Entscheidungsstichwort (Thema)
Große Übergangsregelung bei Übertragung eines Miteigentumsanteils unter Eheleuten
Leitsatz (NV)
Nutzen Eheleute im Jahr 1986 und in einem Folgejahr gemeinsam eine eigene Wohnung, so ist die große Übergangsregelung auch dann anzuwenden, wenn im Jahr 1986 beide Miteigentümer waren, während in dem Folgejahr nur ein Ehegatte Alleineigentümer ist.
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2 S. 1, § 52 Abs. 21 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine damals mit ihm zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Ehefrau waren je zur Hälfte Miteigentümer eines im Jahr 1980 auf einem Erbbaugrundstück errichteten Zweifamilienhauses, in dem sie eine Wohnung selbst bewohnten und die zweite vermietet hatten. Im Jahr 1987 übertrug die damalige Ehefrau des Klägers diesem ihren hälftigen Anteil am Erbbaurecht. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Klägers für das Streitjahr (1988) berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) für die selbstgenutzte Wohnung den Nutzungswert gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 21 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur zur Hälfte. Er vertrat die Auffassung, die Nutzungswertbesteuerung könne gemäß § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG nur für den Hälfteanteil an der selbstgenutzten Wohnung fortgeführt werden, der dem Kläger schon 1986 gehört habe. Die Grundbesitzübertragung im Jahr 1987 stelle die Neuanschaffung eines zweiten Objekts dar, für das auch die Steuerbegünstigung nach § 10 e EStG nicht in Betracht komme, weil der Kläger es von seiner Ehefrau angeschafft habe (§ 10 e Abs. 1 Satz 7 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung).
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG sei für das Streitjahr 1988 nur anwendbar, wenn beim Kläger im Jahr 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten vorgelegen hätten. Hinsichtlich des im Jahr 1987 übertragenen hälftigen Anteils sei der Nutzungswert im Jahr 1986 aber bei der Ehefrau des Klägers zu ermitteln gewesen.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid 1988 vom 27. Februar 1991 dahin zu ändern, daß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten von 14 576 DM berücksichtigt werden, hilfsweise § 10 e und § 34 f EStG anzuwenden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist das angefochtene Urteil aufzuheben und in der Sache zu entscheiden. Das FG hat zu Unrecht dem Kläger den Nutzungswert seiner von ihm bewohnten Wohnung im Streitjahr 1988 nur zur Hälfte zugerechnet.
1. Nach der sog. großen Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 Satz 2 i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1, Alternative 1 EStG kann für Veranlagungszeiträume nach 1986 bei einer Wohnung im eigenen Haus der Nutzungswert für die selbstgenutzte Wohnung weiter durch Einnahme-Überschußrechnung ermittelt werden, wenn bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 für diese Wohnung die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten vorgelegen haben.
a) Diese Voraussetzungen müssen danach sowohl im Jahr 1986 als auch im jeweiligen Folgejahr erfüllt sein, und zwar jeweils in bezug auf dieselbe Wohnung (Senatsurteil vom 14. Februar 1995 IX R 65/93, BFHE 177, 373, BStBl II 1995, 535; vgl. auch Senatsurteile vom 14. Februar 1995 IX R 66/94, BFHE 177, 99, BStBl II 1995, 412, und vom 13. August 1996 IX R 9/95, BFHE 181, 173, BStBl II 1997, 43). Entscheidend für die Zurechnung von fiktiven Einkünften in Form des Nutzungswerts sind Art und Umfang der Nutzung durch den Eigentümer (Senatsurteile vom 8. August 1990 IX R 122/86, BFHE 162, 244, BStBl II 1991, 171; vom 27. April 1993 IX R 118/89, BFH/NV 1993, 650). Der Eigentümer muß die tatsächliche Sachherrschaft, den unmittelbaren (Mit-)Besitz an den jeweiligen Räumen haben (Senatsurteil in BFHE 162, 244, BStBl II 1991, 171; vgl. auch Senatsurteil vom 30. Oktober 1990 IX R 110/86, BFHE 162, 429, BStBl II 1991, 142).
b) Gehört die selbstgenutzte Wohnung mehreren Miteigentümern, so hängt die Zurechnung des Nutzungswerts vom Umfang der tatsächlichen Nutzung und nicht von etwa davon abweichenden Eigentumsverhältnissen ab. Nutzt ein Miteigentümer die Wohnung allein, so ist ihm unabhängig von der Höhe seines Miteigentumsanteils der gesamte Nutzungswert zuzurechnen, wenn er ohne entsprechende Ausgleichszahlung die Wohnung in vollem Umfang allein nutzt (Senatsurteile vom 21. Februar 1989 IX R 246/84, BFH/NV 1990, 25; vom 11. Mai 1993 IX R 124/89, BFH/NV 1994, 25; vom 7. Dezember 1993 IX R 169/88, BFHE 173, 131, BStBl II 1994, 325). Weicht bei gemeinsamer Nutzung durch die Miteigentümer der Umfang der tatsächlichen Nutzung von dem jeweiligen Miteigentumsanteil ab, so ist der Nutzungswert den einzelnen Miteigentümern nach den tatsächlichen Nutzungsanteilen zuzurechnen (Senatsurteile vom 31. März 1992 IX R 245/87, BFHE 168, 248, 253, BStBl II 1992, 890, und in BFHE 173, 131, BStBl II 1994, 325).
c) Nutzen Eheleute im Jahr 1986 und in einem Folgejahr gemeinsam eine eigene Wohnung, so ist die große Übergangsregelung, sofern ihre übrigen Voraussetzungen vorliegen, auch dann anzuwenden, wenn im Jahr 1986 beide Miteigentümer waren und ihnen der Nutzungswert anteilig zuzurechnen war, während in dem Folgejahr nur ein Ehegatte als Alleineigentümer das Merkmal "eigen" i. S. des § 21 Abs. 2 Satz 1, Alternative 1 EStG erfüllt. Entscheidend ist auch insoweit, daß beide Eheleute die tatsächliche Sachherrschaft in Form des (Mit-)Besitzes an der selbstgenutzten Wohnung in beiden Jahren unverändert in vollem Umfang gemeinsam ausüben und die fiktiven Einkünfte in Form des Nutzungswerts gemeinsam erwirtschaften.
Diese Auslegung ist nach dem Zweck der großen Übergangsregelung geboten, die aus Gründen des Vertrauensschutzes in das Gesetz aufgenommen worden ist. Die Inhaber von Wohnungen im eigenen Haus sollten nicht übergangslos den für sie nachteiligen Folgen der Konsumgutlösung unterworfen werden, aber auch nicht bessergestellt werden als nach altem Recht (vgl. Senatsurteile vom 25. Januar 1994 IX R 143/90, BFHE 174, 133, BStBl II 1994, 457; in BFHE 181, 173, BStBl II 1997, 43). Auch nach diesem Regelungszweck sind für die Anwendung der großen Übergangsregelung die von den Ehegatten durch (gemeinsame) Selbstnutzung erzielten fiktiven Einkünfte in Form des Nutzungswerts nach § 21 Abs. 2 Satz 1, Alternative 1 EStG maßgebend, um Ehegatten, die ihre Wohnung selbst nutzen, ebenso zu stellen wie nach altem Recht. Im übrigen zeigt auch die Regelung des § 10 e Abs. 5 Sätze 2 und 3 EStG, daß nach Einführung der Konsumgutlösung durch das Wohneigentumsförderungsgesetz vom 15. Mai 1986 (BGBl I 1986, 730, BStBl I 1986, 278) die Übertragung von Miteigentumsanteilen an der gemeinsam genutzten Wohnung unter Ehegatten nicht steuerschädlich sein soll. Dieser Grundgedanke gilt sinngemäß auch für die durch dasselbe Gesetz geschaffene große Übergangsregelung zur Fortsetzung der Nutzungswertbesteuerung nach § 21 Abs. 2 Satz 1, Alternative 1 EStG.
2. Nach diesen Maßstäben hat der Kläger sowohl im Jahr 1986 als auch im Streitjahr die Voraussetzungen für die Zurechnung des Nutzungswerts gemäß § 52 Abs. 21 Satz 2 i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1, Alternative 1 EStG erfüllt, weil er in beiden Jahren gemeinsam mit seiner Ehefrau die tatsäch liche Sachherrschaft in Form des (Mit-)Besitzes an der selbstgenutzten Wohnung in vollem Umfang ausgeübt und die fiktiven Einkünfte in Form des Nutzungswerts erwirtschaftet hat.
3. Die Sache ist spruchreif. Der Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhöht sich um 14 576 DM. Die Einkommensteuer 1988 ist wie folgt festzusetzen:
... (wird ausgeführt)
Fundstellen
Haufe-Index 422267 |
BFH/NV 1997, 653 |