Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Als gewillkürtes Betriebsvermögen kommen Gegenstände in Betracht, die in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und ihn zu fördern bestimmt und geeignet sind.
Auch Minderkaufleute konnten schon vor der änderung des EStG 1955 gewillkürtes Betriebsvermögen haben.
Wird ein Gebäude durch einen Bauunternehmer auf einem Grundstücks des Betriebs und im Rahmen des Betriebs erstellt, so besteht eine Beziehung des Gebäudes zu dem Betrieb, die seine Aufnahme in die Bilanz des Unternehmers als gewillkürtes Betriebsvermögen rechtfertigt. EStG 1953 §§ 4 Abs. 1,
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 5
Tatbestand
I. Bescheid.
Der Steuerpflichtige ist Bauunternehmer; er führt als Minderkaufmann Bücher und stellt Bilanzen auf. Er errichtete in den Jahren 1949 bis 1953 auf den Grundstücken M.-Straße 38, 62 und 60, die er als Trümmergrundstücke erworben hatte, Mietwohnhäuser; die Wohnungen vermietete er. Im Jahre 1954/1955 errichtete er in gleicher Art ein Doppelwohnhaus und im Jahre 1957/1958 ein fünftes Mietwohnhaus. Der Steuerpflichtige hat die Grundstücke als Betriebsvermögen behandelt und in seiner Buchführung erfaßt. Streitig ist, ob die Vermietung von Wohnungen in diesen Grundstücken zum Gewerbebetrieb des Steuerpflichtigen gehört und damit der Gewerbesteuer unterliegt.
Der Steuerpflichtige ist der Ansicht, die Bebauung der Grundstücke sei zwar eine gewerbliche Tätigkeit; sobald aber die Gebäude errichtet und lediglich einer langfristigen Vermietung und Verpachtung zugeführt seien, müßten die Einkünfte daraus als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angesehen werden. Er hat am 16. April 1957 eine berichtigte Bilanz zum 1. Januar 1954 beim Finanzamt eingereicht, in der die in Rede stehenden Grundstücke nicht mehr enthalten sind.
Den Einspruch des Steuerpflichtigen hat das Finanzamt als unbegründet zurückgewiesen; auch die Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht führt u. a. aus, die Tätigkeit der reinen Vermietung von Grundstücken sei grundsätzlich nur als Verwaltung eigenen Vermögens anzusehen und unterliege deshalb nicht der Gewerbesteuerpflicht. Bei einem Bauunternehmer gehöre aber das Bauen von Häusern und das Vermieten von Wohnungen zu seinem Geschäftsbetrieb, wenn er ausschließlich oder doch überwiegend Mietwohnhäuser zum Zwecke eigener Vermietung errichte oder wenn er neben seiner eigenen Hauptbetätigung unter Ausnutzung seiner Sachkunde eine Anzahl von Gebäuden auf eigene Rechnung mit erheblicher Fremdfinanzierung für Vermietungszwecke erstelle. Die Errichtung und Vermietung von Häusern auf den von dem Steuerpflichtigen zu Eigentum erworbenen Grundstücken gehe über den Rahmen einer bloßen Vermögensnutzung hinaus. Diese Tätigkeit gehöre zum gewerblichen Betrieb des Steuerpflichtigen, denn er habe im Gegensatz zum normalen Vermieter das Niveau der reinen Vermögensverwaltung verlassen. Die eigentliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen als Bauunternehmer und seine Tätigkeit beim Erwerb, bei der Errichtung und der Vermietung von Häusern seien sachlich und wirtschaftlich miteinander verflochten. Die Vermietung der Häuser könne deshalb nicht von ihrer Errichtung abgetrennt und in die Privatsphäre verlegt werden.
Mit der Rb. rügt der Steuerpflichtige unrichtige Rechtsanwendung. Er sei als Deutscher aus Rumänien ausgewiesen worden, wo er mit seinem Vater ein Baugeschäft betrieben habe. In den Trümmern auf dem Grundstück W.-Straße 38 habe er mit seiner Familie eine Unterkunft gefunden. Das Gebäude auf diesem Grundstück habe er mit Flüchtlingen und mit großem, regem Einsatz wieder aufgebaut. Dann habe er, um weitere Arbeit für seine Bauhandwerker zu beschaffen, in der vollkommen zerstörten M.-Straße die Ruine 62 erworben und dort aufgebaut. Er habe weiter das Haus M.-Straße 60 aufgebaut, um entstandene geldliche Schwierigkeiten zu beseitigen. Das gleiche gelte für die späteren Bauten.
Er habe aber das Bauen und Vermieten von Wohnhäusern nicht als "Berufszweig" angesehen; er habe zwar diese Tätigkeit notgedrungen in einzelnen Jahren ausgeführt, sie aber von vornherein nicht als Zweck des von ihm gegründeten Betriebs betrachtet. Die Mietwohngrundstücke ständen von dem Zeitpunkt ab, wo sie als reine Mietwohngrundstücke genutzt worden seien, in keinerlei sachlichem Zusammenhang zu dem Baugeschäft.
Der Bf. hat mündliche Verhandlung beantragt. Dem Senat erschien es zweckmäßig, vorerst gemäß § 294 Abs. 2 AO einen Bescheid zu erlassen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Die Frage, ob Erträge und Aufwendungen für einen Gegenstand bei einem buchführenden Gewerbetreibenden die gewerblichen Einkünfte berühren, ist u. a. davon abhängig, ob der Gegenstand zum Betriebsvermögen gehört oder nicht. Gehört er nicht zum Betriebsvermögen, so bleiben Erträge und Aufwendungen bei der Ermittlung des Gewinns außer Betracht. Für die hier zu entscheidende Frage kommt es darum darauf an, ob die von dem Bf. errichteten Wohngebäude für den Veranlagungszeitraum zum Betriebsvermögen zu rechnen sind oder nicht. Da die Grundstücke in der Bilanz des Bf. aufgeführt sind, beeinflussen ihre Erträge den Gewinn nur dann nicht, wenn sie notwendiges Privatvermögen und damit die Bilanzen falsch sind; Wirtschaftsgüter des notwendigen Privatvermögens können steuerlich nicht zum Betriebsvermögen gehören, auch nicht, wenn es der Steuerpflichtige will.
Im Urteil I 69/58 U vom 4. August 1959 (BStBl 1959 III S. 421, Slg. Bd. 69 S. 428) hat der erkennende Senat ausgesprochen, daß ein für die privaten Bedürfnisse eines Bauunternehmers bestimmtes Gebäude, das dieser auf einem nicht zu dem Betriebsvermögen gehörenden Grundstück errichtet, nicht in sein Betriebsvermögen fällt. Auch das Bauen selbst ist in diesem Falle kein betrieblicher Vorgang.
Anders liegt es dagegen, wenn ein Mietwohngebäude auf einem zum Betriebsvermögen gehörigen Grundstück errichtet wird. Die Gebäude gehören dann nicht zum notwendigen Privatvermögen, weil sie als Mietwohngrundstücke ihrer Zweckbestimmung nach nicht ungeeignet sind, einem Betrieb zu dienen. Im vorliegenden Fall sind alle Trümmergrundstücke von dem Steuerpflichtigen sofort nach dem Ankauf als Betriebsvermögen behandelt worden, wie die vorliegenden Bilanzen zeigen. Am 31. Dezember 1952 waren alle drei dem Steuerpflichtigen zu dieser Zeit gehörenden Grundstücke auf der Aktivseite der Bilanz verzeichnet. Das Bebauen der Trümmergrundstücke mit den Mietwohngebäuden ist hier um deswillen ein betrieblicher Vorgang, weil zum Betriebsvermögen gehörige Grundstücke bebaut und die Rohbauten durch die Firma des Bf. erstellt wurden. Hierbei wurden Materialien verwendet, die von der Firma im betrieblichen Rahmen eingekauft worden waren. Die anfallenden Löhne einschließlich anfallender Lohnsteuer und Sozialabgaben wurden auf dem Baukonto verbucht. Damit wurden diese Aufwendungen zutreffend als Betriebsvermögensumschichtung behandelt und erschienen als Herstellungskosten in der Bilanz.
Im Betrieb wurden die Mietwohngrundstücke zur Vermietung von Wohnungen verwendet. Die Vermietung von Wohnungen kann aber sowohl im Rahmen des Betriebs wie auch im privaten Bereich vor sich gehen. Die Grundstücke bildeten darum nicht notwendiges, sondern gewillkürtes Betriebsvermögen. Wie das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 106/57 U vom 12. Februar 1960 (BStBl 1960 III S. 156, Slg. Bd. 70 S. 412) ausführt, kann auch ein Bauunternehmer Gebäude wie jeder andere Gewerbetreibende als Privatvermögen behandeln, wenn er sie vermietet.
Daß im übrigen auch ein nach § 4 EStG bilanzierender Minderkaufmann schon vor der änderung des EStG im Jahre 1955 nach steuerlichen Grundsätzen gewillkürtes Betriebsvermögen haben konnte, hat der Bundesfinanzhof in den Urteilen IV 19/55 U vom 12. Mai 1955 (BStBl 1955 III S. 205, Slg. Bd. 61 S. 18) und VI 10/60 S vom 15. Juli 1960 (BStBl 1960 III S. 484, Slg. Bd. 71 S. 625) ausgesprochen. Im Urteil IV 19/55 U (a. a. O.) ist gesagt, die Auffassung, daß nur bei den unter § 5 EStG a. F. fallenden Kaufleuten gewillkürtes Betriebsvermögen möglich sei, treffe nicht zu.
Im Urteil VI 10/60 S (a. a. O.) ist entschieden, aus dem Begriff des Betriebsvermögens ergebe sich, daß hierfür nur solche Gegenstände in Betracht kommen, die in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und ihn zu fördern bestimmt und geeignet sind. Dieser Rechtsansicht hat sich auch der erkennende Senat bereits im Urteil I 103/60 S vom 22. November 1960 (BStBl 1961 III S. 97, Slg. Bd. 72 S. 259) angeschlossen.
Dem Bf. ist hiernach zuzugeben, daß er die Mietwohngrundstücke zum Teilwert hätte entnehmen können (vgl. Urteil I 69/58 U, a. a. O.). Die Willensentschließung, die Mietgrundstücke im betrieblichen oder privaten Bereich zu nutzen, findet ihren Ausdruck in der Buchführung. Wollte er sie nicht mehr zum Betriebsvermögen zählen, so hätte eine Entnahmebuchung folgen müssen, aus der sich die entsprechenden steuerlichen Folgen ergeben hätten. Dies ist hier aber nicht geschehen. In der dem Finanzamt mit der Steuererklärung 1954 eingereichten Bilanz und der im Jahre 1956 vorgelegten "berichtigten" Bilanz sind die Grundstücke als Anlagevermögen ausgewiesen. Eine im April 1957 eingereichte Bilanz, die keine erkennbare Beziehung zur Buchführung hat, kann nichts dafür dartun, daß der Bf. im Jahre 1954 seinen Willen zur Entnahme in die Tat umgesetzt hätte. Die Bilanz soll ein Spiegelbild der tatsächlichen Betriebsvorgänge sein, zu denen auch die Entnahmen gehören; es kann aber nicht durch eine, Jahre nach dem Bilanzstichtag vorgenommene änderung der Bilanz eine auf den Bilanzstichtag zurückwirkende Tatsache geschaffen werden.
Gehörten somit die Mietwohngrundstücke zum Betriebsvermögen, so ist es nicht zu beanstanden, wenn das Finanzamt die sich darauf beziehenden Erträge und Aufwendungen bei den gewerblichen Einkünften erfaßt hat. Damit beeinflussen sie den Gewinn, der die Grundlage für die Errechnung des Gewerbeertrages darstellt und für die Gewerbesteuer maßgeblich ist. Ebenso sind die mit dem Grundstück zusammenhängenden Schulden mit Recht als Dauerschulden und die Dauerschuldzinsen gemäß § 8 Ziff. 1 GewStG dem Gewinn hinzugerechnet worden.
Da im übrigen keine Mängel in der Berechnung des Gewerbesteuermeßbetrages gerügt, aber auch nicht erkennbar sind, waren die Vorentscheidungen im Ergebnis zu bestätigen.
II. Urteil. Für den Sachverhalt und die Gründe wird auf den Bescheid vom 25. Oktober 1963 verwiesen. In der mündlichen Verhandlung trug der Bf. vor, die Grundstücke M.-Straße und I.-Straße könnten nicht zu seinem Betriebsvermögen gehören, weil sie auf den Namen der Eheleute R. eingetragen seien. Das Finanzgericht habe es unterlassen, dies festzustellen. Die Aufnahme der Grundstücke in die Bilanz sei nicht durch den Bf., sondern durch seinen damaligen Steuerberater erfolgt; der Bf. selbst sei wegen seiner Unkenntnis in der Steuergesetzgebung nicht in der Lage gewesen, eine richtige Wahl zu treffen.
Das Vorbringen gibt dem Senat keinen Anlaß, von dem Ergebnis des Bescheids abzugehen. Die Einlassung zwei der in Rede stehenden Grundstücke gehörten nicht ihm, ist erstmalig in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden und kann als neues tatsächliches Vorbringen vom Senat nicht mehr berücksichtigt werden. Aus den Akten ist die Richtigkeit dieses Vortrags nicht zu ersehen. Es kann auch nicht anerkannt werden, daß das Finanzgericht die Eigentumsverhältnisse an Hand des Grundbuchs von sich aus hätte prüfen müssen, da diese von den Beteiligten in der Tatsacheninstanz als unstreitig behandelt worden sind. Der Bf. kann nicht damit gehört werden, nicht er, sondern sein Steuerberater habe die Einbuchung der Grundstücke in die Bilanz vorgenommen, denn er muß die Handlungen seines Bevollmächtigten gegen sich gelten lassen.
Die Frage, mit Wirkung von welchem Zeitpunkt ab die Grundstücke aus der Bilanz herausgenommen werden können, ist hier nicht zu entscheiden; die steuerliche Beurteilung richtet sich nach den Vorschriften des EStG.
Fundstellen
Haufe-Index 411318 |
BStBl III 1964, 552 |
BFHE 1965, 215 |
BFHE 80, 215 |
BB 1964, 1160 |
DB 1964, 1503 |
DStR 1964, 591 |