Entscheidungsstichwort (Thema)
Kontinuitätsprovision als Entgelt einer steuerfreien Vermittlungsleistung
Leitsatz (NV)
Die Würdigung des FG, dass die Kontinuitätsprovisionen Entgelt für steuerfreie Vermittlungsleistungen der Klägerin sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
UStG 1999 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 8e; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) vermittelte als sogenannte Primärbank den Verkauf von Fondsanteilen der V-GmbH. Seit 1. Juli 2000 vergütete die V-GmbH die an sie von der Klägerin erbrachten Leistungen durch ein zweistufiges Provisionsmodell: Grundlage für die Vergütung der Leistungen der Klägerin war die Broschüre "Das neue Provisionsmodell von … (V-GmbH) …" (Broschüre). Danach bestand die Vermittlungsprovision aus zwei Komponenten: einer "Absatzprovision", die pro Geschäft monatlich abgerechnet wurde, und einer bestandsorientierten "Kontinuitätsprovision", die jährlich vergütet wurde. Für die "Kontinuitätsprovision" wurde der Fondsbestand monatlich unter Berücksichtigung der jeweils aktuellen Rückkaufwerte der Fondsanteile ermittelt; der maßgebliche Bestandswert ergab sich aus dem Durchschnitt der monatlichen Bestandswerte.
Weitergehende Vereinbarungen hinsichtlich der Vergütung durch die Kontinuitätsprovision zwischen der V-GmbH und der Klägerin bestanden nicht.
In der Umsatzsteuererklärung für 2000, der der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) zunächst zustimmte, behandelte die Klägerin auch die Kontinuitätsprovisionen in Höhe von 26 307,80 € als Entgelt für gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. e des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG 1999) steuerfreie Vermittlungsleistungen.
Das FA vertrat dagegen die Auffassung, die Kontinuitätsprovision sei nicht (mehr) Entgelt für eine steuerfreie Vermittlungsleistung, sondern werde für die Bestandspflege bzw. eine "Kundenbindungsleistung" bezahlt und sei deshalb Entgelt für eine --von der Vermittlungsleistung unabhängige-- steuerpflichtige Leistung. Es erfasste deshalb in dem nach § 162 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2000 vom 18. November 2002 zusätzlich steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 26 307,80 DM (netto). Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA einen weiteren nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid vom 21. Januar 2003, in dem es die Kontinuitätsprovisionen in Höhe von 26 307,80 € (brutto) berücksichtigte.
Der Einspruch blieb erfolglos.
Gegenstand des anschließenden Klageverfahrens war der Änderungsbescheid vom 31. August 2004, in dem das FA im Anschluss an eine Außenprüfung zusätzlich Kontinuitätsprovisionen von der in Luxemburg ansässigen V S.A. in Höhe von 6 809,32 DM berücksichtigte, die auf einer inhaltsgleichen Grundlage bezahlt worden waren.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in dem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2005, 905 veröffentlichten Urteil im Wesentlichen aus, die Kontinuitätsprovisionen seien Entgelt für die Vermittlungsleistungen der Klägerin gegenüber der V-GmbH und der V S.A., für die --unabhängig davon, dass die Provisionen der V S.A. ohnehin nach § 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a i.V.m. Abs. 3 UStG 1999 im Inland nicht steuerbar seien-- nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1999 keine Umsatzsteuer anfalle; denn es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung der Kontinuitätsprovision und der Vermittlung. Nach der Broschüre, die Vertragsbestandteil der mündlich bzw. konkludent geschlossenen Vermittlungsverträge sei, bestehe die "Vermittlungsprovision" aus der Absatz- und der Kontinuitätsprovision. Hieraus ergebe sich, dass die Vertragsparteien davon ausgingen, die Kontinuitätsprovisionen seien Entgelt für die Vermittlung. Ferner bestimmten sich die Kontinuitätsprovisionen nach dem vermittelten Fondsbestand. Damit sei die Kontinuitätsprovision ohne die Vermittlung nicht denkbar. Dem stehe nicht entgegen, dass die Kontinuitätsprovision erst nach der Vermittlung anfalle. Bei Erbringung der Leistung müsse das Entgelt noch nicht feststehen; die Kontinuitätsprovision entstehe bereits mit der Vermittlung, nur ihre Höhe werde nachträglich bestimmt. Dies sei unschädlich, wie sich aus § 17 UStG 1999 ergebe.
Die Kontinuitätsprovision sei vergleichbar mit dem Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gemäß § 89b des Handelsgesetzbuches (HGB) nach Beendigung seines Vertragsverhältnisses. Diese Ausgleichszahlungen seien Teil der Gegenleistung für die erbrachten Vermittlungsleistungen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juni 1998 V R 57/97, BFHE 186, 451, BStBl II 1999, 102).
Außerdem bestehe keine über die Vermittlungsleistung hinausgehende Leistungsverpflichtung der Klägerin, an die die Zahlung einer Kontinuitätsprovision gebunden wäre.
Mit der Revision rügt das FA sinngemäß Verletzung des § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Verfahrensmangel sowie Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1999).
Es hält die Auffassung des FG für unzutreffend, dass die Kontinuitätsprovision dem Grunde nach bereits mit der erfolgreichen Vermittlung entstehe. Mit der Vermittlung und dem Anfallen der Absatzprovision sei dieser Leistungsaustausch abgeschlossen.
Zwischen der Klägerin und der V-GmbH/S.A. bestehe neben dem Vermittlungsvertrag ein weiteres Leistungsaustauschverhältnis, dessen Grundlage ein "Beratungsvertrag" sei. Der "Beratungsvertrag" erstrecke sich auf Beratungen solcher Kunden, die bereits Fondsanteile der V-GmbH/S.A. hielten. Die Klägerin erbringe gegenüber der V-GmbH/S.A. die Leistung, jederzeit zu Kundenberatungen zum Nutzen der V-GmbH/S.A. bereit zu sein. Durch den "Beratungsvertrag" werde zudem die "örtliche Repräsentanz" der V-GmbH/S.A. von der Klägerin wahrgenommen, was neben dem steigenden Kurswert ein weiterer wirtschaftlicher Vorteil für die V-GmbH/S.A. sei. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der "Beratungsbereitschaft" der Klägerin und der Kontinuitätsprovision bestehe. Die Beratungsleistung der Klägerin sei weder steuerfrei noch eine unselbstständige (Neben-)Leistung zu deren Vermittlungsleistung. Für die V-GmbH/S.A. sei die Beratungsleistung der Klägerin keine "Nebensache", sondern die im Vergleich zur Vermittlung weitaus wichtigere Leistung.
Ferner seien die Kontinuitätsprovisionen nicht mit dem Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters gemäß § 89b HGB vergleichbar.
Entgegen der Auffassung des FG ergebe sich aus der Broschüre nicht zwingend, dass die Höhe der Kontinuitätsprovisionen vom vermittelten Fondsbestand abhänge, vielmehr werde lediglich auf den Fondsbestand der Primärbank abgestellt. Dem FG hätte sich die Frage aufdrängen müssen, ob die Kontinuitätsprovision im Falle eines Bankwechsels des Kunden an das neue Bankinstitut gezahlt werde. Anhand der Feststellungen des FG könne nicht beurteilt werden, ob die Kontinuitätsprovision nur in den Fällen entstehe, in denen die depotführende Bank zuvor eine Vermittlungsleistung ausgeführt habe. Das FG hätte "weitere Beweise --etwa in Form von Provisionsabrechnungen in ähnlichen Fällen-- erheben müssen".
Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Denn für die Leistungen der Klägerin gegenüber der V-GmbH und der V S.A. fällt keine Steuer an.
1. Die Vermittlungsleistungen der Klägerin gegenüber der V-GmbH und der V S.A. fallen jedenfalls unter die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1999. Ob die Leistungen gegenüber der V S.A. schon nicht steuerbar waren, kann somit dahinstehen.
a) Nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1999 in der im Streitjahr geltenden Fassung waren von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 fallenden Umsätzen steuerfrei die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren.
Unter "Vermittlung" im Sinne der Vorschrift ist (richtlinienkonform) eine Tätigkeit zu verstehen, deren Zweck es ist, alles Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrages hat (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 13. Dezember 2001 C-235/00, CSC Financial Services Ltd., Slg. 2001, I-10237, BFH/NV Beilage 2002, 35 Rz 39). Vermittlungen liegen hier unstreitig vor.
b) Die Vermittlung muss sich auf Geschäfte mit Wertpapieren beziehen. Hierunter sind Umsätze zu verstehen, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 200, 93, BStBl II 2003, 730).
Dies war bei der Vermittlung des Verkaufs von Fondsanteilen der Fall; denn Anteile an Investmentfonds sind Wertpapiere i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1999 (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2001, I-10237, BFH/NV Beilage 2002, 35 Rz 22).
Damit liegen --wie zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist-- die Voraussetzungen des § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG 1999 hinsichtlich der Vermittlungsleistungen vor.
2. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG, dass auch die streitige Kontinuitätsprovision Entgelt für die Vermittlungsleistungen der Klägerin und nicht für eine davon zu trennende, zusätzliche Leistung ist.
Zur Bestimmung des Gegenstands von Leistungsbeziehungen ist grundsätzlich --wie im vorliegenden Fall-- umsatzsteuerrechtlich den zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen zu folgen (z.B. BFH-Urteil vom 16. März 1995 V R 128/92, BFHE 177, 527, BStBl II 1995, 651, unter II.1.). Die Frage, ob hiernach eine weitere Leistungsbeziehung besteht, ist im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das FG.
Das FG hat hierzu ausgeführt: "Eine über die Vermittlungsleistung hinausgehende Leistungsverpflichtung der Klägerin, an die die Zahlung der Kontinuitätsprovision gebunden wäre, existiert nicht. Entsprechende Absprachen, wonach die Klägerin weitere Leistungen neben der Vermittlung zu erbringen hätte, sind nicht ersichtlich und können auch nicht unterstellt werden. Zwar ist es richtig, dass die Kontinuitätsprovision letztlich für den dauerhaften Vermittlungserfolg geleistet wird; einen Rückschluss auf eine dahinterstehende selbständige Leistung der Klägerin lässt dies jedoch nicht zu."
Die Würdigung ist aufgrund der tatsächlichen Feststellungen möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Der Würdigung steht --entgegen der Auffassung des FA-- nicht entgegen, dass die (endgültige) Höhe des Entgelts bei Erbringung der Vermittlungsleistung noch nicht feststeht, weil sie von in der Zukunft liegenden Faktoren, dem stichtagsbezogenen ermittelten Bestand, abhängt (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Juli 1998 Rs. C-172/96, First National Bank of Chicago, Slg. 1998, I-4387, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1998, 863, Umsatzsteuer-Rundschau 1998, 456 Rz 49). Gegebenenfalls sind Änderungen der Bemessungsgrundlage gemäß § 17 UStG 1999 zu erfassen.
Gleiches gilt für die Überlegung des FA, bei der Bemessungsgrundlage für die Kontinuitätsprovision, dem stichtagsbezogen ermittelten "Bestand", sei wegen der Möglichkeit des Bankenwechsels auch denkbar, dass in der Bemessungsgrundlage Fondsanteile enthalten seien, deren Erwerb nicht zuvor von der Klägerin vermittelt worden sei. Weder rechtfertigt dies allein die Annahme einer zusätzlichen Leistung der Klägerin, noch steht dies der Würdigung des FG, die Kontinuitätsprovision stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vermittlungsleistung, entgegen; denn Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Kontinuitätsprovision auch erhielte, wenn sie keinerlei Wertpapiere der V-GmbH vermittelt hätte, ergeben sich nicht aus den Feststellungen des FG, insbesondere auch nicht aus der Broschüre. In diesem Sinn ist erkennbar auch die Würdigung des FG zu verstehen, die Kontinuitätsprovision bestimme sich nach dem vermittelten Bestand; eine Kontinuitätsprovision sei ohne die Vermittlung nicht denkbar.
3. Demgegenüber kann das FA nicht mit seinem Revisionsvorbringen durchdringen, neben der Vermittlungsleistung bestehe ein weiteres Leistungsverhältnis, wonach die Klägerin aufgrund eines Beratungsvertrages jederzeit zu Kundenberatungen zum Nutzen der V-GmbH/S.A. bereit sei. Soweit das FA unzureichende und unzutreffende Feststellung des Sachverhalts durch das FG rügt, handelt es sich nicht um zulässige und begründete Revisionsrügen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO; insoweit entscheidet der Senat gemäß § 126 Abs. 6 Satz 1 FGO ohne weitere Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 1768260 |
BFH/NV 2007, 1546 |
HFR 2007, 878 |
UR 2007, 646 |