Entscheidungsstichwort (Thema)
Renovierungsaufwendungen nach Auszug des Mieters; geldwerter Vorteil bei nicht handelbaren Optionsrechten
Leitsatz (NV)
- Aufwendungen, die der Steuerpflichtige nach Auszug des Mieters zur Beseitigung von kleineren Schäden und Abnutzungserscheinungen in der Wohnung (Dübel- und Nagellöcher, Bleistiftstriche an den Wänden, kleinere Flecken auf den Teppichböden) mit Rücksicht auf seine künftige Selbstnutzung vornimmt, sind privat veranlasst und daher keine Werbungskosten.
- Ist die Einräumung einer nicht handelbaren Option auf Bezug von Geschäftsanteilen als Entgelt für die individuelle Arbeitskraft zu beurteilen, kann ein als Arbeitslohn zu erfassender geldwerter Vorteil auch mit der im Verzicht auf die Ausübung des Optionsrechts liegenden Konkretisierung zu einem verkehrsfähigen Wirtschaftsgut mit selbständigem Geldeswert zufließen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Geschäftsführer eines Unternehmens in Süddeutschland und unterhält dort eine Wohnung. Seinen Familienwohnsitz hatte er 1990 (Streitjahr) in Norddeutschland. Dort besaß er im selben Ort zusammen mit seiner Ehefrau zwei Wohnhausgrundstücke. Das erst im Juli 1989 erworbene Wohnhaus A-Straße bewohnte er mit seiner Familie; das andere, bereits 1983 angeschaffte Wohnhaus B-Straße war zunächst vermietet. Im Dezember 1989 zog der Mieter aus und hinterließ das Wohnhaus in einem stark renovierungsbedürftigen Zustand. In der Folgezeit stand das Haus B-Straße zunächst leer. In den Monaten Juni und Juli 1990 führte der Kläger darin umfangreiche Renovierungsarbeiten durch, deren Kosten sich auf ca. 31 000 DM beliefen. Im August 1990 zog der Kläger mit seiner Familie in das Haus B-Straße um. Versuche, den ehemaligen Mieter wegen der Kosten zu belangen, schlugen wegen dessen Mittellosigkeit fehl.
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger u.a. die Renovierungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Hauses B-Straße geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) ließ diese Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr unberücksichtigt.
Während des dagegen angestrengten Einspruchsverfahrens erhielt das FA aufgrund einer Kontrollmitteilung Kenntnis von einer im Streitjahr an den Kläger erfolgten Zahlung von 250 000 DM, der folgender Sachverhalt zugrunde lag: Nach § 14 seines Geschäftsführer-Anstellungsvertrags wurden dem Kläger "ab 01.01.1988 17 % des Stammkapitals (Basis ist das Grundkapital) als Geschäftsanteil zur Übernahme angeboten". Tatsächlich kam es am 1. Januar 1988 noch nicht zur Übernahme von Geschäftsanteilen durch den Kläger, weil unterschiedliche Auffassungen über das zu entrichtende Entgelt bestanden. Diese wurden im Streitjahr durch eine gütliche Einigung beigelegt: Danach verzichtete der Kläger auf seine Rechte aus § 14 des Anstellungsvertrages und erhielt von der bis dahin einzigen Gesellschafterin des Unternehmens eine Zahlung von 250 000 DM. Gleichzeitig erwarb er 12,5 % der Geschäftsanteile zum Preis von 150 000 DM.
Das FA beurteilte die Zahlung von 250 000 DM als steuerpflichtiges Arbeitsentgelt des Streitjahres und erließ ―nach entsprechendem Hinweis― eine insoweit verbösernde, im Übrigen bestätigende Einspruchsentscheidung.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 sowie §§ 19, 23 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―).
Der Kläger beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Einkommensteuer 1990 unter Änderung der Einspruchsentscheidung vom 23. September 1996 dahin gehend anderweitig festzusetzen, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in Höhe von 31 000 DM berücksichtigt werden und der Ansatz der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um 250 000 DM vermindert wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, unter Aufhebung des FG-Urteils die Sache an das Niedersächsische FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Zwar hat das FG den Abzug der Renovierungsaufwendungen als Werbungskosten zu Recht versagt (unter 1.); jedoch lässt sich hinsichtlich des dem Kläger zugeflossenen Betrags anhand der vom FG getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob dieser überhaupt (Verjährung) und ggf. inwieweit (Tarif) zu versteuern ist (unter 2.).
1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
Zu Recht hat das FG die geltend gemachten Renovierungsaufwendungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung angesehen (§ 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 EStG)
a) Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind Werbungskosten grundsätzlich alle durch diese Einkunftsart veranlassten Aufwendungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt eine derartige Veranlassung vor, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (z.B. BFH-Urteile vom 20. Dezember 1994 IX R 122/92, BFHE 177, 50, BStBl II 1995, 534; vom 10. Oktober 2000 IX R 15/96, BFHE 193, 318, BStBl II 2001, 787; vom 20. Februar 2001 IX R 49/98, BFH/NV 2001, 1022). Sind demgegenüber die Aufwendungen nicht (fast) ausschließlich durch die Einkünfteerzielung, sondern daneben auch, und zwar nicht unerheblich, durch die private Lebensführung veranlasst (§ 12 Nr. 1 EStG), können sie insgesamt nicht als Werbungskosten abgezogen werden; eine Aufteilung ist grundsätzlich nicht möglich (vgl. BFH-Urteile vom 7. November 1995 IX R 81/93, BFH/NV 1996, 533; vom 29. Juli 1997 IX R 70/95, BFH/NV 1997, 850).
b) Danach ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass Aufwendungen, die der Steuerpflichtige nach Auszug des Mieters für die Renovierung der Wohnung vornimmt, die er alsbald selbst bewohnen will, mit Rücksicht auf diese Nutzung tätigt und diese mithin privat veranlasst sind. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn diese Aufwendungen erforderlich waren, um kleinere Schäden und Abnutzungserscheinungen durch den vorherigen Nutzer der Wohnung zu beseitigen (vgl. BFH in BFH/NV 1996, 533, und BFH/NV 1997, 850). Auch in diesen Fällen werden die Aufwendungen maßgebend mit Rücksicht auf die zukünftige (private) Nutzung des Gebäudes getätigt. Da diese private (Mit-)Veranlassung nicht von untergeordneter Bedeutung ist, kommt eine Berücksichtigung der Aufwendungen als Werbungskosten nicht in Betracht (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 21. Juni 1994 IX R 62/91, BFH/NV 1995, 108).
Das gilt auch dann, wenn vertragsgemäß der Mieter diese Reparaturen sowie allgemein Schönheitsreparaturen hätte durchführen müssen. Denn gerade derartige Aufwendungen werden erfahrungsgemäß mit Rücksicht auf den persönlichen Geschmack und die Qualitätsanforderungen des Steuerpflichtigen gemacht.
c) Zwar hat der BFH von diesem Grundsatz in seiner neuesten Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 11. Juli 2000 IX R 48/96, BFHE 192, 311, BStBl II 2001, 784, unter 2. b) Ausnahmen zugelassen. Danach sind u.a. Aufwendungen zur Beseitigung eines Schadens, der die mit dem gewöhnlichen Gebrauch der Mietsache verbundene Abnutzung (vgl. § 548 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB―) deutlich übersteigt, insbesondere eines mutwillig verursachten Schadens, Werbungskosten. In diesen Fällen tritt die Veranlassung der Aufwendungen durch die vorhergehende Vermietung so offenkundig in den Vordergrund, dass die Mitveranlassung durch die zukünftige private Nutzung von untergeordneter Bedeutung ist.
Nach den tatsächlichen und mit zulässigen Verfahrensrügen insoweit nicht angegriffen und daher den Senat bindenden Feststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) konnte das FG nach Maßgabe des in Bezug genommenen Zustands- und Mängelberichts (Dübel- und Nagellöcher sowie Bleistiftstriche an den Wänden, kleine Flecken auf den Teppichböden) ohne Rechtsverstoß davon ausgehen, dass die Renovierungsaufwendungen u.a. Schäden betrafen, die die mit dem gewöhnlichen Gebrauch der Mietsache verbundene Abnutzung nicht deutlich überstiegen.
2. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Das FG hat die dem Kläger im Streitjahr zugeflossenen 250 000 DM zwar zu Recht als steuerpflichtigen Arbeitslohn angesehen. Indes hat es keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Betrag angesichts der Festsetzungsfristen überhaupt noch der Besteuerung zu unterwerfen ist und ggf. inwieweit für diesen Betrag die Tarifvergünstigung des § 34 EStG zu gewähren ist.
a) Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit alle Bezüge und Vorteile, die "für eine Beschäftigung" gewährt werden, also als Frucht der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber zu betrachten sind. In ständiger Rechtsprechung hat der BFH die Vorschrift dahin ausgelegt, dass Arbeitslohn (§ 2 Abs. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung ―LStDV―) jeder geldwerte Vorteil (§ 8 Abs. 1 EStG) ist, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber oder ein Dritter dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Bar- oder Sachlohn einräumt (vgl. BFH-Urteile vom 5. Juli 1996 VI R 10/96, BFHE 180, 441, BStBl II 1996, 545; vom 26. Mai 1998 VI R 9/96, BFHE 186, 247, BStBl II 1998, 581).
Räumen der Arbeitgeber oder ein Dritter dem Arbeitnehmer ein nicht handelbares Optionsrecht auf Bezug von Geschäftsanteilen ein, fließt ein als Arbeitslohn zu erfassender geldwerter Vorteil unter Beachtung des bei Bar- wie Sachlohn geltenden Realisationsprinzips nicht schon im Zeitpunkt der Einräumung der Option, sondern erst beim verbilligten Erwerb der Geschäftsanteile nach Ausübung der Option zu (dazu im Einzelnen BFH-Urteile vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509, und vom 20. Juni 2001 VI R 105/99, BFHE 195, 395, BStBl II 2001, 689).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG unter Hinweis auf die Regelung im Anstellungsvertrag und den in der Änderungskündigung dieses Vertrages vom Kläger selbst angesprochenen Zusammenhang zwischen seiner Aufbautätigkeit für die Arbeitgeberin und dem Verkehrswert der (zu erwerbenden) Geschäftsanteile die Einräumung der Option als Entgelt für die individuelle Arbeitskraft des Klägers beurteilt. Auch hat das FG ―in Anlehnung an die mit der neueren Rechtsprechung (vgl. vorstehend) insoweit übereinstimmenden älteren BFH-Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 10. März 1972 VI R 278/68, BFHE 105, 348, BStBl II 1972, 596; vom 21. März 1975 VI R 55/73, BFHE 115, 366, BStBl II 1975, 690; vom 26. Juli 1985 VI R 200/81, BFH/NV 1986, 306)― einen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil erst mit der im Verzicht auf die Ausübung des Optionsrechts liegenden Konkretisierung zu einem verkehrsfähigen Wirtschaftsgut mit selbständigem Geldeswert angenommen.
Diese Beurteilung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat in dem Angebot zur Übernahme von Geschäftsanteilen der Arbeitgeberin kein Rechtsverhältnis auf Gesellschaftsebene, also keine Abrede zur Begründung eines Gesellschaftsverhältnisses gesehen. Diese Gesamtwürdigung des FG beruht auf mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen, sie lässt weder einen Verstoß gegen Denkgesetze noch eine Verletzung allgemeiner Erfahrungssätze erkennen. Die Auslegung des FG ist möglich und verstößt insbesondere nicht gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB). An die darin liegenden Tatsachenfeststellungen ist der BFH als Revisionsinstanz daher gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO; BFH-Urteile vom 5. Mai 1999 XI R 6/98, BFHE 188, 415, BStBl II 1999, 735; vom 9. April 1997 I R 52/96, BFH/NV 1997, 808).
Angesichts des vom FG festgestellten Veranlassungszusammenhangs mit den Einkünften aus § 19 EStG kommt ―entgegen der Ansicht der Revision― ein nach § 23 EStG zu behandelnder Vorgang wegen der Subsidiarität dieser Einkunftsart (§ 23 Abs. 3 EStG) nicht in Betracht.
c) Indes hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, ob hinsichtlich des als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu beurteilenden Betrags Festsetzungsverjährung eingetreten ist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung ―AO 1977―). In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass das Bundesministerium der Finanzen sein "zum Umfang der Ablaufhemmung im Rechtsbehelfsverfahren" ergangenes (Nichtanwendungs-)Schreiben vom 25. Juni 1997 (BStBl I 1997, 641) nach erneuter Bestätigung der anderweitigen Rechtsauffassung durch den BFH (Urteil vom 8. Juli 1998 I R 112/97, BFHE 186, 496, BStBl II 1999, 123) mit Schreiben vom 22. Februar 1999 (BStBl I 1999, 268) aufgehoben hat.
Darüber hinaus fehlen nähere Feststellungen dazu, ob es sich bei der infolge des Verzichts auf die Ausübung des Optionsrechts erhaltenen Zahlung um zeitraumbezogene Bezüge für eine mehrjährige Tätigkeit (vgl. § 34 Abs. 3 EStG) oder um eine Entschädigung für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung bzw. einer Anwartschaft auf eine solche (vgl. § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG) gehandelt hat.
3. Die nicht spruchreife Sache geht zurück an das FG zur Nachholung der vorstehend (unter 2. c) aufgezeigten Feststellungen.
Fundstellen
Haufe-Index 737886 |
BFH/NV 2002, 904 |
HFR 2002, 701 |