Leitsatz (amtlich)

Keine Gesellschaftsteuerpflicht nach § 2 Nr. 6 KVStG 1959, wenn eine ausländische Kapitalgesellschaft ihrer rechtlich unselbständigen inländischen Niederlassung deren Gewinne zur freien Verfügung überläßt.

 

Normenkette

KVStG 1959 § 2 Nr. 6

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine ausländische Kapitalgesellschaft. Das beklagte Finanzamt fordert von ihr gemäß § 2 Nr. 6 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1959 Gesellschaftsteuer, weil ihre inländische Niederlassung den Gewinn der Jahre 1962 bis 1967 nicht an sie abgeführt hat.

Nach erfolglosem Einspruch gegen den Steuerbescheid hat das Finanzgericht diesen aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Finanzamts ist unbegründet.

Die geltend gemachte Steuerforderung läßt sich nicht aus § 2 Nr. 6 KVStG 1959 rechtfertigen.

Die Vorschriften des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1959 erfassen regelmäßig Rechts vorgänge, die sich zwischen zwei oder mehreren Rechtsträgern abspielen. § 2 Nr. 6 KVStG 1959 macht insofern eine Ausnahme, als er Sachverhalte besteuert, die sich innerhalb ein und desselben Rechtsträgers (der ausländischen Kapitalgesellschaft) ereignen. Er beschränkt sich daher zwangsläufig auf wirtschaftliche Vorgänge. Mit dieser Gegenüberstellung sind jedoch gleichzeitig die Grenzen der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" des § 2 Nr. 6 KVStG 1959 abgesteckt. Mit ihr soll nur der Mangel des Fehlens mehrerer Rechtsträger kompensiert werden. Mit anderen Worten: § 2 Nr. 6 KVStG 1959 regelt solche Sachverhalte, die - wenn sie sich unter Beteiligung mehrerer Rechtssubjekte ereignen würden - zumindest nach den allgemeinen Regeln des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1959 als eine Leistung i. S. dieses Gesetzes anzusehen wären. (Ob sie sämtliche Tatbestandsmerkmale der in Betracht kommenden Nummern 2 und 4 des § 2 KVStG 1959 entsprechend erfüllen müßten, kann hier dahingestellt bleiben.) Eine weitergehende Tendenz läßt das Gesetz nicht erkennen. § 2 Nr. 6 KVStG 1959 soll nur verhindern, daß (unselbständige) inländische Niederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften gegenüber inländischen Kapitalgesellschaften steuerrechtliche Vorteile haben (so schon das Urteil des Reichsfinanzhofs vom 14. Oktober 1930 II A 337/30, RFHE 27, 197). Mehr als das, nämlich die Absicht einer steuerrechtlichen Benachteiligung, ist nicht feststellbar.

Unter diesem Blickwinkel betrachtet, führt eine ausländische Kapitalgesellschaft ihrer inländischen Niederlassung kein Anlage- oder Betriebskapital zu, wenn sie den dort erzielten Gewinn nicht abzieht; denn auch eine inländische Kapitalgesellschaft schuldet keine Gesellschaftsteuer, wenn ihr Gewinn einer Rücklage zugewiesen und nicht ausgeschüttet wird. Eine Leistung i. S. des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1959 liegt nur dann vor, wenn der Gesellschaft Kapital von außen zugeführt wird (Urteil vom 10. Mai 1972 II R 17/68, BFHE 105, 519, BStBl II 1972, 629). Deshalb läßt sich die These nicht aufrechterhalten, der in der Niederlassung erzielte Gewinn müsse als solcher der ausländischen Kapitalgesellschaft angesehen werden und diese führe daher der Niederlassung Kapital zu, wenn sie ihr die erzielten Gewinne belasse (so noch die Urteile vom 5. April 1955 II 162/54 S, BFHE 60, 399, 61, 142, BStBl III 1955, 153, 254, und vom 29. Juli 1959 II 48/58 U, BFHE 69, 435, BStBl III 1959, 424). Dies um so mehr, als die Niederlassung ohnehin eine gewisse Selbständigkeit voraussetzt, soll sie nicht zur bloßen Zweigstelle werden. Schon diese Eigenständigkeit bedingt, daß man der Niederlassung den von ihr erzielten Anteil am Gewinn des Gesamtunternehmens zurechnet. Deshalb hatte der Senat auch bereits in seinem Urteil vom 26. Februar 1964 II 289/59 U (BFHE 79, 119, BStBl III 1964, 275) die Auffassung vertreten, der Roherlös aus Geschäften der Niederlassung müsse wirtschaftlich grundsätzlich ihr und nicht der ausländischen Kapitalgesellschaft zugerechnet werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72786

BStBl II 1978, 469

BFHE 1979, 201

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