Leitsatz (amtlich)
Setzen sich der Erbe und der Pflichtteilsberechtigte in angemessener Zeit nach dem Erbfall in der Weise auseinander, daß sie den Nachlaß real teilen, wie wenn sie Miterben je zur Hälfte geworden wären, so ist für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung davon auszugehen, daß die dem Pflichtteilsberechtigten im Rahmen der Realteilung aus dem Nachlaß zugeteilten Gegenstände auf ihn unmittelbar vom Erblasser übergegangen sind. Beim Erben tritt demnach keine Gewinnrealisierung ein.
Normenkette
EStG §§ 4-5, 6 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
Streitig ist, ob die Übertragung von Teilen eines nachgelassenen forstwirtschaftlichen Betriebs vom Erben auf den Pflichtteilsberechtigten zur Gewinnrealisierung beim Erben führt.
1. Am 1. April 1962 verstarb die Gutsbesitzerin K. Sie hinterließ neben Privatvermögen einen großen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. In ihrem Testament vom 15. Dezember 1961 hatte die Verstorbene den mit ihr nicht verwandten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zu ihrem Alleinerben eingesetzt. Auf Antrag des Klägers stellte das Amtsgericht am 23. Mai 1962 einen Erbschein aus, in dem bezeugt wird, daß der Kläger Alleinerbe der verstorbenen K. sei.
Bald darauf machte S. geltend, daß er der einzige lebende Abkömmling der Erblasserin, nämlich der aus ihrer zweiten Ehe hervorgegangene Sohn sei. Er focht das Testament der Erblasserin an, weil die Erblasserin ihn als Pflichtteilsberechtigten in ihrem Testament übergangen habe und der Erblasserin sein Vorhandensein nicht mehr bekanntgewesen sei (§ 2079 BGB). Er machte außerdem geltend, daß das Testament wegen offenbarer Altersschwäche der Erblasserin nichtig sei, und beantragte, den auf den Kläger als Alleinerben ausgestellten Erbschein einzuziehen.
Am 12. September 1962 gaben der Kläger und S. zur Niederschrift vor dem Amtsgericht Erklärungen ab. Danach erkannte S. das Testament seiner Mutter vom 15. Dezember 1961 als rechtswirksam an. Er verzichtete auf seine Rechte aus der Testamentsanfechtung und nahm seinen Antrag auf Einziehung des Erbscheins zurück. Er versicherte, er wolle nur noch seine Pflichtteilsrechte geltend machem. Der Kläger erklärte dazu, er erkenne den Pflichtteilsanspruch des S. dem Grunde nach an, und wolle sich mit diesem außergerichtlich einigen.
Am 11. April 1963 schlossen der Kläger und S. einen notariell beurkundeten Grundstücksüberlassungsvertrag. Nach dem Wortlaut der Vertragsurkunde überließ der Kläger an S. "in Erfüllung dessen geltend gemachten gesetzlichen Pflichtteilsanspruches" mit Wirkung vom 1. April 1963 insbesondere
a) das Alleineigentum an einer Anzahl von forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken, die nach einem Gutachten zusammen die Hälfte des gesamten forstwirtschaftlichen Betriebs der Erblasserin ausmachten und mit deren Übereignung dieser Betrieb in zwei gleichwertige Einzelbetriebe aufgeteilt werden sollte, und
b) das Miteigentum zur Hälfte an den zum landwirtschaftlichen Betrieb der Erblasserin gehörigen Grundstücken.
S. übernahm die Hälfte sämtlicher Nachlaß- und Erbfallverbindlichkeiten. Der Kläger und S. erklärten sich darin einig, daß die Erträgnisse des Nachlasses vom 1. April 1962 bis zum 31. März 1963 ihnen je zur Hälfte gebührten. S. erkannte an, daß damit seine sämtlichen Ansprüche gegen den Kläger als Alleinerben abgegolten seien.
In einem weiteren notariell beurkundeten Vertrag vom 5. Juni 1964 erklärten der Kläger und S. als Nachtrag zur notariellen Urkunde vom 11. April 1963, sie änderten ihre bisherigen Erklärungen und Vereinbarungen dahin ab, daß sie sich zur Beseitigung aller Meinungsverschiedenheiten über die geltend gemachten Erbrechte, einen eventuellen Pflichtteilsanspruch sowie über dessen Höhe vergleichweise gegenseitig als gleichberechtigte Miterben behandelten und die Teilung in Vollziehung dieser Vereinbarung und zur Erbauseinandersetzung durchgeführt werde.
2. Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) vertrat die Auffassung, der Kläger habe mit der Teilung des forstwirtschaftlichen Betriebs und der Einräumung von Miteigentum am landwirtschaftlichen Vermögen einen auf Geld gerichteten privaten Anspruch des S. erfüllt. Dies setze eine Entnahme des Klägers voraus, wobei die stillen Reserven aufzulösen gewesen seien. Solche hätten sich allerdings, da der Grund und Boden außer Ansatz bleiben müsse, nur beim entnommenen Wald ergeben. Demgemäß erließ das FA einen vorläufigen Einkommensteuerbescheid für 1963. In der Einspruchsentscheidung vom 25. November 1965 setzte das FA die Einkommensteuer für 1963 endgültig auf 401 831 DM fest. Dabei ging es davon aus, daß der Kläger mit der Teilung des forstwirtschaftlichen Betriebs zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs des S. an diesen einen forstwirtschaftlichen Teilbetrieb veräußert habe. Dadurch habe der Kläger in Höhe der im Buchwert für den aufstehenden Wald ruhenden stillen Reserven einen Veräußerungsgewinn erzielt, der allerdings tarifbegünstigt sei.
Während des finanzgerichtlichen Verfahrens ersetzte das FA den angefochtenen Bescheid durch einen gemäß § 222 AO berichtigten Bescheid vom 6. April 1967, mit dem es den Gewinn aus der Veräußerung des forstwirtschaftlichen Teilbetriebs auf 1 535 102 DM feststellte und die Einkommensteuerschuld für 1963 auf 406 666 DM festsetzte. Der Kläger beantragte, den Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
3. Die Klage, mit der sich der Kläger insbesondere gegen den Ansatz eines Gewinns aus der Veräußerung eines forstwirtschaftlichen Teilbetriebs sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach wandte, hatte Erfolg. Das FG verneinte, daß der Kläger durch die Teilung des nachgelassenen forstwirtschaftlichen Vermögens einen Veräußerungsgewinn erzielt habe. Das FG vertrat die Auffassung, daß die von der Rechtsprechung zur Erbauseinandersetzung zwischen Miterben entwickelten Rechtsgrundsätze sinngemäß auf eine Realteilung des nachgelassenen Vermögens zwischen dem Erben und einem Pflichtteilsberechtigten anzuwenden seien und demgemäß die Übertragung des forstwirtschaftlichen Teilbetriebs vom Erben auf den Pflichtteilsberechtigten kein Veräußerungsvorgang sei.
Mit der Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer wie im Berichtigungsbescheid vom 6. April 1967 auf 407 122 DM festzusetzen. Das FA rügt, das angefochtene Urteil verletze § 6 Abs. 1 Nr. 4 und § 14 EStG sowie § 7 EStDV wenn es im Streitfall auf Grund wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Grundsätze über die Realteilung des Nachlasses zwischen Miterben entsprechend anwende.
a) Das FG würdige nicht ausreichend, daß Erbe und Vermächtnisnehmer vom Erblasser bedacht seien, also willentlich einen Vermögensanteil vom Erblasser erlangt hätten. Der Pflichtteilsberechtigte sei aber vom Erblasser ausgeschlossen; er habe nur kraft Gesetzes einen obligatorischen Geldanspruch.
b) Die Gleichstellung des Pflichtteilsberechtigten mit einem Sachvermächtnisnehmer sei bedenklich. Beide hätten zwar nur schuldrechtliche Ansprüche. Der entscheidende Unterschied bestehe aber darin, daß der Pflichtteilsberechtigte im Streitfall von der Erblasserin nicht bedacht worden sei. Nach dem Urteil des BFH vom 5. August 1971 IV 243/65 (BFHE 103, 345, BStBl II 1972, 114) sei Voraussetzung für die Annahme der steuerrechtlichen Fiktion des unmittelbaren Vermögensübergangs vom Erblasser auf einen Miterben oder Vermächtnisnehmer, daß sich die Beteiligten an die letztwillige Anordnung des Erblassers hielten. Werde der Pflichtteilsberechtigte, wie im Streitfall, in einer letztwilligen Verfügung des Erblassers übergangen, so könne man ihn nicht durch wirtschaftliche Betrachtungsweise einkommensteuerrechtlich so behandeln, als ob er unmittelbar von der Erblasserin unentgeltlich erworben hätte. Der bürgerlich-rechtliche Wille der Erblasserin, auf den es entscheidend ankomme, würde damit für steuerliche Zwecke in das Gegenteil verkehrt.
c) Bei der Auffassung des FG stelle sich die Frage, wer dann den forstwirtschaftlichen Teilbetrieb dem S. unentgeltlich zugewendet habe. Die Erblasserin sicher nicht. Ebensowenig der Kläger. Was das FG als freiwillige Einigung bezeichnet habe, sei in Wirklichkeit der Zwang für den Kläger gewesen, den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten erfüllen zu müssen. Richtig sei deshalb, daß der Kläger den forstwirtschaftlichen Teilbetrieb an S. in Aufrechnung mit dessen Geldforderung übertragen habe. Dadurch sei ein Veräußerungsgewinn entstanden, den der Kläger versteuern müsse.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Zu Recht ist die Vorentscheidung davon ausgegangen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des BFH der Erbfall in einkommensteuerrechtlicher Sicht einen außerbetrieblichen Vorgang darstellt, durch den der Nachlaß unentgeltlich und grundsätzlich in dem Zustand, den er beim Erblasser im Zeitpunkt des Todesfalles hatte, auf den Erben übergeht. Demgemäß setzt der Alleinerbe die Person des Erblassers fort. Der Erbfall als solcher führt zu keiner Gewinnrealisierung beim Erblasser. Diese tritt erst in der Person des Erben ein, wenn dieser Gegenstände, die beim Erblasser Betriebsvermögen waren und mit dieser Eigenschaft behaftet auf den Erben übergegangen sind, veräußert oder entnimmt oder den gesamten Betrieb aufgibt.
2. Der Vorentscheidung ist auch darin beizupflichten, daß diese Grundsätze sinngemäß gelten, wenn der Erblasser von mehreren Erben in Erbengemeinschaft beerbt wird und diese sich in angemessener Zeit nach dem Erbfall derart auseinandersetzen, daß jeder Miterbe entsprechend seinem Erbteil Vermögensgegenstände aus dem Nachlaß erhält. In diesem Falle ist für die einkommensteurrechtliche Würdigung auf Grund wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 1 Abs. 2 StAnpG) abweichend vom bürgerlichen Recht zu unterstellen, daß die den einzelnen Miterben im Rahmen der Erbauseinandersetzung aus dem Nachlaß zugeteilten Gegenstände auf ihn unmittelbar vom Erblasser mit dinglicher Wirkung über gegangen sind. Dabei ist grundsätzlich unerheblich, ob die Erbauseinandersetzung auf einer Teilungsanordnung des Erblassers beruht oder, soweit eine solche fehlt, die Miterben sich über eine bestimmte Art und Weise der Nachlaßteilung geeinigt haben (vgl. BFH-Urteil vom 29. Mai 1969 IV R 238//66, BFHE 96, 182, BStBl II 1969, 614; ferner Urteil vom 26. Juli 1963 VI 334/61 U, BFHE 77, 435, BStBl III 1963, 480; ferner Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 15. Aufl., § 16 EStG Anm. 19b E 28). Demgemäß hat der BFH z. B. entschieden, daß dann, wenn der Erblasser in einer Teilungsanordnung ein zu seinem Betriebsvermögen gehörendes Grundstück, das mit der Eigenschaft als Betriebsvermögen auf eine Erbengemeinschaft auf A und B übergeht, einem Miterben (B) zuweist, sich die Miterben dementsprechend auseinandersetzen und das Grundstück beim Miterben B Privatvermögen wird, weder eine Entnahme beim Erblasser noch beim Miterben A, sondern nur bei dem das Grundstück empfangenden Miterben B vorliegt (BFH-Urteil IV R 238/66).
Diese Grundsätze hat der BFH dahin fortentwickelt, daß er den Sachvermächtnisnehmer einem Miterben gleichstellt. Demgemäß ist dann, wenn ein Nichterbe als Vermächtnis eine bestimmte Menge stehenden und auf einem forstwirtschaftlichen Betrieb des Erben vom Vermächtnisnehmer einzuschlagenden Holzes erhält, der nach dem Einschlag durch Veräußerung oder Überführung des Holzes in das Privatvermögen anfallende Gewinn dem Vermächtnisnehmer zuzurechnen (BFH-Urteil IV 243/65).
3. Der Senat teilt schließlich die Auffassung der Vorentscheidung, daß die vorstehend dargestellten Grundsätze in gleicher Weise anzuwenden sind, wenn, wie im Streitfall, der Erblasser einen Erben einsetzt und einen Pflichtteilsberechtigten hinterläßt und beide sich in angemessener Zeit nach dem Erbfall in der Weise auseinandersetzen, daß sie den Nachlaß real teilen, wie wenn sie Miterben je zur Hälfte geworden wären. Auch in diesem Falle ist für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung zu unterstellen, daß die dem Pflichtteilsberechtigten im Rahmen der Realteilung aus dem Nachlaß zugeteilten Gegenstände auf ihn unmittelbar vom Erblasser mit dinglicher Wirkung übergegangen sind.
Der Senat stützt seine Auffassung auf folgende Überlegungen:
a) Nach den Vorschriften des BGB ist der Pflichtteilsanspruch zwar ein schuldrechtlicher Anspruch, der auf Geld gerichtet ist. Das Pflichtteilsrecht, auf dem der Pflichtteilsanspruch beruht, tritt aber "wirtschaftlich an die Stelle des Erbrechts" (Enneccerus-Kipp-Wolff, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Erbrecht, 12. Aufl., 1965, S. 38), ist also sowohl "Ersatz" wie auch "Ausfluß des gesetzlichen Erbrechts" (von Lübtow, Erbrecht, Erster Halbband S. 546, Fußnote 9, unter Hinweis auf die Materialien zum BGB).
b) In der rechtsgeschichtlichen Entwicklung findet sich der Pflichtteil sowohl in der rechtlichen Gestalt eines materiellen Noterbrechts mit dinglicher Beteiligung am Nachlaß als auch in der Rechtsform eines Pflichtteilsrechtes mit einem schuldrechtlichen und nur auf Geld gerichteten Anspruch gegen den Erben (vgl. zur Rechtsgeschichte des Pflichtteils z. B. Boehmer in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 11. Aufl., Einleitung § 14 Rdnrn. 1 ff., insbesondere 22 ff., vor § 1922; Enneccerus-Kipp-Wolff, a. a. O., S. 35-37; von Lübtow, a. a. O., S. 554). Wenn sich das BGB dafür entschieden hat, den Pflichtteilsberechtigten nicht dinglich am Nachlaß zu beteiligen, sondern ihm nur einen schuldrechtlichen Anspruch zu gewähren, so waren dafür vor allem praktische Erwägungen ausschlaggebend. Man ging insbesondere davon aus, daß ein Eintritt des Pflichtteilsberechtigten in die Erbengemeinschaft vielfach zu Streitigkeiten führen und die Abwicklung der Nachlaßgeschäfte erschweren würde. Hinzu komme, daß ein Pflichtteilsberechtigter oft nur deshalb übergangen werde, um wertvolle Vermögenseinheiten (Güter, Fabriken, Erwerbsgeschäfte) zu erhalten, die andernfalls in ihrem Bestand gefährdet seien (von Lübtow, a. a. O., S. 555-556 mit Nachweisen aus der Entstehungsgeschichte des BGB).
c) Außerhalb Deutschlands hat der Pflichtteil vielfach noch heute die Rechtsform eines materiellen Noterbrechts und damit eine dingliche Mitberechtigung am Nachlaß zum Inhalt (vgl. dazu Böhmer in Staudinger, a. a. O., Einleitung § 14 Rdnrn. 28, 32; § 15 Rdnrn. 1, 8 vor § 1922; Ferid in Staudinger, a. a. O., Vorbemerkung Rdnrn. 167 ff. vor § 2303; Enneccerus-Kipp-Wolff, a. a. O., S. 39).
d) Die rechtspolitische Würdigung der dem BGB zugrunde liegenden Lösung ist bis heute umstritten (vgl. dazu Böhmer, a. a. O., Einleitung § 17 vor § 1922).
e) Für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung folgt hieraus: Wäre der Pflichtteil im BGB ebenso wie früher in einzelnen deutschen Partikularrechten und noch heute in verschiedenen außerdeutschen Rechtsgebieten als materielles Noterbrecht ausgestaltet, so könnte nicht zweifelhaft sein, daß der Pflichtteilsberechtigte einem Erben einkommensteuerlich gleichgestellt werden müßte, soweit die Auseinandersetzung über den Nachlaß in Frage steht. Nun hat allerdings der Pflichtteil nach dem BGB die Rechtsform eines Geldanspruchs. Die oben dargestellten Gründe für diese zivilrechtliche Regelung sind aber derart, daß sie jedenfalls dann nicht eine einkommensteuerrechtliche Würdigung rechtfertigen können, die von der eines als Noterbrecht ausgestalteten Pflichtteilsrechts grundlegend abweicht, wenn im Einzelfall Erbe und Pflichtteilsberechtigter eine Vereinbarung treffen, mit der sie sich im wesentlichen wie Miterben stellen und auseinandersetzen und damit gerade zum Ausdruck bringen, daß die für die zivilrechtliche Regelung tragenden Gründe für sie nicht gelten. Mindestens in einem derartigen Fall muß durchschlagen, daß der Pflichtteilsanspruch wirtschaftlich "an die Stelle des Erbrechts getreten ist".
f) Demgemäß wird auch im steuerrechtlichen Schrifttum mit Nachdruck die von der Vorentscheidung übernommene Auffassung vertreten, weil der Pflichtteilsanspruch das Mindesterbrecht des Pflichtteilsberechtigten gesetzlichen Erben darstelle, müsse der Pflichtteilsberechtigte wie ein Erbe behandelt werden (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl., § 16 Rdnr. 77).
4. Die hiergegen erhobenen Einwände der Revision greifen nicht durch.
a) Für die Frage, ob derjenige, der etwas aus dem Nachlaß erlangt, einkommensteuerrechtlich insoweit als unmittelbarer Rechtsnachfolger des Erblassers anzusehen ist, kann es nicht nur darauf ankommen, ob der Empfang des zugeteilten Gegenstandes dem Willen des Erblassers entspricht, insbesondere auf eine zivilrechtlich formgerechte und damit für die Beteiligten bindende Willensäußerung des Erblassers zurückzuführen ist. Wäre es so, so könnte die unmittelbare Rechtsnachfolge nur bei einer Erbauseinanderrsetzung mit entsprechender Teilungsanordnung oder einem Sachvermächtnis bejaht werden, nicht hingegen, wenn z. B. gesetzliche Erbfolge eintritt und die Miterben sich nach eigenen Vorstellungen auseinandersetzen. Denn bereits die gesetzliche Erbfolge beruht, anders als eine Erbfolge, die auf eine letztwillige Verfügung oder einen Erbvertrag zurückgeht ("gewillkürte Erbfolge"), nicht auf dem Willen des Erblassers. Erst recht gilt dies von einer Erbauseinandersetzung ohne Teilungsanordnung.
b) Die von der Revision aufgeworfene Frage, wer denn dem Pflichtteilsberechtigten den Teilbetrieb unentgeltlich zugewendet habe, stellt sich nicht. Von einer Zuwendung kann immer nur dann die Rede sein, wenn entweder Vermögenswerte unter Lebenden übertragen werden oder der mit dem Tode des Erblassers erlangte Vermögensvorteil auf einer letztwilligen Verfügung oder einem Erbvertrag beruht. Hingegen fehlt es bei gesetzlicher Erbfolge an einer Zuwendung, insbesondere einer Zuwendung des Erblassers. Gleichwohl geht die Rechtsprechung davon aus, daß dann, wenn z. B. einer von mehreren gesetzlichen Erben aus dem Nachlaß auf Grund freiwilliger Übereinkunft der Miterben den Betrieb des Erblassers allein übernimmt, der Betrieb unentgeltlich unmittelbar vom Erblasser auf den fraglichen Miterben übergegangen ist.
c) Richtig ist, daß der Senat in seinem Urteil IV 243/65 ausgesprochen hat, Voraussetzung für die Annahme eines unmittelbaren steuerlichen Vermögensübergangs vom Erblasser auf einen Vermächtnisnehmer sei, daß sich die Beteiligten "bei der Erfüllung des Vermächtnisses an die letztwilligen Anordnungen des Erblassers halten". So wie hieraus aber nicht gefolgert werden kann, daß dann, wenn eine letztwillige Anordnung des Erblassers fehlt, die steuerliche Fiktion eines unmittelbaren Vermögensübergangs vom Erblasser auf einen Miterben nicht denkbar ist, so kann daraus auch nicht geschlossen werden, daß der Pflichtteilsberechtigte steuerlich nur Geld unmittelbar vom Erblasser erwerben könne. Die Grenzen für die steuerliche Fiktion des unmittelbaren Erwerbs vom Erblasser sind jedenfalls dort noch nicht überschritten, wo der Empfänger von Sachwerten zum Kreis der nach dem Gesetz Erbberechtigten gehört und etwas auf Grund einer vernünftigen und den wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechenden Vereinbarung der Beteiligten erlangt.
5. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahingestellt bleiben, ob die Vereinbarungen vom 12. September 1962, 11. April 1963 und 5. Juni 1964 als Einheit zu werten und einem Erbvergleich im Sinne des BFH-Urteils vom 14. Oktober 1966 IV 61/64 (BFHE 87, 387, BStBl III 1967, 175) gleichzustellen sind, so daß schon aus diesem Grunde der Kläger und S. für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung als Miterben und die von ihnen abgeschlossenen Grundstücksüberlassungsverträge als Erbauseinandersetzung zwischen Miterben angesehen werden können. Immerhin ergibt sich aber daraus, daß der Kläger und S. unter Umständen die Möglichkeit gehabt hätten, ihre erbrechtlichen Meinungsverschiedenheiten von vornherein durch einen Vergleich beizulegen, mit dem sie sich so gestellt hätten als ob sie Miterben geworden wären, daß dann die Grundsätze des BFH-Urteils IV 61/64 eingegriffen hätten, ein weiteres Argument für die vorstehend entwickelte Auffassung des Senats. Denn der im Streitfall zu beurteilende Sachverhalt entspricht wirtschaftlich weitgehend einer derartigen möglichen Sachverhaltsgestaltung.
6. Zu der Frage, ob, wie das FA angenommen hat, die übertragenen Teile des forstwirtschaftlichen Betriebs wirklich einen Teilbetrieb darstellen, brauchte der Senat nicht Stellung zu nehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 70350 |
BStBl II 1973, 317 |
BFHE 1973, 237 |