Leitsatz (amtlich)
Ein erst nach der Eröffnung des Konkursverfahrens entstandener Einkommensteuererstattungsanspruch gehört zur Konkursmasse, wenn der Grund für die Erstattung auf Einkommensteuervorauszahlungen zurückzuführen ist, die der Gemeinschuldner vor der Eröffnung des Konkursverfahrens geleistet hatte.
Normenkette
StAnpG a.F. § 3 Abs. 1, 5 Nr. 1b; KO § 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) leistete für das I. Vierteljahr 1972 Einkommensteuervorauszahlungen und Vorauszahlungen zur Ergänzungsabgabe von insgesamt 47 053 DM. Am 29. Dezember 1972 wurde über das Vermögen des Klägers das Konkursverfahren eröffnet. Mit Bescheid vom 6. Mai 1975 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Einkommensteuer 1972 und Ergänzungsabgabe 1972 auf null DM fest. Zuvor - am 18. Mai 1973 - hatte das FA die geleisteten Vorauszahlungsbeträge an den Konkursverwalter ausbezahlt. Die vom Kläger mit Schreiben vom 4. August 1975 beantragte Erstattung des sich nach der Veranlagung ergebenden Guthabens von 47 053 DM lehnte das FA mit Verfügung vom 26. Juli 1976 unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. März 1968 IV R 278/66 (BFHE 92, 153, BStBl II 1968, 496) ab.
Die Sprungklage an das Finanzgericht (FG) blieb erfolglos. Das FG begründete seine Entscheidung damit, daß der Anspruch auf Erstattung der zuviel entrichteten Einkommensteuer- und Ergänzungsabgabevorauszahlungen mit Ablauf des 31. März 1972 entstanden sei und darum zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens (29. Dezember 1972) bereits zum Vermögen des Klägers gehört habe. Im Streitfall sei der Zeitraum, für den die Steuern entrichtet wurden, nicht das Kalenderjahr, sondern das I. Vierteljahr 1972. Wenn § 3 Abs. 5 Nr. 1 b des Steueranpassungsgesetzes a. F. (StAnpG) für Vorauszahlungen ausdrücklich bestimme, daß diese Steuerschuld mit Beginn des Kalendervierteljahres, in dem die Vorauszahlungen zu leisten sind, entstehe, so müsse auch der ihm entsprechende Erstattungsanspruch spätestens mit Ablauf dieses Zeitraumes, also mit Ablauf des 31. März 1972, entstehen.
Mit der Revision macht der Kläger die Verletzung des § 3 Abs. 1 und § 3 Abs. 5 Nr. 1 b StAnpG geltend. Er führt im wesentlichen aus: Der Erstattungsanspruch sei die Umkehrung des Steueranspruchs und könne darum wie dieser erst mit Ablauf des 31. Dezember eines Kalenderjahres entstehen. Das FG verkenne, daß Vorauszahlungen nicht für ein Vierteljahr, sondern auf eine zu erwartende Steuerschuld geleistet werden.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und das FA zu verurteilen, an den Kläger 47 053 DM zuzüglich Zinsen nach § 4 b des Steuersäumnisgesetzes (StSäumG) zu zahlen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Ergebnis unbegründet.
Der Anspruch auf Erstattung der entrichteten Einkommensteuer- und Ergänzungsabgabevorauszahlungen steht dem Kläger nicht zu, weil der Anspruch bereits zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung zu seinem Vermögen gehörte und damit von der Beschlagnahme durch das Konkursverfahren erfaßt wurde (§ 1 der Konkursordnung - KO -).
1. Entgegen der Auffassung des FG ist der Erstattungsanspruch nicht mit Ablauf des Vierteljahrs, in dem die Vorauszahlungen entrichtet wurden (31. März 1972), sondern erst mit Ablauf des Kalenderjahres (31. Dezember 1972) entstanden.
Nach § 3 Abs. 3 StAnpG gilt der Abs. 1 dieser Gesetzesbestimmung für alle Leistungen, die aufgrund der Steuergesetze geschuldet werden, also auch für die Erstattung von Vorauszahlungen (vgl. Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs - OFH - vom 25. August 1948 III 19/48, RFHE 54, 265, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 47, Rechtsspruch 1; BFH-Urteil vom 28. April 1964 I 356/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 344 - HFR 1964, 344 -, StRK, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 436; v. Wallis in Finanz-Rundschau 1953 S. 192 - FR 1953, 192 -). Nach § 3 Abs. 1 StAnpG entsteht die Erstattungsschuld, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Erstattung knüpft. Dieser Tatbestand ist verwirklicht, sobald eine Steuerschuld entstanden ist, die niedriger als der Gesamtbetrag der geleisteten Vorauszahlungen ist. Der Zeitpunkt der Entstehung des Erstattungsanspruchs fällt damit mit dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld zusammen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 8. Februar 1928 VI A 71/27, RFHE 23, 70; OFH-Urteil III 19/48; BFH-Urteile I 356/61 und IV R 278/66). Das ist gemäß § 3 Abs. 5 Nr. 1 c StAnpG der Ablauf des Kalenderjahres.
2. Obwohl die Erstattungsansprüche somit nach Konkurseröffnung entstanden sind, fallen sie dennoch in die Konkursmasse (§ 1 Abs. 1 KO) und stellen keinen konkursfreien Neuerwerb des Klägers und Gemeinschuldners dar (so im Ergebnis auch Henckel/Weber in Jaeger, Großkommentar zur Konkursordnung, 9. Aufl., 1977, § 1 Anm. 135; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, Kommentar zur Konkursordnung, 9. Aufl., 1979, § 1 Anm. 73 b; Frotscher, Steuern im Konkurs, 1974, S. 30; Geist, Insolvenzen und Steuern, 2. Aufl., 1973, S. 55 f.).
Während die Entstehung von Steueransprüchen unabhängig von der Eröffnung eines Konkursverfahrens nach steuerrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen ist, richtet sich die Frage, welchem Vermögen Steuerforderungen und Steuererstattungsansprüche nach Konkurseröffnung zuzurechnen sind, nach den Regeln des Konkursrechts (BFH-Urteil vom 14. Februar 1978 VIII R 28/73, BFHE 124, 411, BStBl II 1978, 356, für Steuerforderungen; vgl. auch Henckel/Weber, a. a. O., § 3 Anm. 71, mit weiteren Nachweisen). Ausschlaggebend dafür, ob ein Steuererstattungsanspruch zur Konkursmasse gehört oder als konkursfreier Neuerwerb angesehen werden muß, ist darum nicht der steuerrechtliche Entstehungszeitpunkt des Erstattungsanspruchs, sondern der Zeitpunkt, in dem nach konkursrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Erwerbsanspruch gelegt worden ist (gleicher Ansicht BFH-Urteil vom 27. August 1975 II R 93/70, BFHE 117, 176, BStBl II 1976, 77, für den Fall der Steuerschuld; vgl. auch Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 20. Juni 1902 II 114/02, RGZ 52, 49, nach welchem die Versicherungssumme aus einer Unfallversicherung auch dann zum Konkursvermögen gehört, wenn sich der Unfall erst nach Konkurseröffnung ereignete, der Rechtsgrund für die Zahlung der Versicherungssumme aber schon vor der Konkurseröffnung durch die Vorauszahlungen der Prämie durch den Versicherungsnehmer für den Versicherungszeitraum entstanden war). - Dieser Rechtsgrund im konkursrechtlichen Sinn ist vorliegend bereits mit der sich später als zu hoch erwiesenen Entrichtung der Vorauszahlungen durch den Gemeinschuldner - also vor Konkurseröffnung - gelegt worden. Denn mit der Zahlung hatte der Gemeinschuldner einen Anspruch auf Erstattung der Vorauszahlungen erlangt unter der aufschiebenden Bedingung, daß am Jahresende die geschuldete Jahressteuer geringer sein würde als die Summe der geleisteten Vorauszahlungen (vgl. Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., 1975, vor §§ 150 bis 159 AO, Anm. 4).
Die Zugehörigkeit der Erstattungsansprüche zum Konkursvermögen ergibt sich auch aus der Tatsache, daß die Vorauszahlungen aus dem vorkonkurslichen Vermögen - also der späteren Konkursmasse - geleistet worden sind, und der Kläger keinerlei Tätigkeiten entfalten mußte, die einen Neuerwerb durch ihn rechtfertigen könnten.
3. Der gegenteiligen Auffassung des RFH im Urteil vom 17. Mai 1925 I A 107/27 (in StRK, Reichsabgabenordnung 1919, § 128, Rechtsspruch 11) folgt der Senat nicht. Der RFH ist bei dieser Entscheidung von den damaligen Auffassungen zu § 1 KO ausgegangen; diese sind inzwischen überholt.
Das BFH-Urteil IV R 278/66 steht dieser Entscheidung nicht entgegen. Der IV. Senat hatte die Frage, ob konkursrechtlich ein Erstattungsanspruch auch schon vor seinem steuerrechtlichen Entstehungszeitpunkt zu dem der Konkursbeschlagnahme unterliegenden Vermögen eines Steuerpflichtigen gehören kann, nicht zu entscheiden, da in jenem Fall das Konkursverfahren erst nach der Entstehung des Erstattungsanspruchs eröffnet worden war.
Fundstellen
Haufe-Index 73213 |
BStBl II 1979, 639 |
BFHE 1979, 146 |