Leitsatz (amtlich)
Gelangt das FA aufgrund einer bei einem vermeintlichen Einzelunternehmer durchgeführten Außenprüfung zu dem Ergebnis, daß eine Mitunternehmerschaft vorgelegen habe, so ist die Auswertung der Prüfungsergebnisse gegenüber dem Mitunternehmer zulässig, wenn der vermeintliche Einzelunternehmer die Prüfungsmaßnahmen nicht angegriffen hat.
Normenkette
AO 1977 §§ 118, 194 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Erbin des verstorbenen Unternehmers R. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin als seine Arbeitnehmerin oder als Mitunternehmerin tätig war.
Die Klägerin war früher Alleininhaberin eines von ihrem Ehemann gegründeten Unternehmens. Zum 1. Januar 1970 brachte sie das Unternehmen in eine mit R gegründete OHG ein. Bereits zum 1. Mai 1970 schied sie aus der Gesellschaft aus; das Unternehmen wurde von R weitergeführt. Im Februar 1978 erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gegen R eine Prüfungsanordnung hinsichtlich der Jahre 1974 bis 1976. Während der Prüfung ergaben sich Anhaltspunkte für eine Mitunternehmerschaft der Klägerin. Daraufhin erließ das FA im März 1978 auch gegen die Klägerin eine Prüfungsanordnung; danach sollte sich die Prüfung auf ihre Einkommensteuer 1974 bis 1976 erstrecken. Beide Anordnungen wurden nicht angefochten.
In der Prüfung stellte sich heraus, daß anläßlich des Ausscheidens der Klägerin aus der OHG eine Auseinandersetzungsvereinbarung nicht getroffen worden war. Die Klägerin beließ ihr Kapitalkonto dem R als unverzinsliches Darlehen. Sie blieb im Unternehmen aufgrund eines Arbeitsvertrages auch weiterhin als Geschäftsführerin tätig. Als Entgelt erhielt sie ein monatliches Fixum von 1 500 DM und eine Tantieme in Höhe von 10 v. H. des Jahresumsatzes, auf die das Fixum angerechnet wurde. Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge wurden nicht abgeführt. Die angefallenen Vergütungen wurden auf dem Darlehenskonto verbucht. Hierüber wickelte die Klägerin auch Privatausgaben ab. Ende 1976 gründeten die Klägerin und R wiederum eine OHG, in die nunmehr R das Unternehmen einbrachte; zum 1. Januar 1977 wurde die OHG in eine GmbH umgewandelt, an der die Klägerin und R jeweils zur Hälfte beteiligt waren.
Aufgrund dieser Feststellungen nahm das FA an, daß zwischen der Klägerin und R in den Streitjahren 1974 bis 1976 im Innenverhältnis eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bestanden habe und daß die Klägerin Mitunternehmerin gewesen sei; das FA erließ deswegen einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide. Einen von der Klägerin an das Unternehmen vermieteten Gebäudeteil sah das FA als Sonderbetriebsvermögen der Klägerin an; da der Gebäudeteil nicht in die GmbH eingebracht wurde, ging das FA davon aus, daß er zu diesem Zeitpunkt mit seinem Teilwert entnommen worden sei.
Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Klägerin und R gegen die Gewinnfeststellungsbescheide Klage. Während des Klageverfahrens ist R verstorben. Die Klägerin machte nunmehr geltend, daß das FA keine Prüfungsanordnung gegen die GbR erlassen habe und daß deswegen die Feststellungen der Prüfung nicht ausgewertet werden dürften. Daraufhin überreichte das FA der Klägerin vor der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) eine weitere Prüfungsanordnung gegen die GbR, nach der sich die Prüfung auf die Feststellung der Einkünfte und des Einheitswerts des Betriebsvermögens sowie die Gewerbesteuer in den Jahren 1974 bis 1976 erstrecken sollte.
Das FG folgte der Auffassung der Klägerin und hob die Feststellungsbescheide auf.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Zu Unrecht meint das FG, das FA habe die Erkenntnisse aus seiner Außenprüfung nicht auswerten und die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide nicht erlassen dürfen, weil es an der erforderlichen Prüfungsanordnung gegenüber der GbR gefehlt habe. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob eine Auslegung der gegenüber R und der Klägerin ergangenen Prüfungsanordnungen ergibt, daß sich die Prüfung auf die Verhältnisse der nach der Annahme des FA zwischen der Klägerin und R bestehenden GbR erstrecken sollte. Selbst wenn nämlich die Prüfungsanordnung, wie das FG angenommen hat, nur gegenüber dem R als Unternehmensinhaber gemäß § 193 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ergangen wäre, könnte das FA die dabei gewonnenen Erkenntnisse auch für Steuerfestsetzungen gegenüber der Klägerin verwerten.
Ein Verwertungsverbot würde voraussetzen, daß R die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung bzw. der auf ihrer Grundlage ergriffenen Prüfungsmaßnahmen angegriffen hätte und in der Folge ihre Rechtswidrigkeit festgestellt worden wäre; dies ist nicht geschehen. Bei den einzelnen Prüfungsmaßnahmen handelt es sich nicht, wie das FG meint, um Realakte, sondern - sofern sie dem Steuerpflichtigen ein bestimmtes Verhalten aufgeben - um anfechtbare Verwaltungsakte i. S. von § 118 AO 1977. Dies gilt unabhängig davon, ob die Maßnahmen sich innerhalb einer gültigen Prüfungsanordnung halten, über diese hinausgehen oder außerhalb eines formellen Prüfungsverfahrens ergriffen werden (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Februar 1968 GrS 5/67, BFHE 91, 351, BStBl II 1968, 365; Urteil vom 27. Juni 1968 VII 243/63, BFHE 92, 354, BStBl II 1968, 592; siehe auch Urteil vom 5. November 1981 IV R 179/79, BFHE 134, 395, BStBl II 1982, 208, 211). Ein solcher Verwaltungsakt entfaltet Wirksamkeit, solange er nicht aufgehoben ist (§ 124 Abs. 2 AO 1977). Der betroffene Steuerpflichtige muß deshalb eine beanstandete Prüfungsmaßnahme anfechten, um ihr die Wirksamkeit zu nehmen und die Verwertung der mit ihrer Hilfe festgestellten Tatsachen zu vermeiden (vgl. BFH-Urteile vom 30. Oktober 1974 I R 40/72, BFHE 114, 85, BStBl II 1975, 232; vom 27. Juli 1983 I R 210/79, BFHE 139, 221, BStBl II 1984, 285; Beschluß vom 11. Juli 1979 I B 10/79, BFHE 128, 170, BStBl II 1979, 704). Dies ist seitens des R nicht geschehen, so daß die Klägerin daraus kein Verwertungsverbot herleiten kann.
Das FA war nicht gehindert, die Feststellungen aus einer bei R als dem Unternehmensinhaber durchgeführten Außenprüfung auch gegenüber der Klägerin zu verwerten. Daß die Finanzbehörde zur Aufklärung des steuererheblichen Sachverhalts (§ 88 AO 1977) auch Ermittlungen bei Dritten anstellen kann, ist nicht zweifelhaft; dies ergibt sich u.a. aus § 93 AO 1977, der die Einholung von Auskünften bei Dritten regelt. Für den Streitfall ist insbesondere die Bestimmung des § 194 Abs. 3 AO 1977 bedeutsam. Diese sieht vor, daß anläßlich einer Außenprüfung auch die Verhältnisse Dritter festgestellt werden können und daß die Auswertung solcher Feststellungen insoweit zulässig ist, als ihre Kenntnis für die Besteuerung dieser Personen von Bedeutung ist. Demgemäß konnte das FA auch bei einer nur gegen R gerichteten Außenprüfung die Erkenntnisse berücksichtigen, die es über die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und R erlangt hatte, und hieraus durch den Erlaß von einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheiden die steuerlich gebotenen Folgerungen ziehen. Welche Bedeutung die gegenüber der Klägerin ergangene Prüfungsanordnung hat, kann daher dahingestellt bleiben.
Das FG wird nunmehr zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes im Streitfall erfüllt waren und die Gewinnfeststellungsbescheide zu Recht ergangen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 75007 |
BStBl II 1984, 512 |
BFHE 1984, 505 |