Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Anwendungsbereich der Übergangsregelung zu § 15 a EStG (§ 52 Abs. 21 EStG 1983)
Leitsatz (NV)
Das Vertrauen der Gründungsgesellschafter in die frühere Rechtslage ist auch dann schutzwürdig, wenn am Stichtag feststeht, daß die bezüglich der künftigen Tätigkeit der Gesellschaft entfalteten Aktivitäten zu einem nicht unerheblichen Kostenaufwand führen werden (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 8. Dezember 1992 VIII R 16/91, BFHE 169, 446).
Normenkette
EStG 1983 §§ 15a, 52 Abs. 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) -- seit 1985 eine OHG -- wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 14. August 1979 als GmbH & Co. KG gegründet. Nach dem Gesellschaftsvertrag hatte die GmbH keine Einlage, der Kommanditist S -- der Beigeladene -- eine Bareinlage zu leisten. Der Kommanditist H sollte sein Einzelunternehmen -- eine Großküche -- in die Gesellschaft einbringen.
Die Gesellschaft wurde zum 28. September 1979 zum Handelsregister angemeldet und am 18. Oktober 1979 eingetragen. Das Einzelunternehmen wurde im September 1980 auf die Klägerin übertragen.
Die Klägerin hatte zur Vorbereitung ihrer eigenen Tätigkeit bereits am 13. August 1979 einen Architekten beauftragt, ein Betriebsgebäude anzumieten, umzubauen und instand zu setzen sowie eine neue Großküche zu planen, einzubauen und einzurichten. Dieser hatte dann sofort mit der Durchführung des Auftrags begonnen. Am 2. Oktober 1979 waren der Mietvertrag abschließend ausgehandelt, Küchengeräte erworben, Preisvergleiche angestellt und von den geplanten Gesamtinvestitionen in Höhe von rd. 700 000 DM Aufträge über 61 000 DM "auf den Weg gebracht". Die Klägerin mußte aufgrund der getroffenen Vereinbarungen mit einem Architektenhonorar von rd. 60 000 DM rechnen.
Die Klägerin machte in der Folgezeit nur Verluste. Die für das Streitjahr 1984 erklärten Verluste erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) jedoch nur teilweise als ausgleichsfähig an. Den übersteigenden Betrag in Höhe von 247 059 DM behandelte er als lediglich verrechenbaren Verlust, den er nach dem Ausscheiden des Kommanditisten H zum 31. Dezember 1983 dem Beigeladenen allein zurechnete und nach § 15 a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gesondert feststellte.
Zur Begründung führte das FA aus, daß die Klägerin nicht mehr unter die Übergangsregelung des § 52 Abs. 20 a EStG 1981 falle. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1993, 443). Es ging aufgrund der verschiedenen Aktivitäten des Architekten und der Verpflichtung des Kommanditisten H zur Übertragung seines Einzelunternehmens einschließlich des vorhandenen Geschäftswerts davon aus, daß die Klägerin am 10. Oktober 1979 bereits einen Betrieb im Sinne der Übergangsregelung des § 52 Abs. 20 a EStG 1981 (§ 52 Abs. 21 EStG 1983) eröffnet habe.
Mit der -- vom FG zugelassenen -- Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§§ 15 a Abs. 4, 52 Abs. 20 a EStG 1981).
Es habe am 10. Oktober 1979 noch keine Gesellschaft mit beschränkt haftenden Gesellschaftern und damit noch keine Gesellschaft i. S. des § 15 a EStG bestanden; die Haftungsbeschränkung trete nach § 176 des Handelsgesetzbuches (HGB) erst mit der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister ein. Jedenfalls aber habe die Gesellschaft am Stichtag noch keinen Betrieb im Sinne der Übergangsregelung zu § 15 a EStG eröffnet. Sie habe bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Aktivitäten entfaltet, die mit einem erheblichen Kostenaufwand verbunden gewesen seien. Es fehle an endgültigen und verbindlichen Vermögensdispositionen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Das FG hat den Bescheid über die Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15 a Abs. 4 EStG 1983 zu Recht aufgehoben. Der dem Beigeladenen für das Streitjahr 1984 zuzurechnende Anteil am Verlust der Klägerin ist ausgleichs- und abzugsfähig. Rechtsgrundlage für den Verlustausgleich bzw. Verlustabzug ist § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG i. V. m. den handelsrechtlichen und gesellschaftsvertraglichen Regelungen über die Verlustverteilung (vgl. dazu Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 10. November 1980 GrS 1/79, BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164).
Dieser Beurteilung steht § 15 a Abs. 1 EStG nicht entgegen. Die Vorschrift läßt zwar für Verluste, die -- wie im Streitfall -- zur Entstehung oder Erhöhung eines negativen Kapitalkontos des Kommanditisten führen, nur eine Verrechnung mit künftigen Gewinnen zu; sie ist aber im Streitjahr noch nicht anzuwenden (§ 52 Abs. 21 EStG). Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 8. Dezember 1992 VIII R 16/91 (BFHE 169, 446) ausgeführt hat, kann die Übergangsregelung nur von Gesellschaften in Anspruch genommen werden, die
-- entweder am Stichtag 10. Oktober 1979 als Gesellschaften mit beschränkt haftenden Gesellschaftern zivilrechtlich bereits bestanden und einen Betrieb eröffnet haben,
-- oder zwar noch nicht bestanden haben, deren Gründung am Stichtag 10. Oktober 1979 aber bereits beabsichtigt war und aus diesem Grund bereits mit nicht unerheblichem Kostenaufwand verbundene Aktivitäten mit Bezug auf die künftige Tätigkeit der Gesellschaft entfaltet worden sind.
Im Streitfall hat die Gesellschaft am 10. Oktober 1979 bereits bestanden; dazu genügt der Abschluß des Gesellschaftsvertrages. Ob sie auch bereits als KG bestanden hat (vgl. dazu Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., S. 254 f.), ist für die Beurteilung des Streitfalls ohne Bedeutung. Wie der Senat in seinem o. g. Urteil ausgeführt hat, reicht es zur Anwendung der Übergangsregelung aus, wenn die Gesellschafter am Stichtag beabsichtigt haben, die steuerrechtlichen Vorteile, die eine Gesellschaft mit beschränkt haftenden Kommanditisten nach der bisherigen Rechtslage geboten hat, in Anspruch zu nehmen. Das Vertrauen der Gesellschafter in diese Rechtslage ist schutzwürdig, wenn mit dem bereits in Gang gesetzten Vorhaben nicht unerhebliche Aufwendungen verbunden waren. Es ist -- entgegen der Ansicht des FA -- nicht erforderlich, daß die Aufwendungen am Stichtag rechtlich bereits voll entstanden sind; es genügt, wenn feststeht, daß solche entstehen werden. Das hat das FG im Hinblick auf die mit der Beauftragung des Architekten und den getroffenen Maßnahmen verbundenen Kosten zutreffend angenommen.
Fundstellen
Haufe-Index 419916 |
BFH/NV 1995, 192 |