Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensaussetzung nach Einspruch gegen Änderungsbescheid
Leitsatz (NV)
Wird ein Steuerbescheid während eines Klageverfahrens durch einen Änderungsbescheid ersetzt, den der Kläger nicht gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens macht, sondern gegen den er Einspruch einlegt, so ist das finanzgerichtliche Verfahren bis zur Bestandskraft des Änderungsbescheids entsprechend § 74 FGO auszusetzen. Hieran hat sich durch die Einführung der Monatsfrist in § 68 Satz 2 FGO n. F. nichts geändert (Festhalten an den BFH- Entscheidungen vom 11. Februar 1994 III B 127/93, BFHE 173, 14, BStBl II 1994, 658 und vom 16. Dezember 1994 III R 201/94, BFH/NV 1995, 982).
Normenkette
FGO §§ 68, 74
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute mit einem Kind, erhoben nach erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren Klage gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1986 (Streitjahr), mit der sie zunächst geltend machten, die Höhe des Grundfreibetrags sei nicht ausreichend. Im Laufe des weiteren Verfahrens beantragten sie, einen höheren Kinderfreibetrag als 2 484 DM sowie einen höheren Ausbildungsfreibetrag als 1 800 DM steuermindernd zu berücksichtigen.
Unter dem Datum des 23. Juni 1993 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) einen Änderungsbescheid, durch den die Einkommensteuer hinsichtlich einzelner Besteuerungsgrundlagen vorläufig festgesetzt wurde (§ 165 Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Gegen den Änderungsbescheid legten die Kläger Einspruch ein; die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung ist noch nicht bestandskräftig. Einen Antrag, den Änderungsbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, haben die Kläger nicht gestellt.
Das Finanzgericht (FG) verwarf die Klage als unzulässig, da nach dem Erlaß des Änderungsbescheids das Rechtsschutzinteresse für eine Klage gegen den ursprünglichen Bescheid entfallen sei.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie u. a. die Klageabweisung rügen. Das FG hätte das finanzgerichtliche Verfahren bis zum Abschluß des Einspruchsverfahrens gegen den Änderungsbescheid gemäß § 74 FGO aussetzen müssen. "Vorsorglich" rügt der Klägervertreter die Zusammensetzung des erkennenden Senats bei der Entscheidung über die vorliegende Revision. Nach seiner Ansicht kann der Senatsvorsitzende die Senatsmehrheit ohne gesetzliche Grundlage beeinflussen.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
1. Die Besetzung des Senats ergibt sich aus der vom Vorsitzenden getroffenen Regelung über die Mitwirkung der Senatsmitglieder an den Verfahren im Geschäftsjahr 1996 vom 21. Dezember 1995. Diese Regelung entspricht den Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 des Grundgesetzes.
2. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Das FG hat rechtsfehlerhaft die Klage als unzulässig verworfen. Vielmehr hätte es das finanzgerichtliche Verfahren gegen den ursprünglichen Steuerbescheid aussetzen müssen.
Wird ein Steuerbescheid während des Klageverfahrens durch einen Änderungsbescheid ersetzt, den der Kläger nicht gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens macht, sondern gegen den er Einspruch einlegt, so ist das finanzgerichtliche Verfahren nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bis zur Bestandskraft des Änderungsbescheids entsprechend § 74 FGO auszusetzen (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231). Hieran hat sich durch die Einführung der Monatsfrist in § 68 Satz 2 FGO i. d. F. des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90) nichts geändert (Senatsbeschluß vom 11. Februar 1994 III B 127/93, BFHE 173, 14, BStBl II 1994, 658; Senatsurteil vom 16. Dezember 1994 III R 201/94, BFH/NV 1995, 982). Zur Begründung verweist der Senat auf die genannten Entscheidungen.
3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit dieses das Verfahren gemäß § 74 FGO aussetzt, bis über den Änderungsbescheid rechtskräftig entschieden ist. Auf die weiteren geltend gemachten Verfahrensmängel kommt es nicht mehr an (vgl. hierzu die Senatsentscheidung vom 13. Juli 1995 III R 187/94, BFH/NV 1996, 151).
Fundstellen
Haufe-Index 421736 |
BFH/NV 1997, 410 |