Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergebliche Veräußerungskosten eines vermieteten Grundstücks keine Werbungskosten - Anforderungen an die Rechtsmittelbelehrung
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen, die durch die geplante Veräußerung eines bisher vermieteten Grundstücks veranlaßt sind, sind auch dann nicht als Werbungskosten abziehbar, wenn das Grundstück tatsächlich nicht veräußert, sondern weiterhin vermietet wird.
Orientierungssatz
1. Eine Rechtsmittelbelehrung ist u.a. dann unrichtig im Sinne des § 55 FGO, wenn sie nicht angibt, welches Rechtsmittel im konkreten Fall zulässig ist. Die Rechtsmittelbelehrung kann zwar auch alternative Ausführungen enthalten. Dann muß sich aber aus dem Zusammenhang mit den Entscheidungsgründen ergeben, welche der Alternativen zutrifft.
2. Als Voraussetzung des § 55 Abs. 2 FGO genügt die abstrakte Möglichkeit, daß durch die unrichtige Rechtsmittelbelehrung ein Irrtum hervorgerufen werden kann (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1; FGO § 55 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind je zur Hälfte Eigentümer eines bebauten Grundstücks, das sie vermietet hatten. Im Streitjahr beschlossen sie, das Grundstück zu verkaufen. In dem notariellen Kaufvertrag verpflichteten sie sich, das Grundstück lastenfrei auf die Käufer zu übertragen; ferner bewilligten und beantragten sie, die im Grundbuch eingetragenen Grundschulden, die mit O DM valutierten, zu löschen. Es entstanden ihnen Löschungskosten von 210,25 DM. Nach einigen Monaten traten die Kläger von dem Kaufvertrag zurück, weil die Käufer den Kaufpreis nicht gezahlt hatten. Anschließend vermieteten sie das Grundstück weiter. In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr machten sie vergeblich die Kosten für die Löschung der Grundschulden als Werbungskosten geltend.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Löschung der Grundschuld sei ohne die für die Einkünfteerzielung erforderliche Finanzierung nicht erforderlich gewesen. Außerdem werde das Grundstück weiterhin zur Vermietung genutzt.
Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Auf die Revision des FA ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist zulässig. Sie ist zwar nicht innerhalb der Monatsfrist des § 120 Abs. 1 FGO, aber in der Jahresfrist des § 55 Abs. 2 FGO eingelegt und begründet worden.
Nach § 55 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 FGO ist die Revision innerhalb eines Jahres zulässig, wenn in der Vorentscheidung eine Rechtsmittelbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Eine Rechtsmittelbelehrung ist u.a. dann unrichtig im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie nicht angibt, welches Rechtsmittel im konkreten Fall zulässig ist (Zwischenurteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Februar 1987 V R 116/86, BFHE 149, 120, BStBl II 1987, 438). Die Rechtsmittelbelehrung kann zwar auch alternative Ausführungen enthalten: Dann muß sich aber aus dem Zusammenhang mit den Entscheidungsgründen ergeben, welche der Alternativen zutrifft (vgl. BFH-Beschluß vom 2. Dezember 1987 V B 105/87, BFH/NV 1988, 787).
Im Streitfall ist die an die Beteiligten zugestellte Ausfertigung der Vorentscheidung mit einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung versehen, die von der dem Original der Entscheidung beigefügten Rechtsmittelbelehrung abweicht. Die dem Original der Vorentscheidung beigefügte Rechtsmittelbelehrung weist darauf hin, daß unmittelbar Revision eingelegt werden könne. Nach der den Urteilsausfertigungen beigefügten Rechtsmittelbelehrung ist die Revision hingegen nicht zugelassen worden, wogegen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden kann. Diese Rechtsmittelbelehrung gibt die verfahrensrechtliche Lage des Streitfalles nicht zutreffend wieder. Daß das FA das richtige Rechtsmittel der Revision eingelegt hat, ist unerheblich. Als Voraussetzung des § 55 Abs. 2 FGO genügt die abstrakte Möglichkeit, daß durch die unrichtige Rechtsmittelbelehrung ein Irrtum hervorgerufen werden kann (BFH in BFHE 149, 120, 121, BStBl II 1987, 438; Zwischenurteil vom 18. Juli 1989 VIII R 30/89, BFHE 158, 107, 109, BStBl II 1989, 1020).
2. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung verletzt § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Das FG hat die strittigen Löschungskosten zu Unrecht als Werbungskosten beurteilt.
a) Zu den gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbaren Werbungskosten zählen nicht solche Aufwendungen, die anläßlich der Veräußerung eines Grundstücks entstehen, das einem Steuerpflichtigen bisher zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gedient hatte. Diese Aufwendungen stehen nicht --wie erforderlich-- in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Nutzung, sondern mit der --grundsätzlich steuerlich unbeachtlichen-- Veräußerung eines Wirtschaftsguts des Privatvermögens (BFH-Urteile vom 23. Januar 1990 IX R 8/85, BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464; vom 20. Februar 1990 IX R 13/87, BFHE 160, 440, BStBl II 1990, 775).
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn Aufwendungen durch eine geplante Veräußerung veranlaßt sind, die Veräußerung aber nicht durchgeführt, sondern die Vermietung fortgesetzt wird. Auch dann sind die Aufwendungen objektiv und subjektiv durch die geplante Veräußerung veranlaßt. Dieser Veranlassungszusammenhang wird nicht aufgehoben, wenn die Veräußerung später tatsächlich nicht durchgeführt wird. Ebenso wie es dem Abzug von Aufwendungen als Werbungskosten nicht entgegensteht, daß es letztlich zum Zufluß von Einnahmen nicht gekommen ist (sog. vergebliche Werbungskosten; vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830 unter C.III.2. a), sind die Kosten für eine ursprünglich geplante Veräußerung nicht deshalb abziehbar, weil das Grundstück tatsächlich nicht veräußert, sondern weiter vermietet wird. In beiden Fallgestaltungen entscheidet die ursprüngliche Zweckbestimmung der Aufwendungen über den maßgeblichen Veranlassungszusammenhang.
b) Nach diesen Maßstäben sind die von den Klägern aufgewendeten Löschungskosten nicht als Werbungskosten abziehbar. Die Kläger hatten sich im Kaufvertrag verpflichtet, das Grundstück lastenfrei auf die Käufer zu übertragen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung und damit zur Durchführung der angestrebten Veräußerung hatten die Kläger die strittigen Löschungskosten zu tragen. Entgegen der Auffassung des FG war die geplante Veräußerung nicht lediglich für den Zeitpunkt der Entstehung der Löschungskosten ausschlaggebend, sondern bildete die Veranlassung für das Entstehen dieser Aufwendungen. Darauf, daß die Finanzierung zuvor der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gedient hat, kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an.
3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 65491 |
BFH/NV 1996, 73 |
BFH/NV 1996, 73 (LT) |
BFHE 179, 386 |
BFHE 1996, 386 |
BB 1996, 522 |
BB 1996, 623 |
BB 1996, 623 (LT) |
DB 1996, 508-509 (LT) |
DStR 1996, 417-418 (KT) |
DStZ 1996, 279 (KT) |
HFR 1996, 247-248 (L) |
StE 1996, 154 (K) |