Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Vorsteuerabzug eines Miteigentümers
Leitsatz (NV)
Bei der Lieferung eines Gegenstandes an mehrere Erwerber zu Miteigentum kann nur die Gemeinschaft der Miteigentümer die in Rechnung gestellte Steuer abziehen, wenn sie Unternehmerin ist und die übrigen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG erfüllt. Dem einzelnen Gemeinschafter steht der Vorsteuerabzug nicht zu.
Normenkette
UStG 1973 § 15 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als selbständiger . . . tätig. Er und seine Ehefrau, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten, kauften mit notariellen Verträgen vom 25. August 1971 und 28. April 1972 zwei Eigentumswohnungen zum Miteigentum je zur Hälfte. Die beiden Eigentumswohnungen wurden vom Kläger ab Bezugsfertigkeit als . . . und . . . beruflich genutzt und bereits während der Bauzeit entsprechend ausgebaut. Die Verhandlungen über Erwerb, Ausgestaltung und Finanzierung dieser beiden Wohnungen waren ausschließlich Sache des Klägers. Die Ehefrau trat erstmals bei Abgabe der Kaufangebote in Erscheinung. Die Finanzierungsaufwendungen für die beiden Wohnungen wurden vom Kläger getragen. Seine Ehefrau war Hausfrau; sie hatte in den Streitjahren lediglich geringe eigene Einkünfte.
Die beiden Wohnungen wurden vom Verkäufer im August 1972 übergeben. In einer Rechnung vom 14. Mai 1975 ist abweichend von den ursprünglich vereinbarten Kaufpreisen für die Wohnung Nr. . . . ein Nettokaufpreis von . . . DM zuzüglich 11 v. H. Mehrwertsteuer in Höhe von . . . DM und für die Wohnung Nr. . . . ein Nettokaufpreis von . . . DM zuzüglich 11 v. H. Mehrwertsteuer in Höhe von . . . DM ausgewiesen. Die Rechnung ist ausschließlich an den Kläger gerichtet. In der Baugenehmigung vom Mai 1971 ist ebenfalls nur er als Bauwerber genannt. Schließlich nennen auch zwei ,,Bestätigungen" des Veräußerers zur Vorlage beim Finanzamt lediglich den Kläger als Erwerber der Wohnungen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte dem Kläger zunächst den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der Wohnungen, versagte ihn aber nach einer Betriebsprüfung mit Rücksicht auf den Miteigentumsanteil der Ehefrau zur Hälfte und im Einspruchsverfahren ganz (Umsatzsteuerbescheide für 1972 bis 1975 vom 26. Januar 1978 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 12. April 1979). Es ergaben sich folgende Steuerfestsetzungen: . . .
Mit der anschließenden Klage beantragte der Kläger zunächst (Klageschrift vom 17. Mai 1979) die Umsatzsteuer in folgender Höhe festzusetzen: . . .
In der mündlichen Verhandlung stellte der Kläger den Antrag
,,unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide 1972 bis 1975 vom 26. Januar 1978 und der Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuern für die Jahre 1972 bis 1975 in der Höhe festzusetzen, die sich ergibt, wenn die Vorsteuern aus dem Erwerb der beiden Eigentumswohnungen und den bei diesen Wohnungen nachträglich vorgenommenen Einbauten anerkannt werden".
Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 430 veröffentlicht ist, setzte darauf die Umsatzsteuer wie folgt fest: . . .
Es sah die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967/1973) für den Vorsteuerabzug in vollem Umfang als erfüllt an.
Das FA meint, das angefochtene Urteil beruhe insoweit auf einer Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), als es über das ursprüngliche Klagebegehren des Klägers hinausgegangen sei (Hinweis auf die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Januar 1982 VII R 85/77, BFHE 135, 154, BStBl II 1982, 358, und vom 30. April 1986 II R 201/83, BFHE 146, 564, BStBl II 1986, 664).
Im übrigen sei § 15 UStG 1967/73 verletzt. Das FG weiche bewußt von der Rechtsprechung des BFH (Entscheidungen vom 26. Januar 1984 V R 65/76, BFHE 140, 121, BStBl II 1984, 231; vom 13. September 1984 V B 10/84, BFHE 142, 164, BStBl II 1985, 21, und vom 11. Dezember 1986 V R 57/76, BFHE 148, 361, BStBl II 1987, 233) ab.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision für 1972 bis 1974 ist unzulässig.
Bezüglich des Streitjahres 1972 ist das FA durch das Urteil des FG nicht beschwert, da es das FG bei der Steuerfestsetzung des FA belassen hat. Das FA kann nicht mit der Revision eine Herabsetzung der von ihm selbst festgesetzten Steuer verfolgen (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1979 VI R 108/75, BFHE 127, 37, BStBl II 1989, 338 unter I.1.).
Bezüglich der Streitjahre 1973 und 1974 fehlt für die Revision das Rechtsschutzinteresse, da das FA - wie sein Revisionsantrag zeigt - die Steuerfestsetzung des FG nicht beanstandet.
2. Die Revision für 1975 ist begründet.
a) Allerdings steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, daß sie erst nach Ablauf der Klagefrist betragsmäßig erweitert worden ist. Etwas anderes würde nur gelten, wenn der Kläger mit seinem Antrag in der Klageschrift eine Teilbestandskraft des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids für 1975 hätte herbeiführen wollen (vgl. BFH-Beschluß vom 23. Oktober 1989 GrS 2/87, BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327). Hiervon kann nicht ausgegangen werden, da es dem Kläger nicht darauf ankam, ob er den streitigen Vorsteuerabzug im Jahre 1972 oder im Jahre 1975 bekam.
Soweit der BFH in dem vom FA bezeichneten Urteil in BFHE 135, 154, BStBl II 1982, 358 von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist dieses Urteil durch den Beschluß des Großen Senats in BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327 überholt.
b) Das FG hat jedoch zu Unrecht die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG 1973 für den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Eigentumswohnungen bejaht.
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 kann ein Unternehmer die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbetrag abziehen.
Vorsteuerabzugsberechtigt ist demnach nur der Leistungsempfänger (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1980 f.). Dies ist regelmäßig derjenige, der aus dem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis, welches dem Leistungsaustausch zugrunde liegt, berechtigt und verpflichtet ist (BFH-Beschluß in BFHE 142, 164, BStBl II 1985, 21, Urteile in BFHE 140, 121, BStBl II 1984, 231, und vom 29. Januar 1987 V R 7/78, BFH/NV 1987, 404).
aa) Im Streitfall waren der Kläger und seine Ehefrau (gemeinsam) und nicht der Kläger allein Leistungsempfänger. Aufgrund des Kaufvertrags konnten sie die Übereignung der Eigentumswohnungen nur an alle fordern (§ 432 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Sie waren aus dem Kaufvertrag berechtigt und verpflichtet. Die Veräußerung eines Grundstücks an mehrere Erwerber ist zivilrechtlich von der Übertragung von Miteigentumsanteilen an jeweils einen Erwerber zu unterscheiden (vgl. Sigloch in Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuer, 12. Aufl., Vorbemerkungen, Rz. 306). Entsprechend diesen zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen sind auch umsatzsteuerrechtlich die Eheleute und nicht der Kläger allein die Leistungsempfänger. Dabei versteht der Senat die Sachverhaltsfeststellungen des FG dahin, daß es zu der in der Rechnung vom 14. Mai 1975 angekündigten ,,Nachbeurkundung" nicht gekommen ist.
An der Tatsache, daß die Eheleute die Leistungsempfänger der beiden Wohnungen waren, ändert auch nichts der Umstand, daß der Kläger die Verhandlung über den Kauf der Wohnungen geführt hat, daß er als Bauwerber aufgetreten war, daß die Wohnungen für ihn zur beruflichen Nutzung bestimmt waren und er die Wohnungen finanziert hatte. Gleichwohl waren die Wohnungen nicht ihm allein, sondern ihm und seiner Ehefrau gemeinsam verkauft und aufgelassen worden. Er und seine Frau sind demnach die zivilrechtlichen und umsatzsteuerrechtlichen Leistungsempfänger.
Aus der Rechnung vom 14. Mai 1975 ergibt sich ebenfalls nichts anderes. Sie ist erst Jahre nach der Bewirkung des streitigen Umsatzes ausgestellt worden. Sie ist zwar an den Kläger allein gerichtet, enthält aber keine ausdrücklichen Angaben zur Person des Leistungsempfängers. Da sie nur eine Absprechung über die tatsächlich bewirkte Leistung enthält oder enthalten soll, kann sie die Person des Leistungsempfängers auch nicht nachträglich anders bestimmen, als es sich aufgrund der zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen tatsächlich darstellt (vgl. BFH in BFH/NV 1987, 404).
bb) Im Rahmen des § 15 Abs. 1 UStG 1967 ff. hat der Senat ständig zwischen Leistungen an die Gesellschaft und Leistungen an den Gesellschafter unterschieden. Die Gesellschaft kann keinen Vorsteuerbetrag für eine an ihren Gesellschafter erbrachte Leistung abziehen (vgl. die vom Beklagten zitierten BFH-Entscheidungen in BFHE 140, 121, BStBl II 1984, 231, und in BFHE 142, 164, BStBl II 1985, 21 sowie BFH-Urteil vom 3. Mai 1989 V R 185/84, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1990, 17, BFH/NV 1990, 331); dieser ist zum Vorsteuerabzug nur berechtigt, wenn er selbst Unternehmer ist und die übrigen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG 1967 ff. erfüllt (vgl. BFH-Beschluß vom 9. März 1989 V B 48/88, BFHE 156, 535, BStBl II 1989, 580 m. w. N.).
Ähnlich ist auch bei der Bebauung eines einer Gemeinschaft von Miteigentümern gehörenden Grundstücks zwischen den Leistungen an die Gemeinschaft und den Leistungen an den Miteigentümer (Gemeinschafter, Teilhaber) zu unterscheiden. Der Miteigentümer kann - unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG 1967 ff. - die Vorsteuer für die an ihn erbrachten Leistungen abziehen (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1990 V R 92/85, BFHE 162, 493, BStBl II 1991, 35, und speziell für Ehegatten-Grundstücke BFH-Urteile vom 26. Februar 1976 V R 132/73, BFHE 118, 104, BStBl II 1976, 309, und in BFHE 148, 361, BStBl II 1987, 233). Ihm steht aber nicht der Vorsteuerabzug für die an die Gesamtheit der Miteigentümer (die Gemeinschaft) erbrachten Leistungen zu.
Unerheblich ist umsatzsteuerrechtlich, daß die Gemeinschaft - ähnlich wie die Gesellschaft - als solche bürgerlich-rechtlich nicht rechtsfähig ist. Wie auch das FG einräumt, ist die Unterscheidung zwischen Gemeinschaft und Gemeinschafter umsatzsteuerrechtlich jedenfalls dann unausweichlich, wenn beide Unternehmer sind. Für diesen Fall muß auf der Seite des Leistungsempfängers zwischen der Gemeinschaft und dem Gemeinschafter unterschieden werden; es muß festgestellt werden, ob der Gemeinschaft oder dem Gemeinschafter der Vorsteuerabzug aus einer Leistung nach § 15 Abs. 1 UStG 1967 ff. zusteht. Der Vorsteuerabzug kann nicht beiden Unternehmern gleichzeitig zustehen. Die Unterscheidung zwischen der Gemeinschaft und dem Gemeinschafter muß umsatzsteuerrechtlich auch bedeutsam bleiben, wenn die Gemeinschaft Leistungsempfänger ist, aber nur einer der Gemeinschafter allein als Unternehmer auftritt und Leistungen ausführt. Aus der umsatzsteuerrechtlichen Nichtrechtsfähigkeit der Gemeinschaft kann nicht gefolgert werden, daß eine an die Gemeinschaft erbrachte Leistung gegenüber den einzelnen Gemeinschaftern ausgeführt worden ist.
Ob dies auch beim sog. Bauherrenmodell für Leistungen an die Bauherren gilt, die nicht gesamtschuldnerisch den gesamten Werklohn, sondern nur den auf sie entfallenden Teil schulden (vgl. z. B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Juni 1979 VII ZR 187/78, BGHZ 75, 26), ist im Streitfall nicht zu entscheiden. Hier geht es um die Lieferung zweiter Eigentumswohnungen an Eheleute, die den Kaufpreis als Gesamtschuldner schulden (§ 427 BGB).
Bei der Lieferung eines Gegenstandes an mehrere Erwerber zu Miteigentum kann nur die Gemeinschaft der Miteigentümer die in Rechnung gestellte Steuer abziehen, wenn sie Unternehmerin ist und die übrigen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG erfüllt. Dem einzelnen Gemeinschafter steht der Vorsteuerabzug auch dann nicht zu, wenn die Gemeinschaft selbst Nichtunternehmerin ist (vgl. schon BFH in BFH/NV 1987, 404).
Nach diesen Grundsätzen ist bei der Veräußerung eines Grundstücks an mehrere Unternehmer gesichert, daß es der Veräußerer sowohl bei dem Verzicht auf die Steuerfreiheit des Grundstücksumsatzes (§ 9 UStG 1967 ff.) als auch bei der Rechnungsausstellung (§ 14 UStG 1967 ff.) nur mit einem Leistungsempfänger (der Gesamtheit der Erwerber) zu tun hat und nicht konkurrierenden Ansprüchen mehrerer Erwerber ausgesetzt ist.
Da die Wohnungen beiden Eheleuten gemeinsam und nicht dem Kläger allein geliefert wurden, kann der Kläger als Einzelunternehmer keine Vorsteuerbeträge aus dem Erwerb der Wohnungen abziehen.
3. Die Umsatzsteuer für 1975 berechnet sich wie folgt: . . .
Fundstellen
Haufe-Index 418196 |
BFH/NV 1992, 569 |