Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Handelsrecht Gesellschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr endigt nicht dadurch, daß die Personengesellschaft in Liquidation tritt.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 5 Ziff. 2; EStDV § 1; HGB § 154
Tatbestand
Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1956, ob der nach der Betriebsaufgabe erzielte Abwicklungsgewinn ein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn (ß 16 Abs. 3, § 34 EStG) ist.
Die beschwerdeführende KG (Bfin.) stellte zum 31. Juli 1956 den Betrieb ihres Unternehmens ein und trat in Liquidation. Es wurde ein Liquidator bestellt und die Liquidation zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Anschließend setzte der Abbruch und Verkauf der einzelnen Anlagegüter ein, der sich bis zum Ende des Jahres 1959 hinzog. Im ersten Halbjahr nach der Betriebsstillegung wurden Wirtschaftsgüter für 44.000 DM veräußert. Die gesamten Erlöse aus der sich über einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren erstreckenden Abwicklung betrugen rund 273.000 DM.
Die Bfin., die ein abweichendes Wirtschaftsjahr hatte (1. Juli bis 30. Juni), berechnete ihren laufenden Gewinn (Verlust) für das Wirtschaftsjahr 1955/56 und für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 31. Juli 1956. Den aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in der Zeit vom 1. August 1956 bis zum 30. Juni 1957 erzielten Gewinn verteilte sie mit 69 v. H. (57.245 DM) auf den Veranlagungszeitraum 1956 und sah in ihm einen Veräußerungsgewinn im Sinn des § 16 EStG.
Das Finanzamt berücksichtigte bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1956 nur den für die Zeit bis zum 31. Juli 1956 erzielten laufenden Gewinn. Den für das folgende Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. August 1956 bis 30. Juni 1957 erklärten Gewinn behandelte es als laufenden Gewinn des Feststellungszeitraums 1957.
Die Berufung der Bfin. blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung aus, daß eine Betriebsaufgabe im Sinn des § 16 Abs. 3 EStG nur vorliege, wenn die bisherigen Anlagewerte, zumindest aber die wesentlichen Grundlagen des Betriebes, in einem einheitlichen Vorgang veräußert oder entnommen würden. Da die Liquidation sich auf einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren erstreckt habe, seien die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 EStG nicht erfüllt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Bfin. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das Finanzamt.
Die bei dem Verkauf von Anlagegegenständen im 2. Halbjahr 1956 erzielten Gewinne dürfen nicht bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1956 berücksichtigt werden, weil diese Gewinnfeststellung nur den anteiligen Gewinn des Wirtschaftsjahres 1955/56 erfaßt und für den Feststellungszeitraum 1956 der nach § 2 Abs. 6 Ziff. 2 EStG 1955 auf das Kalenderjahr 1956 entfallende Teil des Gewinns des Wirtschaftsjahres 1956/57 außer Ansatz bleibt (Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zur änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958 - StändG 1958 -, BGBl 1958 I S. 473, BStBl 1958 I S. 412). Der Gewinn des Wirtschaftsjahres 1956/57 ist erst im Feststellungszeitraum 1957 zu erfassen (ß 52 Abs. 2 EStG 1957). Zu dem Gewinn des Wirtschaftsjahres 1956/57 gehört auch der von der Bfin. erklärte Verlust in Höhe von 3902,92 DM des von der KG gebildeten Rumpfwirtschaftsjahres vom 1. Juli bis 31. Juli 1956. Denn die Bildung des Rumpfwirtschaftsjahres hatte steuerlich keine Wirkung. Ein Wirtschaftsjahr darf einen Zeitraum von weniger als 12 Monaten nur dann umfassen, wenn ein Betrieb eröffnet, erworben, aufgegeben oder veräußert wird oder wenn ein Steuerpflichtiger von regelmäßigen Abschlüssen auf einen bestimmten Tag zu regelmäßigen Abschlüssen auf einen anderen bestimmten Tag übergeht (ß 1 EStDV 1955). Keine dieser Voraussetzungen ist hier gegeben.
Der auf das Streitjahr 1956 entfallende anteilige Gewinn des Wirtschaftsjahres 1956/57 kann nicht deshalb in die einheitliche Gewinnfeststellung 1956 einbezogen werden, weil die Bfin. am 1. August 1956 in Liquidation trat. Denn die Liquidationseröffnung hat auf den Lauf des Wirtschaftsjahres grundsätzlich keinen Einfluß. Das in Abwicklung befindliche Unternehmen behält ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr bei, sofern die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sind. Wirtschaftsjahr ist bei Gewerbetreibenden, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist, der Zeitraum, für den sie regelmäßig Abschlüsse machen (ß 2 Abs. 5 Ziff. 2 EStG). Die Personengesellschaft wird im Handelsregister erst nach Beendigung der Liquidation gelöscht (ß 157 HGB). "Regelmäßig" sind Abschlüsse, wenn für sie fortlaufend ein zwölfmonatiger Zeitraum eingehalten wird. Nur wenn die Gesellschaft während des Liquidationszeitraums keine regelmäßigen Abschlüsse macht, kommt als Wirtschaftsjahr das Kalenderjahr in Betracht (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1330/29 vom 30. Januar 1930, Steuer und Wirtschaft 1930 Nr. 305).
Das Wirtschaftsjahr wird durch den Eintritt in die Liquidation mit steuerlicher Wirkung auch dann nicht unterbrochen, wenn die Liquidatoren eine Liquidationseröffnungsbilanz im Sinn des § 154 HGB aufstellen. Eine solche Bilanz, die einen überblick über das zur Verfügung stehende Vermögen geben und daher die Wirtschaftsgüter mit ihren tatsächlichen Werten enthalten soll (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 80 S. 107; Schlegelberger-Gessler, HGB, Anm. 4 zu § 154), kann steuerliche Bedeutung nur erlangen, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen einer Geschäftsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG erfüllt sind. Dazu wäre vor allem erforderlich, daß die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens in das Privatvermögen der Gesellschafter in einem einheitlichen Vorgang überführt werden (vgl. Urteile des erkennenden Senats IV 107/63 U vom 12. März 1964, BStBl 1964 III S. 406, Slg. Bd. 79 S. 476; IV 102/64 U vom 28. Oktober 1964, BStBl 1965 III S. 88). Die im Streitfall aufgestellte Liquidationseröffnungsbilanz zum 1. August 1956 stellt keine Vermögensübersicht im Sinn des § 154 HGB dar, da in ihr die Buchwerte fortgeführt sind. Auch liegen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 EStG nicht vor. Die Bilanzen vom 31. Juli 1956 und vom 1. August 1956 können daher nur als steuerlich unerhebliche Zwischenbilanzen angesehen werden, die die Regelmäßigkeit der Abschlüsse nicht beeinträchtigten. Das von der Bfin. gebildete Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Juli bis zum 31. Juli 1956 gehört zu dem vom 1. Juli 1956 bis 30. Juni 1957 laufenden Wirtschaftsjahr.
Fundstellen
Haufe-Index 411511 |
BStBl III 1965, 227 |
BFHE 1965, 630 |
BFHE 81, 630 |