Leitsatz (amtlich)
Eine Schenkung ist ausgeführt, wenn der Schenkende durch Vertrag mit einem Dritten und dem Beschenkten diesem eine frei verfügbare Forderung gegen den Dritten zuwendet. Abgrenzung zur Schenkung unter Auflage.
Normenkette
ErbStG 1959 § 3 Abs. 1 Nrn. 1-3, § 14 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Am 10. November 1972 schlossen die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ihre Mutter und ihr Bruder einen notariell beurkundeten Vertrag. Danach übertrug die Mutter ihrem Sohn - dem Bruder der Klägerin - schenkweise ein Grundstück. Außerdem überließ sie mit diesem Vertrag das ihr gehörende Wertpapiervermögen der Klägerin und ihrem Bruder je zur Hälfte. Zum Ausgleich dessen, daß der Bruder das Grundstück erhielt, sollte er der Klägerin 65 000 DM zahlen. 30 000 DM dieser Schuld sollte der Bruder dadurch tilgen, daß er der Klägerin die erhaltenen Wertpapiere übertrug. Der Restbetrag von 35000 DM sollte in fünf gleichen Jahresraten, beginnend mit dem 1. Oktober 1972, gezahlt werden. Die jeweilige Restschuld war ab 1. Oktober 1972 mit 5 v. H. jährlich zu verzinsen.
Der Bruder der Klägerin unterwarf sich wegen der übernommenen Zahlungsverpflichtungen nebst Zinsen der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Außerdem sollte die Schuld von 35 000 DM durch die Eintragung einer Sicherungshypothek in Höhe von 35 000 DM nebst Zinsen zugunsten der Klägerin im Grundbuch des Grundstücks, welches der Bruder der Klägerin erhalten hatte, gesichert werden. Die Eintragung dieser Hypothek wurde bewilligt und beantragt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA-) setzte mit Bescheid vom 9. März 1973 gemäß § 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) Schenkungsteuer fest, berechnet nach dem Anteil an den Wertpapieren und dem "Herauszahlungsanspruch" (65 000 DM). Mit ihrer Sprungklage machte die Klägerin geltend, bei der Berechnung der Schenkungsteuer dürfe anstelle des Herauszahlungsanspruchs (65 000 DM) nur der halbe Einheitswert des auf ihren Bruder übergegangenen Grundstücks angesetzt werden. Es habe sich um eine vorweggenommene Erbregelung entsprechend dem gemeinschaftlichen Testament ihrer Eltern gehandelt, wonach nach dem Tode des Längstlebenden ihr Bruder und sie (die Klägerin) zu gleichen Teilen Erben hätten sein sollen.
Das Finanzgericht (FG) setzte die Steuer auf ... DM fest. Der Klägerin sei kein halbes Grundstück geschenkt worden. Vielmehr müsse ihr Bruder an sie entsprechend der Auflage in dem Vertrag vom 10. November 1972 65 000 DM zahlen. Diese Auflage sei aber erst in Höhe von 30 000 DM durch Übertragung des Anteiles an den Wertpapieren durch den Bruder an die Klägerin i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG vollzogen. Die restlichen 35 000 DM seien erst ab 1. Oktober 1977 in jährlichen Raten zu zahlen. Insoweit sei daher bei Erlaß des Steuerbescheides noch keine Steuerpflicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG eingetreten.
Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, daß Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA ist begründet.
1. Die Steuer ist mit Abschluß des Vertrages vom 10. November 1972 auch insoweit entstanden, als der Bruder der Klägerin an diese 35 000 DM in Raten ab 1. Oktober 1977 zu zahlen hatte. Denn damit hat die Mutter der Klägerin dieser eine Forderung gegen den Bruder in Höhe von 35 000 DM geschenkt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959).
a) Nach dem Inhalt des vorgenannten Vertrages hatte der Bruder der Klägerin an diese "... eine Herauszahlung in Höhe von DM 65000 ... zu leisten", die sich nach Abzug des zu übertragenden Anteils an den Wertpapieren noch auf 35 000 DM belief. Die Klägerin war neben ihrer Mutter und neben ihrem Bruder an dem Vertrag als Vertragspartnerin beteiligt. Sie erhielt unmittelbar einen Anspruch gegen ihren Bruder auf Zahlung der 35 000 DM. Dementsprechend wurde die Sicherungshypothek zu ihren Gunsten bestellt und auch die Unterwerfung des Bruders unter die sofortige Zwangsvollstreckung läßt erkennen, daß die Klägerin Gläubigerrechte daraus sollte herleiten können.
Die - damals schon 80 Jahre alte - Mutter der Klägerin hatte sich keinerlei Rechte an der Forderung vorbehalten. Demgemäß standen auch die zu zahlenden Zinsen der Klägerin und nicht der Mutter zu. Daß die Mutter gegenüber der Klägerin noch auf irgendeine Weise für die Erfüllung der Forderung durch den Bruder einstehen wollte, ist dem Vertrag ebenfalls nicht zu entnehmen, zumal die Klägerin mit der Sicherungshypothek und der Unterwerfungsklausel eigene Vollstreckungsmöglichkeiten erhalten hatte. Gegenstand der Schenkung der Mutter an die Klägerin war damit bereits die der Klägerin zur ausschließlichen Verfügung überlassene Forderung und nicht - wie die Klägerin meint - erst das aufgrund dieser Forderung zu zahlende Kapital einschließlich Nebenleistungen.
b) Der Senat verkennt nicht, daß diese Definition des Gegenstandes der Zuwendung den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 1959, auf welchen das FG seine Entscheidung gestützt hat, einschränkt. Denn Auflage i. S. dieser Vorschrift kann dann nur diejenige sein, welche dem Begünstigten keinen oder zumindest keinen frei verfügbaren Anspruch auf die Leistung verschafft; andernfalls tritt die Steuerpflicht bereits entgegen § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG mit Begründung dieses Anspruchs gemäß § 3 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 ErbStG ein. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß diese enge Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG dessen Sinn und Zweck entspricht, wenn man den Zusammenhang mit § 2 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG 1959 berücksichtigt. Wird die Auflage von einem Erblasser angeordnet, so erwirbt der Begünstigte kein Recht auf die Leistung (§ 1940 BGB). Die Steuer entsteht dementsprechend erst mit der Vollziehung der Auflage, d. h. wenn die betreffende Leistung erbracht ist 2 Abs. 2 Nr. 2, § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d. ErbStG 1959). Dann ist es gerechtfertigt, auch im Bereich der Schenkung den § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nur auf vergleichbare Sachverhalte anzuwenden, d. h. auf Fälle, in denen der durch die Auflage Begünstigte kein oder zumindest kein frei verfügbares Recht auf die Leistung erwirbt. Erhält er dagegen eine solche Forderung, dann besteht kein Grund, die Steuerpflicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG hinauszuschieben, bis die Forderung erfüllt wird; denn mit dem frei verfügbaren Recht auf Leistung hat der Begünstigte bereits einen Vermögensgegenstand in den Händen.
2. Ausgeführt i. S. des § 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG war im vorliegenden Fall die Zuwendung der Mutter an die Klägerin mit Abschluß des Vertrages vom 10. November 1972, durch welchen die Forderung der Klägerin gegen ihren Bruder begründet wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 413462 |
BStBl II 1981, 78 |
BFHE 1981, 536 |