Abzug von Werbungskosten erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390); die steuermindernde Berücksichtigung der erhöhten Absetzungen unter dem Gesichtspunkt vorab entstandener Werbungskosten kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 1985 VIII R 71/81, BFHE 144, 376, BStBl II 1986, 327 unter 4 a).
Die Übergeberin hat im Grundstücksüberlassungsvertrag für sich und ihren Ehemann den Nießbrauch am Grundvermögen vorbehalten. Ein Nießbrauch ist steuerrechtlich anzuerkennen, wenn er ernsthaft und bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart ist und tatsächlich ausgeübt wird. Die tatsächliche Ausübung kann darin liegen, daß der Nießbraucher das Grundstück selbst nutzt oder es ganz oder teilweise entgeltlich oder unentgeltlich einem Dritten zur Nutzung überläßt. Dritter in diesem Sinn kann auch der Eigentümer sein (BFH-Urteile in BFHE 144, 376, BStBl 1986, 327 unter 1 c, und vom 25. Oktober 1988 IX R 132/85, BFH/NV 1989, 295). Im Falle der unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung an den Eigentümer - wie sie vorliegend gegeben ist - kann die Ausübung des Nießbrauchs allerdings zweifelhaft sein, wenn dem Nießbrauchsberechtigten keine wesentliche Dispositionsbefugnis hinsichtlich des Grundstücks zusteht, wenn etwa der Eigentümer einseitig Dauer oder Inhalt des Nutzungsrechts bestimmen kann oder ihm das Grundstück unkündbar oder auf Lebenszeit unentgeltlich zur Nutzung überlassen ist (vgl. Urteil in BFHE 144, 376, BStBl II 1986, 327 unter 1 c). Ob dies vorliegend zutrifft, wird das FG festzustellen haben. Sollte die Prüfung ergeben, daß der Nießbrauch steuerrechtlich nicht anzuerkennen ist, so erfüllen die Kläger als selbstnutzende Eigentümer den Tatbestand des § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG. Ihnen steht dann im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte nach § 21 a EStG der Abzug erhöhter Absetzungen nach § 7 b EStG zu.
Für den Fall, daß die tatsächliche Durchführung des Nießbrauchs anzuerkennen ist (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 21. Juli 1988 IX R 86/84, BFHE 154, 108, BStBl II 1988, 938), ist zu prüfen, ob den Klägern ein Nutzungswert nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG zuzurechnen ist. Voraussetzung hierfür ist außer der gesicherten Rechtsposition (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 295 m. w. N.), daß den Klägern eine Wohnung, d. h. ein Raum oder eine Zusammenfassung von Räumen, die die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglicht, zur Nutzung überlassen ist. Dies erscheint zweifelhaft, weil es sich bei dem Haus um ein Einfamilienhaus handelt. Eine Wohnung ist grundsätzlich nur gegeben, wenn eine Küche oder Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und Toilette vorhanden sind. Wird die Mitbenutzung von Räumen gestattet, so wird keine Wohnung überlassen (vgl. BFH-Urteile vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660 unter 2. Buchst. a, vom 7. April 1987 IX R 140/84, BFHE 150, 16, BStBl II 1987, 567, und vom 8. August 1990 IX R 122/86, BFHE 162, 244, BStBl II 1991, 171).
Falls die Kläger den Tatbestand des § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG verwirklichen, können sie bei der Ermittlung ihres Nutzungswerts erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG von dem Rohmietwert absetzen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23. Oktober 1984 IX R 48/80, BFHE 143, 313, BStBl II 1985, 453). Obgleich sie ihre Nutzungsberechtigung von der Vorbehaltsnießbraucherin ableiten, können sie erhöhte Absetzungen geltend machen, da diesen Absetzungen ihre eigenen Aufwendungen für das Grundstück zugrunde liegen (vgl. dazu Urteil in BFHE 144, 376, BStBl II 1985, 327 unter 4 b).
Der Senat weist für den Fall, daß die Kläger eine Wohnung aufgrund gesicherter Rechtsposition nutzen, darauf hin, daß ihnen der Abzug von Werbungskosten einschließlich erhöhter Absetzungen insoweit nicht zusteht, als die Eltern oder die Mutter der Klägerin (vgl. BFH-Urteil in BFHE 154, 108, BStBl II 1988, 938) aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwirklichen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390, und vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628 m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 63587 |
BFH/NV 1992, 295 |