Leitsatz (amtlich)
Veräußert eine Personenhandelsgesellschaft ein Grundstück gemäß (nicht notariell beurkundeter) Vereinbarung mit einem Gesellschafter an dessen Sohn, so wird dadurch kein Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder § 1 Abs. 2 GrEStG zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter verwirklicht, selbst wenn letzterer das Grundstück zu einem früheren Zeitpunkt in die Gesellschaft "zum Einheitswert eingelegt" hatte und es zum "gleichen Betrag" wieder entnehmen durfte.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und sein Bruder hatten 1955 neben anderem Grundbesitz das ihnen je zur Hälfte gehörende Grundstück in die X-KG "eingebracht". Gemäß § 12 des Gesellschaftsvertrages waren die einbringenden berechtigt, die "zum Einheitswert eingelegten" Grundstücke zum gleichen Betrag wieder zu entnehmen.
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 17. Dezember 1965 erwarb Y, der Sohn des Klägers, von der KG das mit einem Wohnhaus bebaute vorgenannte Grundstück. Der "Kaufpreis" wurde mit ... DM beziffert. Er wurde gestundet, konnte aber jederzeit mit einer Frist von einem Jahr gekündigt werden. Gesichert wurde er durch eine Grundschuld an dem Grundstück. Gemäß § 5 des Vertrages bestellte Y außerdem für seine Eltern, d. h., den Kläger und seine Ehefrau, auf deren Lebenszeit in Form einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ein unentgeltliches Wohnrecht an einer Wohnung des aufstehenden Hauses. Nach § 8 des Vertrages räumte Y der KG ein dingliches Vorkaufsrecht für den ersten Verkaufsfall an dem Grundstück ein.
Y schloß am selben Tage noch zwei weitere privatschriftliche Verträge ab. In dem einen Vertrag verpflichtete er sich bei Vermeidung einer Vertragsstrafe gegenüber seinen Eltern (dem Kläger und dessen Ehefrau), zu deren Lebzeiten das Grundstück ohne ihre Zustimmung weder zu veräußern noch zu belasten und keine Verfügungen zu treffen, die den Interessen der KG zuwiderlaufen. Mit dem anderen Vertrag übertrug er der KG auf die Dauer von zunächst 10 Jahren die Verwaltung des Grundstückes. Der Vertrag verlängerte sich, falls er nicht gekündigt wurde, jeweils um ein Jahr. Die KG sollte eine Vergütung von ... DM jährlich erhalten.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) legte den notariell beurkundeten Vertrag vom 17. Dezember 1965 dahin aus, daß die KG sich zur Übertragung des Grundstückes auf den Kläger verpflichtet oder diesem zumindest die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit daran verschafft habe und der Kläger seinerseits eine Übereignungsverpflichtung gegenüber seinem Sohn eingegangen sei oder zumindest diesem die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit übertragen habe. Der letztgenannte Erwerbsvorgang zwischen dem Kläger und seinem Sohn sei nach § 3 Nr. 6 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steuerfrei. Der erstgenannte Vorgang zwischen der KG und dem Kläger unterliege dagegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder § 1 Abs. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Gegenleistung sei nicht der zwischen der KG und Y vereinbarte "Kaufpreis", sondern die "Minderung der Beteiligungswerte des Gesellschafters" an der KG. Diese Minderung entspreche dem Verkehrswert des Grundstückes, der gemäß einer Schätzung ... DM betrage. Gemäß § 6 Abs. 2 GrEStG sei die Steuer zu ... % nicht zu erheben. Dementsprechend setzte das FA die Steuer fest.
Mit dem Einspruch begehrte der Kläger, die Grunderwerbsteuer nach dem Einheitswert des Grundstückes zu berechnen, weil das Grundstück zu diesem Wert in das Vermögen der KG eingebracht und entsprechend § 12 des Gesellschaftsvertrages auch wieder entnommen worden sei. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage beantragte der Kläger, die Steuer nach der in dem Vertrag vom 17. Dezember 1965 vereinbarten Gegenleistung festzusetzen.
Das Finanzgericht (FG) ermäßigte die Steuer. Besteuerungsmaßstab sei nur der in dem Vertrag vom 17. Dezember 1965 vereinbarte Kaufpreis. Zusätzliche Gesellschaftsrechte, auf welche der Kläger hätte verzichten können, seien ihm beim Einbringen des Grundstückes in die KG nicht eingeräumt worden; das Grundstück sei im Jahre 1955 zum Einheitswert eingebracht und das Kapitalkonto nur um diesen Betrag erhöht worden. Bei Berücksichtigung eines gemäß § 6 Abs. 2 GrEStG steuerfreien Anteils von ... % ergebe sich daher die Steuer von ... DM.
Mit der Revision beantragt das FA, das angefochtene FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung der §§ 10 und 11 GrEStG.
Der Kläger hat keine Revisionserwiderung eingereicht und keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Der festgestellte Sachverhalt läßt - soweit die Steuer zwischen den Beteiligten streitig ist - keinen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder § 1 Abs. 2 GrEStG steuerbaren Vorgang zwischen der KG und dem Kläger erkennen.
Ein privatschriftlicher Vertrag irgendwelcher Art zwischen der KG und dem Kläger über die Übertragung des Grundstückes hätte nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG den Anspruch auf Übereignung des Grundstükkes begründet. Er hätte allenfalls Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG auslösen können (vgl. dazu das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Dezember 1975 II R 35/69, BFHE 118, 367, BStBl II 1976, 465). Aber auch dieser Tatbestand ist nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt, an den das Revisionsgericht mangels einer Verfahrensrüge gebunden ist, nicht erfüllt. § 1 Abs. 2 GrEStG setzt einen "Rechtsvorgang" voraus. Er verlangt also eine Rechtsstellung, die es dem Berechtigten rechtlich oder wirtschaftlich ermöglicht, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (vgl. dazu das BFH-Urteil vom 12. Dezember 1973 II R 29/69, BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251). Irgendwelche Vereinbarungen, die dem Kläger eine solche rechtliche Stellung verschafft hatten und die sich laut Einspruchsentscheidung als "Zwischenerwerb" des Klägers darstellen, sind jedoch aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ersichtlich. Zwar mag es sein, daß die KG im Einverständnis mit dem Kläger oder sogar auf dessen Veranlassung das Grundstück auf Y übertragen hat. Dieser Umstand allein verschaffte dem Kläger jedoch nicht die rechtliche Möglichkeit, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (vgl. dazu das BFH-Urteil vom 6. Mai 1969 II 166/64, BFHE 96, 74, BStBl II 1969, 558, und auch das BFH-Urteil vom 7. Juli 1976 II R 151/67, BFHE 120, 66, BStBl II 1977, 12, betreffend die Veräußerung eines Grundstückes durch den Treuhänder auf Weisung des Treugebers).
Auch die beiden am 17. Dezember 1965 zwischen Y und seinen Eltern bzw. der KG abgeschlossenen privatschriftlichen Verträge erfüllten nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG. Die Verpflichtung gegenüber den Eltern, das Grundstück weder zu veräußern noch zu belasten, ließ diese - und damit den Kläger - nicht an der Substanz des Grundstückes teilnehmen. Die vereinbarte Vertragsstrafe war unabhängig von Wertsteigerungen oder Wertverlusten des Grundstückes, an denen bei einer Substanzbeteiligung die Eltern hätten teilnehmen müssen. Erst recht gab der Verwaltungsvertrag zwischen Y und der KG dem Kläger keine Rechte, welche den Anforderungen des § 1 Abs. 2 GrEStG genügt hätten.
Fundstellen
Haufe-Index 73561 |
BStBl II 1980, 522 |
BFHE 1980, 420 |