Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Bundesfinanzhof hält an seiner bisherigen Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs V 80/51 S vom 27. November 1952, Slg. Bd. 57 S. 114, Bundessteuerblatt 1953 III S. 44), wonach bei dem Einbringen von Betriebsvermögen einer Personengesellschaft zur gesamten Hand in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten der Kapitalgesellschaft an die bisherigen Gesamthandseigentümer in jedem Fall zwei Veräußerungen dieses Betriebsvermögens vorliegen, von denen die eine von der abgebenden Gesellschaft an die Gesellschafter Umsatzsteuerpflicht auslöst, die andere von den Gesellschaftern an die Kapitalgesellschaft nach § 4 Ziff. 9 UStG steuerfrei ist, nicht mehr fest.
Der Bundesfinanzhof ist nunmehr der Auffassung, daß sich ein übergang des Vermögens von einer Gesamthandsgemeinschaft auf eine juristische Person auch in anderer Weise vollziehen kann, so daß die Annahme eines doppelten Umsatzes solchenfalls entfällt.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1, § 4 Ziff. 9, § 4/9/a
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist eine Kommanditgesellschaft, deren Betriebsvermögen in eine neu gegründete Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an dieser Kapitalgesellschaft zugunsten der beiden Gesellschafter der Bfin. eingebracht worden ist. Streitig ist, ob damit ein zweimaliger Umsatz vollzogen worden ist, wovon der eine, der in dem Einbringen in die neue Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten besteht, nach § 4 Ziff. 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei wäre, während der andere, der in dem anteiligen Erwerbe nach Bruchteilen des Rechtes am Betriebsvermögen der Bfin. durch deren Gesellschafter bestände, der Umsatzsteuer unterläge. Finanzamt und Finanzgericht haben einen zweimaligen Umsatz bejaht.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) wird unter Berufung auf das Schrifttum (vgl. Steuer und Wirtschaft 1953 Sp. 153 ff., 315 ff., 321 ff., 1954 Sp. 151 ff. und 1956 Sp. 7 ff.) im wesentlichen darauf gestützt, daß handelsrechtlich das im Gesamthandseigentum der Gesellschafter stehende Betriebsvermögen auf Grund des Gesellschafterbeschlusses unmittelbar von der Personengesellschaft auf die Kapitalgesellschaft übergehe. Eine doppelte übereignung finde nicht statt. Die Gesellschafter der Bfin. hätten das ungeteilte Vermögen zugunsten Dritter, nämlich der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft, in diese Kapitalgesellschaft eingebracht. Das Vermögen brauche dazu nicht erst den einzelnen Gesellschaftern der Personengesellschaft zuzufallen. Dies entspreche auch dem Urteil des Reichsgerichts in Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (RGZ) Bd. 74 S. 6. Die Auflösung der Personengesellschaft führe nicht deren Ende und die Aufteilung des Gesamthandseigentums herbei. Mit Hilfe einer zivilrechtlichen Konstruktion von Rechtsvorgängen, die nicht stattgefunden hätten, könne man nicht Umsätze fingieren. Das Gesamthandseigentum sei niemals zerrissen worden. Die Gesellschafter der Personengesellschaft hätten nicht als einzelne, sondern immer nur als Gesamtheit gehandelt. Nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise, die auf einen wirklichen Leistungsaustausch und auf den Willen der Beteiligten über den Leistungsaustausch achten müsse, komme keine Aufteilung des Vermögens in Bruchteilseigentum in Frage, sondern ein direkter übergang des Betriebsvermögens von der Personengesellschaft auf die Kapitalgesellschaft. § 4 Abs. 1 des Gründungsvertrages über die neue Kapitalgesellschaft erweise dies im vorliegenden Falle eindeutig. Der Bfin. könne auch nicht entgegengehalten werden, daß sie zur Vermeidung der Umsatzsteuer eine andere Form für die Umwandlung hätte wählen können. Sonach müsse die Bfin. anläßlich der Umwandlung von der Umsatzsteuer freigestellt werden.
Entscheidungsgründe
Der Rb. ist der Erfolg nicht zu versagen.
Die Rechtsprechung hat bisher den Standpunkt vertreten, daß bei dem Einbringen von Betriebsvermögen einer Personengesellschaft zur gesamten Hand in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten der Kapitalgesellschaft an die bisherigen Gesamthandseigentümer zwei Veräußerungen dieses Betriebsvermögens vorlägen, von denen die eine von der abgebenden Gesellschaft an die Gesellschafter Umsatzsteuerpflicht auslöse, die andere von den Gesellschaftern an die Kapitalgesellschaft nach § 4 Ziff. 9 UStG steuerfrei sei. Dieser Rechtsprechung lag die Erwägung zugrunde, ein Wechsel von Gesamthandseigentum zu Einzeleigentum sei nicht möglich, ohne daß eine Zerreißung des Gesamthandsverhältnisses mit der Folge eintrete, daß auf die bisherigen Gesellschafter der Personengesellschaft anteilsmäßig Rechte am Betriebsvermögen in Form von Bruchteilseigentum übergingen und daß die Gesellschafter diese Rechte gegen Gewährung von Anteilen an der neuen Kapitalgesellschaft in diese Kapitalgesellschaft einbrächten.
An dieser Auffassung wird nicht festgehalten. Der Senat ist vielmehr nach erneuter Prüfung zu der Ansicht gelangt, daß sich ein übergang des Vermögens von einer Gesamthandsgemeinschaft auf eine juristische Person auch in anderer Weise vollziehen kann (vgl. Hueck, Steuer und Wirtschaft 1953 Sp. 315 ff, 318) und daß eine übertragung des Gesellschaftsvermögens auf die einzelnen Gesellschafter oft gerade nicht dem wirklichen Willen der Vertragschließenden entsprechen wird. Bei einer auch der wirtschaftlichen Bedeutung des Vorgangs gerecht werdenden Auslegung des Vertrages erscheint für den Streitfall die Annahme geboten, daß die Gesellschafter der OHG eine GmbH in der Weise gründen wollten, daß die OHG als solche ihr Vermögen auf die neue GmbH überträgt, die dann ihrerseits den Gesellschaftern die Gesellschaftsanteile zuerkennt.
Nach den neueren Erkenntnissen des Handelsrechts sind vielfach Umwandlungen in einer Form, bei welcher das Gesellschaftsvermögen unmittelbar auf die neue Kapitalgesellschaft übergeht, zulässig und gebräuchlich. Aus der Entscheidung des Reichsgerichts vom 26. April 1910 (RGZ Bd. 74 S. 6) kann zumindest Gegenteiliges nicht geschlossen werden, weil dort als Gegenstand des Einbringens das gesamte Vermögen einer OHG bezeichnet wird. Die im Urteil des Bundesfinanzhofs V 80/51 S vom 27. November 1952 (Slg. Bd. 57 S. 114, Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 III S. 44) angeführten Sätze der erwähnten Reichsgerichtsentscheidung können entgegen der früheren vom Senat vertretenen Auffassung nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch schon das Reichsgericht betont, es werde das OHG-Vermögen gemeinschaftlich in die GmbH eingebracht.
Umsatzsteuerrechtlich ist zu beachten, daß bei Umwandlungen von Gesellschaften ein handelsrechtlicher Vorgang zu beurteilen ist, daß aber auch bei einer Beurteilung nach rein umsatzsteuerlicher und damit wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine zweimalige steuerbare übertragung des Gesellschaftsvermögens, zuerst von der OHG auf die Gesellschafter und sodann von diesen auf die übernehmende GmbH nicht unterstellt zu werden braucht; die erste, bisher als steuerpflichtig erachtete übertragung fällt demnach weg, während die Veräußerung des Betriebsvermögens von den Gesellschaftern an die Kapitalgesellschaft nach § 4 Ziff. 9 UStG steuerfrei ist.
Auch wenn man bei einer gemeinschaftlichen Einbringung des Vermögens der OHG einen Vertrag zugunsten Dritter annimmt, so zwingt auch diese zivilrechtliche Konstruktion noch nicht zur Annahme eines besonderen, steuerbaren Leistungsaustausches. Wenn die Gesellschafter, wie für den Streitfall angenommen und wie es in der Regel bei Umwandlungen dieser Art auch sonst der Fall sein wird, die Einbringung des gesamten ungeteilten Vermögens der OHG in die GmbH vereinbaren, so müssen sie auch gleichzeitig die Auflösung der OHG beschließen. Der nun im Schrifttum vielfach angenommene Vertrag zwischen der OHG und der GmbH zugunsten der Gesellschafter der OHG, dem naturgemäß ein Rechtsgrund, ein Valutaverhältnis, zugrunde liegt (vgl. Staudinger, Kommentar zum BGB, 9. Aufl. II. Bd. 1. Teil Vorbem. II vor § 328 BGB S. 540), führt unter umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten jedenfalls nicht zur Annahme eines doppelten Umsatzes; denn dieser Vertrag zugunsten Dritter wird nur in Vollziehung der organschaftlich von den Gesellschaftern beschlossenen Gründung der GmbH und der Einbringung des OHG-Vermögens in diese GmbH geschlossen. Ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch ist aber nur in der übertragung des OHG-Vermögens auf die GmbH gegen die gleichzeitige Ausfolgung der Anteile einer Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter zu sehen, der nach § 4 Ziff. 9 UStG steuerfrei ist. Die Ausfolgung der Anteile als Rechtsgrund für diese Einbringung kann bei der OHG nicht zu einer Steuerpflicht führen.
Diese Auffassung wird durch die überlegung gestützt, daß es wirtschaftlich bei der Umwandlung etwa einer AG in eine GmbH nicht anders liegt. Auch bei einer derartigen Umwandlung muß die GmbH den ehemaligen Aktionären ihre Geschäftsanteile ausfolgen. Gerade die umsatzsteuerliche Selbständigkeit der OHG nötigt dazu, den hier streitigen Vorgang jedenfalls in seiner steuerlichen Auswirkung ähnlich zu beurteilen, wie wenn eine Kapitalgesellschaft sich die Rechtsform einer anderen Kapitalgesellschaft gibt.
Der Senat hält daher nach allem an der bisherigen Rechtsprechung (Urteil des Reichsfinanzhofs V A 728/33 vom 21. Dezember 1934, Reichssteuerblatt 1935 S. 373; Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs II 70/50 S vom 12. Mai 1950, Slg. Bd. 54 S. 481; Urteil des Bundesfinanzhofs V 80/51 S vom 27. November 1952, Slg. Bd. 57 S. 114 BStBl 1953 III S. 44), die in Fällen der vorliegenden Art noch einen weiteren (umsatzsteuerpflichtigen) Leistungsaustausch als vorliegend bejaht hatte, nicht mehr fest.
Ohne daß es noch eines weiteren Eingehens auf das Vorbringen der Bfin. bedarf, ist deren Umsatzsteuerschuld 1949 um 9.813 DM auf 62.986,90 DM zu ermäßigen.
Fundstellen
Haufe-Index 409020 |
BStBl III 1958, 271 |
BFHE 1958, 708 |
BFHE 66, 708 |