Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf der Zustimmung zur Übertragung des Haushaltsfreibetrags
Leitsatz (NV)
Der Widerruf der Zustimmung zur Übertragung des Haushaltsfreibetrags auf den anderen Elternteil muss gegenüber dem Finanzamt erfolgen; der Widerruf allein gegenüber dem anderen Elternteil reicht nicht aus.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 7 Sätze 1, 5, Abs. 6, § 10 Abs. 1 Nr. 1 S. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) lebt gemeinsam mit ihrer Tochter und deren Vater in einer Wohnung. In den Einkommensteuerakten des Vaters befindet sich eine am 13. November 1995 unterschriebene Erklärung, in der die Klägerin in Ausübung ihres Wahlrechts nach § 32 Abs. 7 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für das Jahr 1996 und die Folgejahre ihre Zustimmung erteilte, dass ihre Tochter dem Vater für Zwecke der Inanspruchnahme des Haushaltsfreibetrags zugeordnet werde. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1998 beantragte die Klägerin, ihr den Haushaltsfreibetrag zu gewähren. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) berücksichtigte den Haushaltsfreibetrag nicht. Die Klägerin widerrief ihre Zustimmung zur Übertragung des Kinderfreibetrages mit Schreiben vom 2. Dezember 1999 mit sofortiger Wirkung. Das FA wies den Einspruch mit der Begründung zurück, dass der Widerruf nach § 32 Abs. 7 Satz 5 EStG nur für künftige Kalenderjahre erklärt werden könne.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem Begehren, einen Haushaltsfreibetrag zu berücksichtigen, als unbegründet ab. Es vertrat die Ansicht, nach § 32 Abs. 7 Satz 5 EStG könne die Zustimmung zur Zuordnung des Kindes zum Vater nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden. Der Senat sei davon überzeugt, dass diese Voraussetzung im Streitfall für das Streitjahr 1998 nicht erfüllt sei. Habe eine Mutter der Zuordnung des Kindes zum Vater zugestimmt, bedürfe es einer eindeutigen Mitteilung an das FA, dass die Zustimmung widerrufen werde; diese Mitteilung könne auch nur für das dem Eingang der Mitteilung folgende Kalenderjahr Wirkung entfalten. Bei dem Widerruf handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung, die dem FA zugehen müsse. Insoweit könne nichts anderes als in § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG gelten, wonach der Widerruf ausdrücklich gegenüber dem FA zu erklären sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1699 veröffentlicht.
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision sinngemäß eine Verletzung des § 32 Abs. 7 Satz 5 EStG.
Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 23. Juni 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 2000 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung des Haushaltsfreibetrages festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FA hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass bei der Einkommensteuerveranlagung der Klägerin für das Streitjahr 1998 kein Haushaltsfreibetrag (§ 32 Abs. 7 Satz 1 EStG) zu berücksichtigen ist, weil die Klägerin ihre Zustimmung, ihre Tochter für das Jahr 1996 und die Folgejahre dem Vater zuzuordnen, nicht vor Beginn des Jahres 1998 widerrufen hat.
1. Es ist unstreitig, dass die Klägerin mit dem Vater ihrer Tochter nicht verheiratet ist und ihr für ihre Tochter, die in ihrer Wohnung gemeldet ist, gemäß § 32 Abs. 7 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr 1998 gültigen Fassung ein Haushaltsfreibetrag zusteht. Die Klägerin hat mit ihrer Erklärung vom 13. November 1995 jedoch ihre Zustimmung erteilt, dass ihre Tochter steuerlich dem in der gemeinsamen Wohnung lebenden Vater zugeordnet wird (§ 32 Abs. 7 Satz 2 EStG). An diese Zustimmung ist die Klägerin für das Streitjahr 1998 gebunden, weil diese Zustimmung gemäß § 32 Abs. 7 Satz 5 EStG "nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden" kann. Deshalb hätte der Widerruf vor Beginn des Streitjahres 1998 beim FA vorliegen müssen. Dies war unstreitig nicht der Fall.
2. In § 32 Abs. 7 Satz 5 EStG ist nicht ausdrücklich bestimmt, wem gegenüber die Zustimmung für künftige Kalenderjahre zu widerrufen ist. Es liegt jedoch auf der Hand, dass der Widerruf gegenüber demjenigen vorzunehmen ist, der an die Zustimmung gebunden ist, solange sie nicht widerrufen ist, und der aus der fortdauernden Zustimmmung oder einem fristgemäßen Widerruf die steuerlichen Folgerungen zu ziehen hat. Das ist das zuständige FA. Dieses ist der Adressat der Widerrufserklärung.
a) Die Regelung, dass die Zustimmung nur für künftige Jahre widerrufen werden kann, bezweckt, dass das FA zu Beginn des Kalenderjahres Klarheit über die Zuordnung des Kindes im Vorauszahlungsverfahren (§ 37 Abs. 3 EStG) oder bei der Lohnsteuer (§ 38b Satz 1 Nr. 2 EStG) haben soll. Dieser Zweck wird nur erreicht, wenn der Widerruf dem FA bereits vor Beginn des Kalenderjahres vorliegt. Die Entstehungsgeschichte belegt, dass auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Widerruf in § 32 Abs. 7 Satz 5 EStG ebenso wie in § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG gegenüber dem FA erklärt werden sollte. Satz 5 ist durch das Jahresteuergesetz (JStG) 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049, BStBl I 1996, 1523) eingefügt worden. Nach dem Zweiten Bericht des Finanzausschusses handelt es sich um eine redaktionelle Änderung, weil die bisherige Verweisung wegen Änderung des § 32 Abs. 6 EStG nicht mehr zutreffe und durch eine inhaltliche Aussage in Satz 5 ersetzt werde (BTDrucks 13/5952, S. 47). Nach § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG konnte eine für ein zurückliegendes oder das laufende Kalenderjahr erteilte Zustimmung zur Übertragung des Kinderfreibetrages nicht widerrufen werden. Nach Satz 7 der Vorschrift konnte eine für künftige Kalenderjahre erteilte Zustimmung nur vor Beginn des Kalenderjahres widerrufen werden, für das sie erstmals nicht gelten soll. Diese Regelungen waren durch das Steueränderungsgesetz 1992 (StÄndG 1992) vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) unter ausdrücklicher Anlehnung an § 10 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 3 und 4 EStG eingeführt worden (vgl. BTDrucks 12/1506, S. 172). In § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG ist aber ausdrücklich bestimmt, dass der Widerruf vor Beginn des Kalenderjahres, für das die Zustimmung erstmals nicht gelten solle, gegenüber dem FA zu erklären ist. Nichts anderes kann dann aber für § 32 Abs. 6 und 7 EStG gelten.
b) Zwar hat das FG des Saarlandes für den Haushaltsfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG entschieden, dass das FA die einem Dritten gegenüber ausgesprochene Widerrufserklärung für den dem Erklärungsjahr nachfolgenden Veranlagungszeitraum auch dann zu berücksichtigen habe, wenn der Widerruf dem FA erst nach Ablauf des Erklärungsjahres bekannt werde (Urteil vom 6. Juli 1995 2 K 30/94, EFG 1996, 58). Es hat dabei aber nicht die Entstehungsgeschichte der Vorschrift berücksichtigt und auch ihrem Zweck, dass für das FA bei Beginn des Veranlagungszeitraums die Zuordnung des Kindes feststehen soll, nicht hinreichend Rechnung getragen.
c) Mit der vorliegenden Entscheidung präjudiziert der Senat nicht die Revision über die Entscheidung des FG Köln, dass die Zustimmung zur Übertragung des Kinderfreibetrages nach § 32 Abs. 6 EStG nicht gegenüber dem FA erfolgen müsse und es ausreiche, wenn die Erklärung gegenüber dem anderen Elternteil beispielsweise im Rahmen eines Unterhaltsrechtsstreits erfolge (Urteil vom 22. Februar 2002 10 K 7501/96, EFG 2002, 910; Revision VI R 38/02). Denn daraus, dass eine gegenüber dem anderen Elternteil abgegebene Zustimmungserklärung für das FA bindend wäre, könnte nicht abgeleitet werden, dass eine Widerrufserklärung rechtzeitig i.S. des § 32 Abs. 7 Satz 5 EStG abgegeben worden ist, wenn sie dem FA erst nach Beginn des Kalenderjahres mitgeteilt geworden ist, für das sie gelten soll. Es könnten für die Erteilung einer erstmaligen und nicht fristgebundenen Zustimmung zu einer Regelung, die den anderen Elternteil bei dessen Veranlagung zur Einkommensteuer durch das FA begünstigt, durchaus andere Regeln gelten als für den Widerruf dieser Erklärung, die das FA bindet, solange sie wirksam ist. So ist in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch nur für den Widerruf und nicht auch für die Zustimmung ausdrücklich angeordnet, dass die Erklärung gegenüber dem FA abzugeben ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1178760 |
BFH/NV 2004, 1254 |