Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die infolge der Anordnung einer Testamentsvollstreckung bestehende Verpflichtung zur Zahlung der Testamentsvollstreckergebühren kann der Erbe mit dem nach den §§ 15 bis 17 BewG berechneten Kapitalwert bei der Ermittlung seines Gesamtvermögens abziehen. Das gilt nur insoweit nicht, als - besonders bei einer langfristigen Testamentsvollstreckung - mit den Gebühren auch Leistungen abgegolten werden, die der Testamentsvollstrecker für den Erben erbringt, z. B. die laufende Vermögensverwaltung.
BewG in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur änderung des BewG vom 10. August
Normenkette
BewG §§ 15, 13, 16, 14, 17, 67 Abs. 1 Ziff. 4, § 110/1/4, § 74/2, § 118/2
Tatbestand
Bei den Vermögensteuerveranlagungen der Klägerin zum 1. Januar 1958 und 1. Januar 1960 ließ das Finanzamt (FA) den Abzug einer Schuld wegen der lebenslänglichen Belastung ihres als Vorerbin ererbten Vermögens mit einer Testamentsvollstreckung nicht zu. ... Das Finanzgericht (FG) versagte ebenfalls den Abzug der Schuld. ... Das FG ist der Auffassung, daß die Belastung des Vermögens der Klägerin mit der Testamentsvollstreckung keine abzugsfähige Verpflichtung im Sinne der §§ 74 Ziff. 2 und 67 Ziff. 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der an den Stichtagen geltenden Fassung sei. Als kapitalisierbare und damit reale Gegenwartswerte könnten Verpflichtungen oder Rechte auf künftige Leistungen nur dann angesehen werden, wenn die einzelnen künftigen Leistungen nicht von noch zu erbringenden Gegenleistungen abhängig seien. Hier sei selbstverständliche Voraussetzung für die einzelne Jahreszahlung der Klägerin an den Testamentsvollstrecker, daß dieser seinerseits auch die einem Testamentsvollstrecker obliegenden Verpflichtungen in dem betreffenden Jahr erfüllt habe. ...
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Sie ist der Auffassung, es gehe nicht um die Frage, ob den jährlich zu zahlenden Testamentsvollstrecker-Gebühren entsprechende Leistungen gegenüberständen, sondern darum, ob die Belastung des ererbten Vermögens mit der Testamentsvollstreckung eine dauernde Last darstelle. Dabei müsse die Verpflichtung zur Zahlung der Gebühren von der Verpflichtung zur Duldung der Testamentsvollstreckung unterschieden werden. Die Duldungsverpflichtung entstehe zwangsläufig mit der Annahme der Erbschaft. Die Testamentsvollstreckung sei eine Beschränkung der Erben. über die Erbschaft habe der Testamentsvollstrecker die alleinige Verfügungsmacht. Dadurch würden zwangsläufig die Testamentsvollstrecker-Kosten ausgelöst. Dieser Belastung könne sich der gebundene Erbe nicht entziehen. ...
Entscheidungsgründe
Die Rb., die nach dem Inkrafttreten der Finanzgerichtsordnung (FGO) am 1. Januar 1966 als Revision zu behandeln ist (vgl. § 184 FGO), führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Anordnung der Testamentsvollstreckung hat nach § 2211 Abs. 1 BGB zur Folge, daß der Erbe über die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlaßgegenstände nicht mehr verfügen kann. Diese Verfügungsbeschränkung gehört zwar nach § 10 Abs. 3 Satz 2 BewG zu den persönlichen Verhältnissen, die bei der Bewertung nicht zu berücksichtigen sind. Das schließt jedoch nicht aus, wirtschaftliche Belastungen, die sich für den Erben aus der Anordnung der Testamentsvollstreckung ergeben, bei der Ermittlung des Gesamtvermögens zu berücksichtigen (vgl. Urteil des RFH III 348/37 vom 23. Juni 1938, RStBl 1938 S. 716). Als eine solche wirtschaftliche Belastung ist die Verpflichtung des Erben zur Zahlung der Vergütung an den Testamentsvollstrecker, auf die dieser nach § 2221 BGB einen gesetzlichen Anspruch hat, anzusehen. Sie ist mit der Annahme der Erbschaft durch die Klägerin entstanden. Als eine Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen, deren Dauer von der Lebenszeit der Klägerin abhängt, ist sie nach § 74 Abs. 1 Ziff. 2 in Verbindung mit § 67 Abs. 1 Ziff. 4 BewG, in der an den hier in Betracht kommenden Stichtagen geltenden Fassung grundsätzlich abzugsfähig. Nach Abschn. 89 VStR 1953 und Abschn. 96 VStR 1960 und 1963 sollen allerdings Zinsen, Löhne und ähnliche wiederkehrende Leistungen nur dann vom Vermögen abgesetzt werden, wenn sie im Veranlagungszeitpunkt bereits fällig waren oder sich auf einen Zeitraum beziehen, der spätestens im Veranlagungszeitpunkt geendet hat. Diese Verwaltungsanweisung bedeutet jedoch in den Fällen, in denen die Verpflichtung am Stichtag bereits entstanden ist, eine Einschränkung des gesetzlich zulässigen Schuldenabzugs. Da ihr die gesetzliche Grundlage fehlt, ist sie für die FGe nicht bindend (so auch Gürsching- Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensgesetz, 1. bis 3. Auflage, Anm. 27 zu § 74 BewG). In vielen Fällen wird sich allerdings der Abzug solcher wiederkehrender künftiger Leistungen nach den Grundsätzen über die Behandlung schwebender Geschäfte verbieten (so auch Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, vormals Krekeler, 7. Aufl., Anm. 8 zu § 74 BewG). Das trifft dann zu, wenn der Verpflichtung zur Zahlung der künftigen Ausgaben aus einem gegenseitigen Vertrag noch Ansprüche auf entsprechende Gegenleistungen gegenüberstehen. Von diesen Gedankengängen hat sich wohl auch das FG leiten lassen, wenn es den Abzug der Verpflichtung zur Zahlung der jährlichen Testamentsvollstrecker-Vergütung mit der Begründung ablehnt, diese Zahlung hänge von der selbstverständlichen Voraussetzung ab, daß der Testamentsvollstrecker seinerseits die ihm obliegenden Verpflichtungen erfülle. Der Senat trägt zwar keine Bedenken, die Grundsätze der Behandlung schwebender Geschäfte auch auf das Verhältnis der Erben zum Testamentsvollstrecker anzuwenden, obwohl es sich dabei nicht um einen gegenseitigen Vertrag handelt. Voraussetzung für die Anwendung dieser Grundsätze ist jedoch, daß mit der Vergütung auch Leistungen des Testamentsvollstreckers abgegolten werden, die dieser für den Erben erbringt. Das wird in der Regel, insbesondere wenn es sich nur um eine kurzfristige Testamentsvollstreckung handelt, nicht der Fall sein. Erstreckt sich aber, wie im Streitfall, eine Testamentsvollstreckung auf längere Zeit, so ist es durchaus denkbar, daß der Testamentsvollstrecker auch Leistungen für den Erben erbringt. Es ist dabei insbesondere an die laufende Vermögensverwaltung zu denken, für die dem Erben auch Kosten entstehen würden, wenn die Testamentsvollstreckung nicht angeordnet wäre (vgl. hinsichtlich des Abzugs der Testamentsvollstreckerkosten als Nachlaßkosten Urteil des FG Stuttgart III 607/58 vom 5. Juli 1960, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B 1961 S. 15). Die Klägerin räumt selbst ein, daß in der Testamentsvollstrecker-Vergütung Abgeltungen für die verwaltende Tätigkeit des Testamentsvollstreckers enthalten sind, wenn auch nach ihrer Meinung nur in verschwindend geringem Umfang. Keinesfalls trifft dies jedoch für die gesamte Vergütung des Testamentsvollstreckers zu. Da die Vorentscheidung dies verkannt hat, war sie aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif, sie wird deshalb nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen. Das FG wird nunmehr zu prüfen haben, ob und inwieweit mit der Testamentsvollstrecker-Vergütung Leistungen abgegolten werden, die der Testamentsvollstrecker für die Klägerin erbringt. Dabei wird das FG auch das Vorbringen der Klägerin in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen haben. Der Abzug der Verpflichtung zur Zahlung der Testamentsvollstrecker- Vergütung wird nur insoweit zu versagen sein, als nach den Feststellungen des FG mit dieser Vergütung Leistungen des Testamentsvollstreckers an die Klägerin abgegolten werden.
Fundstellen
Haufe-Index 412088 |
BStBl III 1966, 362 |
BFHE 1966, 225 |
BFHE 86, 225 |