Leitsatz (amtlich)
1. Die Abtretung einer Forderung, die aus der Verwirklichung des Tatbestands der Einkunftserzielung durch den Abtretenden herrührt, bewirkt nicht, daß nunmehr der Abtretungsempfänger diesen Tatbestand verwirklicht.
2. Die Klärung von steuerlichen Rechtsfragen ist Sache des Abtretenden, der seinen Zahlungsanspruch, nicht aber auch seine steuerschuldrechtliche Stellung abgetreten hat.
Orientierungssatz
Abschluß eines know-how-Vertrags durch eine inländische Gesellschaft mit einer ausländischen Gesellschaft (know-how-Geber); Abtretung der Vergütungen aus dem know-how-Vertrag an eine andere ausländische Gesellschaft. Die inländische Gesellschaft behielt von den geschuldeten Vergütungen Steuerabzugsbeträge ein und führte sie an das FA ab. Die andere ausländische Gesellschaft (Abtretungsempfänger) konnte mangels des Tatbestands der Einkünfteerzielung keine Erstattung der Abzugsteuer verlangen.
Normenkette
EStG § 49 Abs. 1, § 50a Abs. 4; FGO § 40 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Anstalt (Etablissement) liechtensteinischen Rechts mit Sitz in ... (Liechtenstein). Sie begehrt vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) die Erstattung von Steuerabzugsbeträgen in Höhe von ... DM. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) schloß die B-AG in ... am ... 1967 mit der M Inc., ..., und mit deren Präsidenten ... (P) (Know-how-Geber) einen Know-how-Vertrag, nach dem sich die Know-how-Geber verpflichteten, der B-AG die technischen Kenntnisse zur Herstellung von ... zu überlassen und die dazu erforderlichen Apparate herzustellen. Aufgrund dieses Vertrages zahlte die B-AG in den Jahren 1967 bis 1976 Vergütungen von insgesamt rund ... DM. Am ... 1971 hatte P seine "present and future claims for payment" an die Klägerin abgetreten. In der Folgezeit fällig gewordene Zahlungen leistete die B-AG daher an die Klägerin. Im Jahre 1977 trat die Klägerin an das FA mit dem Begehren heran, festzustellen, daß sie mit den vor dem 1.Januar 1974 zugeflossenen Vergütungen in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) nicht steuerpflichtig und mit den danach bezogenen Beträgen steuerpflichtig sei. Durch Bescheid vom ... 1977 entschied das FA, die Klägerin sei mit den Vergütungen nicht einkommensteuerpflichtig, weil keine "Einkunftsquelle" übertragen, sondern nur Zahlungsansprüche abgetreten worden seien. Im Einspruchsverfahren gegen diesen Bescheid begehrte die Klägerin vom FA die Zahlung eines Betrages von ... DM, nachdem sie erfahren hatte, daß die B-AG diese Summe von den nach dem Know-how-Vertrag geschuldeten Vergütungen als Steuerabzugsbeträge einbehalten und im Juli 1977 an das FA abgeführt hatte.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage machte die Klägerin u.a. geltend, entgegen der Auffassung des FA liege in der Abtretung keine einkommensteuerrechtlich unerhebliche Einkommensverwendung der Know-how-Geber. Die Abtretung habe den Inhalt der Forderung als "Know-how-Gebühren" nicht verändert. Die Vergütungen seien nicht steuerpflichtig, soweit sie bis zum 21.Juli 1974 (§ 52 Abs.22 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- 1974) zugeflossen seien. Gleichwohl verlange die Klägerin vom FA Zahlung der gesamten abgeführten Steuerabzugsbeträge. Unterstelle man nämlich die Ansicht des FA über die unbeachtliche Einkommensverwendung als richtig, stehe dem FA kein Steueranspruch gegen die Know-how- Geber zu. Die Klägerin halte sich für berechtigt, aufgrund der Abtretung deren Erstattungsansprüche geltend zu machen.
...
Nach dem über die mündliche Verhandlung aufgenommenen Protokoll übergab der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin ein Schriftstück in englischer Sprache mit der Behauptung, daß darin die Ermächtigung der Know-how-Geber liege, die Forderung im Wege der Prozeßstandschaft geltend zu machen.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin, das angefochtene Urteil weiche von anderen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) ab, dem FG sei ein Verfahrensfehler unterlaufen und seine Erwägungen seien von Rechtsirrtum beeinflußt.
...
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Soweit die Klägerin einen Verfahrensmangel rügt, hat sie nicht --wie es § 120 Abs.2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verlangt-- die Tatsachen bezeichnet, die diesen Verfahrensmangel ergeben.
II. Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen für eine Erstattung des streitigen Betrages an die Klägerin nicht vorliegen.
1. Der Steuerabzug wird für Rechnung des Steuerschuldners vorgenommen (§ 50a Abs.5 Satz 2 EStG). Ist dies ohne rechtlichen Grund geschehen (z.B. für steuerfreie Einkünfte), kann der Steuerschuldner die Erstattung der abgeführten Steuer verlangen (vgl. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 3.Aufl., § 50a Anm.9). Durch § 155 Abs.1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO 1977) wird zwischen der Freistellung von einer Steuer und der nachfolgenden Erstattung der bisher entrichteten Steuer unterschieden (vgl. BTDrucks VI/1982 zu § 136, S.145). Eine solche Freistellung --als Voraussetzung einer Erstattung-- käme in Betracht, wenn die Klägerin mit Erfolg geltend machen würde, sie sei mit ihr zuzurechnenden Einkünften nicht (beschränkt) steuerpflichtig, weshalb keine Einkommensteuer als Abzugsteuer zu erheben (gewesen) sei. Der Senat legt das Einspruchs- und Klagebegehren auf Zahlung des streitigen Betrages zugunsten der Klägerin dahin aus, daß (auch) Freistellung im vorgenannten Sinne begehrt wird.
2. Die Klägerin kann eine solche Freistellung und Erstattung nicht verlangen, weil sie die streitigen Einkünfte nicht erzielt hat.
a) Dabei kann der Senat offenlassen, ob er den Erörterungen des FG zur Übertragung der "Einkunftsquelle" folgen könnte. Wem Einkünfte zuzurechnen sind, bestimmt sich danach, wer den Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt (vgl. BFH-Urteil vom 9.Dezember 1981 I R 215/78, BFHE 136, 455, BStBl II 1983, 27). Der Tatbestand der Einkunftserzielung besteht nicht in dem bloßen Zufließen von Einkünften, sondern (hier) im Überlassen von Know-how gegen Entgelt. Der vom FG festgestellte Sachverhalt läßt nicht erkennen, daß die Klägerin den Tatbestand der Einkunftserzielung hinsichtlich der streitigen Einkünfte erfüllt hat. An die Klägerin wurden am ... 1971 Zahlungsansprüche abgetreten. Es ist nicht festgestellt und es wird von der Klägerin auch nicht behauptet, daß die Know-how-Geber ihr Wissen --in steuerrechtlich anzuerkennender Weise-- auf die Klägerin übertragen hätten und die Klägerin dieses Wissen sodann dem Auftraggeber in der Bundesrepublik zur Verfügung gestellt hätte. Die Abtretung einer Forderung, die aus der Verwirklichung des Tatbestandes der Einkunftserzielung durch einen Dritten herrührt, bewirkt nicht, daß dieser Tatbestand nunmehr vom Abtretungsempfänger verwirklicht würde (vgl. BFH-Urteil vom 11.Dezember 1968 I 250/64, BFHE 94, 488, BStBl II 1969, 188).
b) Den Feststellungen des FG ist nicht zu entnehmen, aus welchem Rechtsgrund --entgeltlich oder unentgeltlich-- die Forderungen an die Klägerin abgetreten worden sind. Dies kann dahinstehen, weil in beiden Fällen (nur) solche Verfügungen über Einkünfte vorlägen, die eine Zurechnung der Einkünfte beim Abtretenden nicht verhindern könnten (vgl. Littmann, Einkommensteuerrecht, 13.Aufl., 1981, § 2 Anm.97-97 b; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 2 EStG Anm.40 j, S. E 97). Bei der Auszahlung der Beträge durch den Vergütungsschuldner sind die Abzugsteuern zu Lasten des Abtretenden abzuziehen, wie wenn die Ansprüche nicht abgetreten worden wären (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 9.März 1927 VI A 537/26, RFHE 21, 27, 30). Denn die Abtretung bewirkt --wie vorstehend erwähnt-- nicht, daß der Tatbestand der Einkunftserzielung nunmehr vom Abtretungsempfänger verwirklicht würde.
3. Der Auffassung der Klägerin, sie könne eine Erstattung aufgrund der an sie abgetretenen Ansprüche verlangen, auch wenn der Tatbestand der Einkunftserzielung von den Know-how-Gebern erfüllt worden sei, kann nicht gefolgt werden. Dabei kann der Senat offenlassen, ob --wozu das FG keine Feststellungen getroffen hat-- eine wirksame Abtretung vorliegt und ob die Abtretungsvereinbarung vom ... 1971 in dem Sinne auszulegen wäre, daß sie auch die streitigen Steuererstattungsansprüche --soweit sie auf die Zeit nach dem ... 1971 entfallen-- umfassen würde. Selbst wenn diese Fragen im Sinne der Klägerin zu beantworten wären, könnte sie keine Erstattung verlangen.
a) Voraussetzung einer Erstattung wäre --wie oben erörtert--, daß die Know-how-Geber als Vergütungsgläubiger gegenüber dem FA mit Erfolg geltend gemacht hätten, sie seien mit den streitigen Einkünften nicht (beschränkt) einkommensteuerpflichtig, weshalb keine Einkommensteuer (Abzugsteuer) zu erheben sei (§ 155 Abs.1 Satz 3 AO 1977).
Eine Freistellung und Erstattung --durch das Bundesamt für Finanzen (BfF)-- könnte ferner in Betracht kommen, wenn die Vergütungsgläubiger gegenüber dem BfF mit Erfolg geltend gemacht hätten, die streitigen Einkünfte seien zwar gemäß §§ 49, 50a Abs.4 EStG steuerpflichtig, jedoch von deutschen Abzugsteuern aufgrund von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu entlasten (§ 5 Abs.1 Nr.2 des Finanzverwaltungsgesetzes --FVG--, § 73h der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV--). Im Streitfall liegen solche Freistellungen nicht vor. Für die begehrte Erstattung ist daher kein Raum.
b) Geht man --wie oben angenommen-- davon aus, daß das Einspruchs- und Klagebegehren neben dem Erstattungsantrag einen (Verpflichtungs-)Antrag auf Erteilung eines Freistellungsbescheides durch das FA enthält, ist das Klagebegehren insoweit unzulässig, weil die Klägerin nicht geltend machen kann, durch die Ablehnung oder Unterlassung eines derartigen Verwaltungsaktes in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 40 Abs.2 FGO). Die Rechtsstellung der Klägerin wird durch eine Versagung des Freistellungsbescheides nicht berührt. Die Klägerin mag zwar infolge der Abtretung --sofern und soweit sie die streitigen Beträge umfassen sollte-- ein wirtschaftliches Interesse an der Erteilung eines solchen Bescheids haben. Mit der Abtretung hat die Klägerin aber keine Rechte hinsichtlich des den Abtretenden betreffenden Steuerfestsetzungsverfahrens erworben. Die Klärung von Rechtsfragen ist in diesem Zusammenhang Sache des Abtretenden, der (allenfalls) seinen Zahlungsanspruch abgetreten hat, nicht aber auch seine steuerschuldrechtliche Stellung (vgl. BFH-Urteile vom 21.März 1975 VI R 238/71, BFHE 115, 413, BStBl II 1975, 669; vom 25.April 1978 VII R 2/75, BFHE 125, 138, BStBl II 1978, 464).
4. Nicht erheblich ist das Revisionsvorbringen der Klägerin, sie habe "dem FG eine Urkunde in englischer Sprache überreicht, die das Recht der Klägerin dokumentiert, die Know-how-Geber in eigenem oder fremden Namen zu vertreten und Steueransprüche gegen den deutschen Fiskus geltend zu machen". Ein Verfahren der Know-how-Geber in deren Namen liegt nicht vor. Im eigenen Namen kann die Klägerin die Rechte der Know-how-Geber nicht geltend machen, weil über die Rechtsstellung im Steuerfestsetzungsverfahren nicht verfügt werden kann. Eine gewillkürte Prozeßstandschaft kommt insoweit nicht in Betracht (vgl. BFHE 115, 413, BStBl II 1975, 669; BFHE 125, 138, BStBl II 1978, 464). Damit kann dahinstehen, ob für dieses Begehren ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren durchgeführt ist oder nicht.
III. Die Hilfsanträge der Klägerin werden vom Hauptantrag umfaßt. Sie sind mit der Bescheidung des Hauptantrags in der Weise beantwortet, daß nicht die Klägerin, sondern die Know-how-Geber aus dem Vertrag mit der B-AG Einkünfte erzielt haben und daß deshalb die Klägerin mit diesen Einkünften nicht steuerpflichtig sein kann.
Fundstellen
Haufe-Index 60929 |
BStBl II 1985, 330 |
BFHE 143, 252 |
BFHE 1985, 252 |
BB 1985, 980-981 (LT) |
DB 1985, 1978-1979 (ST) |
DStR 1985, 381-382 (LT) |
HFR 1985, 321-322 (ST) |