Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung in § 2 Abs. 6 Ziff. 2 EStG 1957 ist rechtsgültig. Sie gilt auch für Gewerbetreibende, die im Lauf des Kalenderjahrs 1957 den Gewinnermittlungszeitraum mit Zustimmung des Finanzamts geändert haben.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 6 Ziff. 2, § 52/2

 

Tatbestand

Die Bfin., eine offene Handelsgesellschaft, hat früher ihren Gewinn für ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr ermittelt, das jeweils vom 1. Februar bis zum 31. Januar des folgenden Kalenderjahres reichte. Im Jahr 1957 ging sie mit Zustimmung des Finanzamts zur Gewinnermittlung für das Kalenderjahr über. Das für die einheitliche Gewinnfeststellung zuständige Finanzamt stellte als Gewinn des Jahres 1957 den Gewinn fest, den die Bfin. in dem vom 1. Februar 1956 bis 31. Januar 1957 reichenden Wirtschaftsjahr und dem Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Februar bis 31. Dezember 1957 erzielt hatte. Der Einspruch und die Berufung der Bfin. gegen diese nach § 2 Abs. 6 Ziff. 2 EStG 1957 vorgenommene Feststellung des Gewinns hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht führte aus, das Finanzamt habe den Gewinn der Bfin. für 1957 zutreffend nach § 2 Abs. 6 Ziff. 2 EStG 1957 ermittelt. Diese Vorschrift sei nach § 52 Abs. 2 zweiter Halbsatz EStG 1957 erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1956 geendet hätten. Die Einwendungen der Bfin. gegen die Gültigkeit dieser Vorschriften seien nicht begründet. Die Neuregelung verstoße insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (GG). Sie sei sinnvoll und in der Handhabung einfacher und praktischer als die frühere. Sie widerspreche auch nicht der Systematik des Einkommensteuerrechts. Für viele Steuerpflichtige bedeute sie sogar eine gewisse Begünstigung. Auch die Gesellschafter der Bfin. versteuerten für 1956 wesentlich weniger als den tatsächlich erzielten Jahresgewinn. Daß für 1957 als Gewinn das Geschäftsergebnis von insgesamt 23 Monaten anzusetzen sei, beruhe allein auf dem Entschluß der Bfin., ihr Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr umzustellen. Diese Folge habe sie voraussehen können, als sie sich zur Umstellung entschlossen und im November 1957 einen entsprechenden Antrag auf Genehmigung bei dem Finanzamt gestellt habe. Das EStG 1957 sei bereits einige Monate vorher bekannt gemacht worden. Ihr habe laufend ein steuerlicher Berater zur Seite gestanden. Die Neuregelung sei zwar insofern rückwirkend gewesen, als für 1956 lediglich der nach der früheren Gesetzesregelung auf die restlichen Monate des Wirtschaftsjahres 1955/56 entfallende Gewinnanteil zu versteuern gewesen sei. Das sei jedoch nur ein Vorteil für die Bfin. und ihre Gesellschafter gewesen. Auch der Einwand, die Ende 1956 in größerem Umfang hingegebenen § 7c-Gelder hätten sich nicht in dem Masse ausgewirkt, wie es Ende 1956 zu erwarten gewesen wäre, sei nicht stichhaltig, da diese Beträge außerhalb der Bilanz vom Gewinn abgesetzt worden seien und dadurch sowohl der Gewinn des Wirtschaftsjahres 1956/57 als auch das Einkommen der Gesellschafter des Jahres 1957 gemindert worden sei. Daß sich die Ende 1956 von den Inhabern der Bfin. gezahlten Sonderausgaben wegen des kleinen gewerblichen Gewinns dieses Jahres bei der Einkommensteuerveranlagung für 1956 nicht entsprechend ausgewirkt hätten, berühre nicht die einheitliche Feststellung des Gewinns. Im ganzen sei die Regelung in § 2 Abs. 6 Ziff. 2 EStG 1957 für die Steuerpflichtigen günstig. Daß gelegentlich bei der Anwendung dieser Vorschrift Härten auftreten könnten, mache die Vorschrift nicht wegen Verstoßes gegen das GG nichtig.

Die Bfin. wiederholt in der Rb. ihre Einwendungen gegen die Rechtsgültigkeit der in § 2 Abs. 6 Ziff. 2 EStG 1957 getroffenen Neuregelung. Sie weist insbesondere darauf hin, daß die Zusammenballung der Gewinne von 23 Monaten bei ihr zu steuerlichen Nachteilen infolge der Progression des Einkommensteuertarifs führe. Ende 1956 geleistete Sonderausgaben wirkten sich nicht in dem Umfang steuerlich aus, wie es von den Gesellschaftern beabsichtigt gewesen sei. Der Wortlaut des § 2 Abs. 6 Ziff. 2 EStG 1957 zwinge nicht dazu, daß bei der Umstellung eines Geschäftsjahres der Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahres mit dem des letzten vorangegangenen Wirtschaftsjahres zusammen bei einer Einkommensteuerveranlagung erfaßt werde. Es entspreche der Systematik des Einkommensteuerrechts, jeweils nur den in einem Zeitraum von 12 Monaten erzielten Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen. Die im Streitfall vorgenommene Zusammenrechnung des Gewinns von 23 Monaten widerspreche auch dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Bedenklich sei vor allem, daß das Finanzgericht diese Zusammenballung mit Hilfe der vom Gesetzgeber aufgestellten Fiktion gerechtfertigt habe, daß der im abweichenden Wirtschaftsjahr erzielte Gewinn als in dem Kalenderjahr bezogen gelte, in dem das Wirtschaftsjahr geendet habe. Eine Fiktion dürfe nicht dazu führen, daß ohne Notwendigkeit eine ganze Gruppe von Steuerpflichtigen gegenüber der großen Masse der anderen Steuerpflichtigen benachteiligt werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Das Finanzgericht hat ohne Rechtsirrtum festgestellt, daß die vom Finanzamt für das Streitjahr vorgenommene Gewinnermittlung der Bfin. der Regelung in § 2 Abs. 6 Ziff. 2 EStG 1957 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 zweiter Halbsatz EStG 1957 entspricht. Hiergegen erhebt die Bfin. in der Rb. auch keine Einwendungen.

Die Bfin. hält vielmehr die durch das Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl 1957 I S. 848, BStBl 1957 I S. 352) getroffene Neuregelung der Gewinnermittlung bei abweichenden Wirtschaftsjahren für rechtsungültig. Der Senat hat bereits in dem Urteil VI 194/60 U vom 24. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 190, Slg. Bd. 72 S. 521) entschieden, daß gegen § 2 Abs. 6 EStG 1957 und gegen die dazu ergangene übergangsregelung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Hieran hält der Senat fest.

Als die Bfin. am 19. November 1957 die Zustimmung des Finanzamts zur Umstellung ihres Geschäftsjahres auf das Kalenderjahr nachsuchte, war die Neuregelung, deren Wortlaut eindeutig war und zu Zweifeln keinen Anlaß bot, bereits mehr als drei Monate bekannt. Es stand nach Art. 4 Abs. 3 des Gesetzes zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (a. a. O.) fest, daß diese Neuregelung bei der Umstellung eines nach dem 31. Dezember 1956 endenden Wirtschaftsjahres anzuwenden war. Die Bfin., die ständig einen fachkundigen Berater hatte, konnte daher die steuerlichen Auswirkungen der Umstellung ihres Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr für die Einkommensteuerveranlagung 1957 übersehen und sich entsprechend darauf einstellen. Wenn sich durch ihren aus freien Stücken gefaßten Entschluß zur Umstellung später steuerliche Nachteile bei der Besteuerung ihrer Gesellschafter ergaben, so beruhen diese auf ihrem eigenen Entschluß.

Daß die Berücksichtigung der Ende 1956 hingegebenen § 7c-Gelder sich steuerlich ausgewirkt hat, wurde vom Finanzgericht zutreffend ausgeführt. Auch der Umstand, daß bei Umstellung der Wirtschaftsjahre unter Umständen der Gewinn eines längeren Zeitraums als 12 Monate in einem Veranlagungszeitraum zu versteuern ist, führt nicht zur Nichtigkeit der gesetzlichen Regelung, zumal umgekehrt bei anderen Steuerpflichtigen in derartigen Fällen auch ein kürzerer Zeitraum, insbesondere ein Rumpfwirtschaftsjahr als Zeitraum für die Ermittlung des gewerblichen Gewinns zugrunde gelegt wird. Derartige Verschiebungen bei der Besteuerung sind bei abweichenden Wirtschaftsjahren und bei dem übergang vom Kalenderjahr auf ein abweichendes Wirtschaftsjahr und umgekehrt nicht zu vermeiden. Es muß den Steuerpflichtigen überlassen bleiben, bei einer änderung ihres Gewinnermittlungszeitraums eine Lösung zu wählen, die keine oder möglichst nur geringe Nachteile für sie zur Folge hat. Daß die Sonderausgaben unter Umständen infolge einer fehlerhaften Disposition bei einer solchen Umstellung bei einem Steuerpflichtigen sich nicht voll oder nicht in dem beabsichtigten Maß auswirken, liegt ebenfalls in dem Bereich, der von den Steuerpflichtigen vor der Umstellung zweckmäßigerweise genau zu prüfen ist.

Der Umstand, daß Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zur änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958 (BGBl I S. 473, BStBl 1958 I S. 412) bestimmt, daß bei Gewerbetreibenden mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr der nach der früheren Regelung gemäß § 2 Abs. 6 EStG 1955 auf das Kalenderjahr 1956 entfallende Teil des Gewinns bei der Einkommensteuerveranlagung für 1956 außer Betracht bleibt, hat für die hier streitige Einkommensteuerveranlagung für 1957 keine Bedeutung. Die durch diese Bestimmung beseitigte Unklarheit bestand lediglich für die Einkommensteuerveranlagung 1956. Da sie eine sonst mögliche doppelte Besteuerung eines Teils des Gewinns bei Steuerpflichtigen mit abweichenden Wirtschaftsjahren verhinderte, brachte diese mit Rückwirkung getroffene Regelung für die Steuerpflichtigen übrigens nur Vorteile, so daß aus der Rückwirkung schon deshalb keine Folgerungen gegen die Rechtsgültigkeit gezogen werden können. Für 1957 bestanden keinerlei Unklarheiten, die nachträglich hätten beseitigt werden müssen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410844

BStBl III 1963, 362

BFHE 1964, 123

BFHE 77, 123

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