Leitsatz (amtlich)
Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wird nicht verletzt, wenn Schulden, die zum Erwerb einer vermögensteuerbefreiten Schachtelbeteiligung an einer französischen Tochtergesellschaft aufgenommen wurden, bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der inländischen Kapitalgesellschaft nicht zum Abzug zugelassen sind.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 59 Nr. 1; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 60 Abs. 1; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62 Abs. 1; DBA FRA 1959 Art. 20 Abs. 4
Tatbestand
Das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) setzte den Einheitswert des gewerblichen Betriebs der Steuerpflichtigen (Klägerin und Revisionsklägerin), einer inländischen GmbH, zum 1. Januar 1962 auf 54 000 DM fest. Es ließ bei der Einheitsbewertung eine 25 %ige Beteiligung der Steuerpflichtigen an einer französischen Kapitalgesellschaft nach § 59 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes in der vor dem Bewertungsgesetz 1965 geltenden Fassung (im folgenden: BewG) in Verbindung mit Art. 20 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuer und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 – deutsch-franz. DBA –, in der BRD in Kraft gesetzt durch das Gesetz vom 14. April 1961 (BGBl II 1961, 397, BStBl I 1961, 342), außer Ansatz. Das FA berücksichtigte nach § 62 Abs. 1 BewG ebenfalls nicht die durch den Erwerb der Beteiligung entstandene Verbindlichkeit von rd. 120 000 DM.
Die Steuerpflichtige ist der Ansicht, der Nichtansatz der Schuld verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Einspruch und Klage der Steuerpflichtigen hatten keinen Erfolg. Das FG führte aus, das FA habe die Schuld nach § 62 Abs. 1 BewG zu Recht nicht erfaßt. Gegen diese Vorschrift beständen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG werde nicht dadurch verletzt, daß sich unterschiedliche steuerliche Auswirkungen ergäben, je nachdem, ob eine steuerbefreite Schachtelbeteiligung mit Eigen- oder mit Fremdkapital erworben werde. Es handele sich um verschiedene Vorgänge, die weder betriebswirtschaftlich noch steuerrechtlich miteinander verglichen werden könnten.
Die Steuerpflichtige begehrt mit der Revision, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Einheitswertbescheid zu berichtigen. Sie rügt unrichtige Anwendung von Bundesrecht. Sie bestreitet nicht, daß § 62 Abs. 1 in Verbindung mit § 59 Nr. 1 BewG und Art. 20 Abs. 4 des deutsch-franz. DBA den Abzug der beim Erwerb der Schachtelbeteiligung eingegangenen Verbindlichkeit ausschließt. Sie hält aber § 62 Abs. 1 BewG für nicht vereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG. Die Anschaffung von steuerbefreiten Wirtschaftsgütern durch Eigenfinanzierung oder Fremdfinanzierung seien miteinander vergleichbare Tatbestände. Für das Unternehmen komme es entscheidend auf das angeschaffte Wirtschaftsgut und dessen Funktion innerhalb des Betriebes an. Die Art der Finanzierung sei oft zufallsbedingt, je nachdem, ob der Betrieb gerade liquide Mittel zur Verfügung habe oder nicht. Es widerspreche einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung, wenn sich der Zufluß steuerlicher Vorteile nach der gewählten Finanzierungsart richte. § 62 Abs. 1 BewG begünstige die Eigenfinanzierung, selbst wenn sie über eine Fremdfinanzierung etwa in der Weise erfolge, daß ein Unternehmer Betriebsmittelkredite aufnehme, um Eigenkapital zur Anschaffung von steuerbegünstigten Wirtschaftsgütern freizusetzen. Die Frage nach der Herkunft der Mittel lasse sich häufig ohnehin nicht eindeutig beantworten. Das BewG versuche, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Betriebes zu ermitteln. Die wirtschaftliche Substanz des Betriebes sei dieselbe, wenn ein Wirtschaftsgut aus eigenen oder fremden Mitteln angeschafft werde. Es finde nur eine Vermögensumschichtung statt. § 62 Abs. 1 BewG habe zur Folge, daß ein wirtschaftlich und liquiditätsmäßig schwächerer und damit weniger leistungsfähiger Betrieb höher besteuert werde als ein leistungsstarker.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Das FA hat die 25 %ige Beteiligung der Steuerpflichtigen an der französischen Kapitalgesellschaft und die zum Erwerb dieser Beteiligung eingegangene Verbindlichkeit zutreffend bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1962 außer Ansatz gelassen. Nach § 59 Nr. 1 BewG gehören zum Betriebsvermögen nicht die Wirtschaftsgüter, die nach den Vorschriften des VStG oder anderer Gesetze von der Vermögensteuer befreit sind. Zu diesen Wirtschaftsgütern sind nach Art. 20 Abs. 4 des deutsch-franz. DBA die Anteile an einer in Frankreich ansässigen Kapitalgesellschaft zu rechnen, die einer Kapitalgesellschaft in der BRD gehören, wenn die deutsche Gesellschaft eine Schachtelbeteiligung von mindestens 25 % des Gesellschaftskapitals der französischen Gesellschaft besitzt. Die zum Erwerb einer solchen Beteiligung aufgenommenen Schulden können nach § 62 Abs. 1 BewG nicht berücksichtigt werden. Denn diese Vorschrift gestattet bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nur den Abzug solcher Schulden, die mit der Gesamtheit des Betriebs oder mit einzelnen bei der Bewertung zu berücksichtigenden Wirtschaftsgütern im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dies wird von der Steuerpflichtigen auch nicht bestritten.
Der Nichtansatz der zum Erwerb der Schachtelbeteiligung aufgenommenen Verbindlichkeit verstößt nach den zutreffenden Ausführungen des FG nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitssatz wird nur verletzt, wenn der Gesetzgeber es versäumt, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so eindeutig sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen (Beschluß des BVerfG 1 BvL 39, 44/56 vom 17. März 1959, BVerfGE 9, 201 [206]). Welche Sachverhaltselemente so wichtig sind, daß ihre Verschiedenheit eine ungleiche Behandlung rechtfertigt, ist grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen (BVerfG-Beschluß 1 BvR 241/56 vom 21. Februar 1957, BVerfGE 6, 273 [280]). Die weitgehende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers endet erst dort, wo ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (BVerfG-Beschluß 2 BvF 1/60 vom 16. Mai 1961, BVerfGE 12, 341 [348]). Nachprüfbar ist mithin nur die äußerste Grenze der gesetzgeberischen Freiheit. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist daher nur dann verletzt, wenn die Unsachlichkeit der getroffenen Regelung evident ist (BVerfG-Beschluß 1 BvR 375/62 vom 1. Juli 1964, BVerfGE 18, 121 [124]).
Die Nichtberücksichtigung der zum Erwerb der Schachtelbeteiligung eingegangenen Verbindlichkeit ist im Streitfall eine Folge der in § 62 Abs. 1 BewG getroffenen Regelung über den Abzug betrieblicher Schulden bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens. Diese Auswirkung ist ebenso wie § 62 Abs. 1 BewG selbst mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens müssen die betrieblichen und außerbetrieblichen Schulden nach überschaubaren Grundsätzen voneinander abgegrenzt werden. Der Gesetzgeber hat die Abgrenzung in § 62 Abs. 1 BewG danach vorgenommen, ob die Schulden mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des gewerblichen Betriebs im Zusammenhang stehen. Diese Regelung ist sachgerecht. Sie bewirkt, daß Schulden nicht berücksichtigt werden können, wenn sie mit Wirtschaftsgütern im Zusammenhang stehen, die nach § 59 Nr. 1 BewG deshalb nicht zum Betriebsvermögen gehören, weil sie auf Grund besonderer Vorschriften von der Vermögensteuer befreit sind. Dieses Ergebnis überschreitet nicht die Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Es liegt sogar nahe, daß Schulden zum Erwerb steuerbefreiter Wirtschaftsgüter ebenso behandelt werden wie Schulden zum Erwerb außerbetrieblicher Vermögenswerte, da die angeschafften Güter in beiden Fällen nicht bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zu erfassen sind. Würde der Gesetzgeber Verbindlichkeiten zum Erwerb steuerbefreiter Wirtschaftsgüter bei der Einheitsbewertung zum Abzug zulassen, so wäre dies eine zusätzliche Steuervergünstigung. Hierfür besteht in der Regel keine Veranlassung. Denn die Gründe, die den Gesetzgeber dazu veranlaßt haben, bestimmte Wirtschaftsgüter von der Vermögensteuer und Gewerbekapitalsteuer zu befreien, rechtfertigen im allgemeinen nicht zugleich auch noch eine steuerliche Bevorzugung des Erwerbs solcher Vermögenswerte durch den Abzug der hierfür aufgenommenen Kredite. Auf Grund derartiger Erwägungen hat der Gesetzgeber bei anderen Gelegenheiten Schulden, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerbefreiten Gütern stehen, ebenfalls nicht zum Abzug zugelassen, wie z. B. in § 74 Abs. 2 BewG bei der Ermittlung des vermögensteuerrechtlichen Gesamtvermögens, in § 24 Abs. 5 Satz 1 ErbStG bei der Berechnung des erbschaftsteuerpflichtigen Erwerbs und in § 2 Abs. 3 10. AbgabenDV-LA bei der Abgrenzung des der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögens.
Es sind keine Gründe ersichtlich, die eine andere rechtliche Beurteilung bei der Aufnahme von Schulden zum Erwerb von wesentlichen Beteiligungen an französischen Kapitalgesellschaften gebieten, die nach Art. 20 Abs. 4 des deutsch-franz. DBA von der Vermögensteuer befreit sind. Die BRD hat die inländischen Kapitalgesellschaften schon im besonderen Maße dadurch begünstigt, daß sie solche Beteiligungen in dem deutschfranz. DBA überhaupt den Schachtelbeteiligungen an inländischen Tochtergesellschaften auf dem Gebiet der Vermögensteuer im wesentlichen gleichgestellt hat. Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften gehören nach § 60 Abs. 1 BewG bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens dann nicht zum Betriebsvermögen einer inländischen Muttergesellschaft, wenn letztere nachweislich seit Beginn des Wirtschaftsjahres, das dem Feststellungszeitpunkt vorangeht, ununterbrochen an dem Grund- oder Stammkapital der Tochtergesellschaft mindestens zu einem Viertel unmittelbar beteiligt ist. Ohne diese Vorschrift würde das in der Schachtelbeteiligung verkörperte Vermögen mindestens dreimal der inländischen Vermögensteuer unterworfen, nämlich einmal in der Hand der Gesellschafter der Obergesellschaft als Aktie oder sonstige Beteiligung, zum anderen beim Betriebsvermögen der Obergesellschaft als Beteiligung an der Untergesellschaft und schließlich beim Betriebsvermögen der Untergesellschaft als deren Reinbetriebsvermögen. § 60 Abs. 1 BewG mindert die Mehrfachbesteuerung durch Beseitigung der Besteuerung der Beteiligung in der Hand der Obergesellschaft. Er läßt jedoch die zweifache Besteuerung bei der Untergesellschaft und bei den Gesellschaftern der Obergesellschaft bewußt bestehen (vgl. auch Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, § 60 BewG, Anm. 2). Schachtelbeteiligungen an französischen Kapitalgesellschaften unterlagen vor Inkrafttreten des deutsch-franz. DBA vom 21. Juli 1959 keiner dreifachen oder noch häufigeren Vermögensbesteuerung, da es in Frankreich keine allgemeine Vermögensteuer gibt (vgl. Abschn. 24 Abs. 8 Buchst. f in Verbindung mit Abs. 4 VStR 1969 und Schriftenreihe Internationale Steuern, herausgegeben von Lehmann im Titz-Verlag, Heft 14: Frankreich S. 80). Art. 20 Abs. 4 des DBA beseitigte gleichwohl auch hier die Vermögensbesteuerung in der Hand der inländischen Obergesellschaft. Für Schachteilbeteiligungen an französischen Untergesellschaften ist somit im Gegensatz zu allen anderen Wirtschaftsgütern inländischer Kapitalgesellschaften nur einmal, und zwar nur für die Aktien oder sonstigen Anteile der Gesellschafter am Betriebsvermögen der Obergesellschaft Vermögensteuer zu entrichten. Der Gesetzgeber hatte keine Veranlassung, den Erwerb von derartigen wesentlichen Beteiligungen mit Kreditmitteln außerdem auch noch dadurch zu begünstigen, daß er die Schulden bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum Abzug zuließ. Die Gründe, die zur Steuerbefreiung der Beteiligungen in der Hand der Obergesellschaften geführt haben, treffen auf solche Schulden nicht zu. Die Berücksichtigung der Verbindlichkeiten würde nicht wie bei der Schachtelbeteiligung eine mehrfache steuerliche Belastung mildern, sondern letztlich nur den Kauf von Beteiligungen an französischen Kapitalgesellschaften durch Aufnahme von Krediten fördern. Zu einer derartigen wirtschaftspolitisch bestimmten Steuerpolitik war jedoch der Gesetzgeber nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht verpflichtet.
Die Steuerpflichtige wird dadurch auch nicht schlechter behandelt als andere Kapitalgesellschaften, die steuerbegünstigte Schachtelbeteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften im Sinne des § 60 Abs. 1 BewG erworben haben, da die hierfür aufgenommenen Schulden ebenfalls nicht bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens berücksichtigt werden (s. Abschn. 26 Abs. 3 VStR 1960). Inländische Kapitalgesellschaften, die solche Vermögenswerte mit eigenen Mitteln angeschafft haben, unterliegen zwar unter Umständen einer geringeren Vermögensteuer und Gewerbekapitalsteuer, weil sich das bei der Einheitsbewertung zu berücksichtigende Betriebsvermögen um die Mittel vermindert hat, die zur Anschaffung der nicht anzusetzenden Beteiligung verwandt wurden. Die Steuerpflichtige ist jedoch nicht mit diesen Kapitalgesellschaften zu vergleichen, weil die Aufnahme eines Kredits und die Verwendung von Eigenkapital zum Erwerb einer steuerbefreiten Schachtelbeteiligung wirtschaftlich verschiedene Vorgänge darstellen. Jedenfalls sind die bei der Besteuerung unter Umständen auftretenden Unterschiede angesichts der wirtschaftlichen Verschiedenheiten nicht als Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG zu werten.
Die Steuerpflichtige kann sich auch nicht darauf berurufen, daß das BewG die inländischen Kapitalgesellschaften besser behandele, die unter Ausnutzung eines allgemeinen Betriebsmittelkredits Schachtelbeteiligungen an französischen Kapitalgesellschaften erwerben, da es sich dabei um einen anderen Sachverhalt handelt. Soweit in solchen Fällen zwischen dem Kauf der Beteiligung und der Aufnahme von Betriebsmittelkrediten ein ursächlicher wirtschaftlicher Zusammenhang der Art besteht, daß der Kauf mittelbar oder unmittelbar erst durch diesen Kredit ermöglicht wurde, neigt der Senat ohnehin zu der Auffassung, den Betriebsmittelkredit in Höhe des Kaufpreises für die Beteiligung nicht zum Abzug zuzulassen. Er braucht zu dieser Frage im Streitfall jedoch nicht abschließend Stellung zu nehmen, da die Schulden hier unstreitig nur zum Zweck des Kaufs der Schachtelbeteiligung aufgenommen wurden. Auf die Schwierigkeiten, die sich im Einzelfall bei Prüfung der Frage ergeben können, zu welchem Zweck ein Kredit gewährt wurde, braucht der Senat nicht einzugehen, weil solche Zweifel im Streitfall nicht aufgetreten sind.
Fundstellen
Haufe-Index 557381 |
BStBl II 1970, 203 |
BFHE 1970, 382 |