Leitsatz (amtlich)
1. Zur Gesamtleistung einer Sterbekasse im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 7 KStG gehören auch Gewinnzuschläge, auf die die Berechtigten einen Rechtsanspruch haben.
2. Für die Beantwortung der Frage, ob mehr als 12 v. H. aller Fälle auf höhere als die in § 10 Abs. 2 KStDV 1964 genannten Höchstbeträge gerichtet sind (vgl. § 10 Abs. 3 KStDV 1964), ist die Zahl derjenigen Mitglieder maßgeblich, die im Veranlagungszeitraum höhere Rechtsansprüche haben.
Normenkette
KStG § 4 Abs. 1 Nr. 7; KStDV 1964 § 10 Abs. 2-3
Tatbestand
Die Steuerpflichtige ist eine betriebliche Sterbekasse in der Rechtsform des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit. Nach dem für das Streitjahr 1964 geltenden Beitrags- und Leistungstarif Nr. 1 der Steuerpflichtigen beträgt das satzungsmäßige Sterbegeld einheitlich 735 DM. Der § 2 Abs. 1 der Satzung räumt den Mitgliedern jedoch die Möglichkeit der Zweitversicherung ein. Von diesem Recht haben mehr als 12 % aller Mitglieder Gebrauch gemacht. Aufgrund eines von der Vertreterversammlung gemäß § 15 Abs. 2 der Satzung beschlossenen und von der Aufsichtsbehörde genehmigten Plans werden in der Zeit vom 1. Januar 1964 bis 30. Juni 1967 zum satzungsmäßigen Sterbegeld je nach Beitragsgruppe Gewinnzuschläge in Höhe von 165 bzw. 265 DM gezahlt. Die Leistungen im Sterbefall betragen danach:
1. in der Einfachversicherung:
Sterbegeld Gewinnzuschlag insgesamt
735 DM 165 DM 900 DM
735 DM 265 DM 1 000 DM
2. in der Zweifachversicherung:
Sterbegeld Gewinnzuschlag insgesamt
1 470 DM 330 DM 1 800 DM
1 470 DM 530 DM 2 000 DM
Nach Ansicht des Revisionsklägers (FA) betrug danach bei mehr als 12 % der Leistungsempfänger das Sterbegeld über 1 500 DM als Gesamtleistung. Das FA hielt deshalb die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 7 KStG in Verbindung mit § 10 Abs. 2 und 3 KStDV für eine Befreiung der Steuerpflichtigen von der Körperschaftsteuer für das Jahr 1964 nicht mehr für gegeben und veranlagte die Steuerpflichtige zur Körperschaftsteuer.
Die Steuerpflichtige ist der Ansicht, daß zur Sterbegeldgesamtleistung im Sinne des § 10 Abs. 2 und 3 KStDV nicht die Gewinnzuschläge zu rechnen seien. Bei diesen Gewinnzuschlägen handele es sich um Beitragsrückerstattungen, um eine Art Überschußverwertung.
Das FG hat der Berufung stattgegeben und die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit für gegeben angesehen. Unter dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 "als Sterbegeld 1 500 DM als Gesamtleistung" sei nicht die Summe aller Bezüge einschließlich der Gewinnzuschläge zu verstehen, die dem Bezugsberechtigten im Falle des Todes des Versicherten aus dem Versicherungsvertrag tatsächlich zugeflossen seien. Der Begriff "Sterbegeld" sei ein versicherungstechnisch feststehender Begriff und auch hier als solcher zu verstehen, denn § 10 Abs. 1 KStDV setze ausdrücklich die Beaufsichtigung der in Betracht kommenden Kassen nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) voraus. Im versicherungstechnischen Sinne gehörten aber die Gewinnzuschläge nicht zu dem Begriff "Sterbegeld", wenn sie auch zusammen mit diesem ausgezahlt würden. Sie seien nicht Teil des satzungsmäßigen Sterbegeldes. Auf das Sterbegeld bestehe bereits nach der Satzung der Sterbekasse ein unbedingter Rechtsanspruch, der auch in seiner Höhe in der Satzung bzw. in dem dazu gehörigen Beitrags- und Leistungstarif festgelegt sei und nur durch entsprechende Satzungsänderung wieder geändert werden könne. Bei dem Gewinnzuschlag, auch wenn er zusammen mit dem Sterbegeld gezahlt worden sei, handele es sich dagegen um eine besondere Art der Überschußverwertung. Aufgrund des § 38 VAG sei in § 15 Abs. 2 der Satzung der Steuerpflichtigen bestimmt, daß die Überschüsse, soweit sie nach Auffüllung der gemäß § 15 Abs. 1 der Satzung zu bildenden Sicherheitsrücklage verbleiben, einer Rückstellung für Überschußbeteiligung zuzuführen sind. Diese Rückstellung sei zur Erhöhung der Leistungen oder zur Ermäßigung der Beiträge oder für beide Zwecke zugleich zu verwerten. Die Steuerpflichtige habe den Weg der Zahlung von Gewinnzuschlägen zu der Leistung des jeweiligen Sterbegeldes gewählt. Durch diese Art der Zahlung zu dem satzungsmäßigen Sterbegeld ändere sich aber der Charakter der Gewinnzuschläge nicht, sie seien wirtschaftlich als Beitragsrückgewähr anzusehen, auf die auch nach der Beschlußfassung der Vertreterversammlung gemäß § 15 Abs. 2 der Satzung im Gegensatz zu dem Sterbegeld noch kein unmittelbarer Rechtsanspruch für jedes Mitglied bestehe. Es handele sich insoweit lediglich um eine allgemeine Zusage für diejenigen, bei denen im Zuteilungszeitraum der Versicherungsfall eintrete, also um einen lediglich bedingten Anspruch.
Auch nach dem Gesetz würden die Gewinnzuschläge als Beitragsrückgewähr angesehen. Nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 KStG seien Beitragsrückerstattungen, die aus dem Lebensversicherungsgeschäft stammen, bei der Ermittlung des Einkommens von Versicherungsunternehmen abzugsfähig. Zu diesen Beitragsrückerstattungen rechneten die Zuführungen zur Rückstellung für Überschußbeteiligung der Mitglieder, auch wenn die Beiträge wie hier zur Erhöhung der Leistungen verwendet werden.
Gegen dieses Urteil hat das FA Revision eingelegt und die Verletzung geltenden Rechts gerügt. Unter "Sterbegeld" werde allgemein alles verstanden, was bei Eintritt des Versicherungsfalles aufgrund des Versicherungsvertrages vom Versicherer gezahlt werde.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
Die Steuerpflichtige beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Die Steuerpflichtige ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 KStG nur dann von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sie für Fälle der Not oder Arbeitslosigkeit bestimmt und u. a. sichergestellt ist, daß sie eine soziale Einrichtung darstellt. Als soziale Einrichtung hat bereits der RFH nur solche Kassen anerkannt, die die Versicherungssumme auf einen geringen Höchstbetrag beschränken (vgl. Urteile I A 865/29 vom 11. Februar 1930, RStBl 1930, 166; I A 225/32 vom 11. Juli 1933, RStBl 1933, 1054). Diese Rechtsprechung findet in § 10 Abs. 2 KStDV 1964 ihren Ausdruck, wonach die Rechtsansprüche der Leistungsempfänger für das Sterbegeld "1 500 DM als Gesamtleistung" nicht übersteigen dürfen. Da im Ergebnis durch die "Gesamtleistung" der Kasse in den Fällen der Zweifachversicherung im Jahre 1964 dieser Höchstbetrag überschritten wird, ist die Voraussetzung des § 10 Abs. 2 KStDV nicht erfüllt. Der Ansicht der Vorinstanz, daß die Gewinnzuschläge nicht zu dem Begriff "Sterbegeld" gehören, obgleich sie zusammen mit diesem ausgezahlt werden, vermag der Senat nicht zu folgen.
Wenn es der Sinn der Vorschrift ist, nur Kassen von der Körperschaftsteuer zu befreien, die eine soziale Einrichtung für Fälle der Not sind, so ist es gerechtfertigt, die Leistung der Kasse der Höhe nach zu beschränken. Die Beschränkung des Sterbegeldes auf 1 500 DM entspricht dieser Anforderung. Dann entspricht es aber auch dem Sinn und dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 KStDV, unter Gesamtleistung alles zu verstehen, was der Leistungsberechtigte bei Eintritt des Versicherungsfalles beanspruchen kann. Nach § 4 der Satzung ist das Sterbegeld in dem jeweils gültigen Beitrags- und Leistungstarif festgelegt. In dem ab 1. Januar 1964 gültigen Beitragsund Leistungstarif sind das satzungsgemäße Sterbegeld für die Erst- und Zweitversicherung mit je 735 DM und die Gewinnzuschläge zum satzungsmäßigen Sterbegeld mit 265 DM bzw. 165 DM ausgewiesen, aus denen sich die "Gesamtleistung" ergibt. Nach der Satzung hat der Berechtigte ab 1. Januar 1964 Anspruch sowohl auf das satzungsmäßige Sterbegeld wie auf den Gewinnzuschlag.
Der Vorinstanz kann nicht darin gefolgt werden, daß es sich bei dem Gewinnzuschlag nur um eine besondere Art der Überschußverwendung handelt, die als Beitragsrückgewähr anzusehen ist. Der von der Vorinstanz angeführte § 6 Abs. 2 Nr. 1 KStG bezieht sich auf Beitragsrückerstattungen, die "auf Grund des Geschäftsergebnisses" gewährt werden und den zahlenden Mitgliedern einen Teil der Beiträge zurückgewähren sollen. Eine solche Beitragsrückerstattung liegt hier aber nicht vor, da nicht die Beitragszahler eine Entlastung von ihrer Beitragspflicht erfahren, sondern die im Versicherungsfall Berechtigten eine höhere Leistung erhalten. Das wird dadurch deutlich, daß bei Mitgliedern, die in jungen Jahren versterben, der satzungsmäßig zu gewährende Gewinnzuschlag höher ist als die Summe der gezahlten Beiträge. § 15 Abs. 2 der Satzung sagt zudem, daß die Rückstellung für Überschußbeteiligung, aus der die Gewinnzuschläge gezahlt werden, zur Erhöhung der Leistungen oder zur Ermäßigung der Beiträge zu verwenden sind. Da sie hier zur Erhöhung der Leistungen verwandt werden, berühren sie die durch § 10 Abs. 2 KStDV gesetzte Höchstgrenze für die "Gesamtleistung", auf die die Berechtigten für die genehmigte Zeit vom 1. Januar 1964 bis 30. Juni 1967 - also auch im Streitjahr 1964 - einen Rechtsanspruch haben. Das Sterbegeld wird darum durch den Gewinnzuschlag erhöht.
Das FG brauchte von seinem Standpunkt aus keine Ausführungen darüber zu machen, ob auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 KStDV erfüllt sind, daß die jeweils erreichten Rechtsansprüche des Leistungsempfängers in nicht mehr als 12 % aller Fälle auf höhere als die in § 10 Abs. 2 KStDV bezeichneten Beträge gerichtet sein dürfen. Aber auch diese Frage ist spruchreif. Der Steuerpflichtigen kann nicht in der Ansicht gefolgt werden, daß es für die Errechnung dieser Toleranzgrenze nur auf den Teil der Versicherten ankommt, die im Zuteilungszeitraum sterben. Maßgeblich ist vielmehr die Zahl derjenigen Mitglieder, deren Rechtsansprüche "auf höhere als die in Abs. 2 bezeichneten Beträge gerichtet" sind. Die die Höchstgrenze überschreitenden Rechtsansprüche haben aber alle Zweifachversicherten, d. h. unbestrittenermaßen mehr als 12 % der Mitglieder.
Das FA hat darum zu Recht die Steuerpflichtige zur Körperschaftsteuer herangezogen.
Fundstellen
Haufe-Index 68895 |
BStBl II 1970, 227 |
BFHE 1970, 518 |