Leitsatz (amtlich)
Wird ein Grunderwerbsteuerbescheid in vollem Umfang angefochten, ist mit der Angabe dieses Steuerbescheids der Streitgegenstand bezeichnet.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte Klage erhoben mit dem Antrag, einen mit Datum und Aktenzeichen angegebenen Grunderwerbsteuerbescheid des namentlich bezeichneten FA und die in derselben Weise beschriebene Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die Klageschrift enthält keine weiteren Ausführungen. Das FG hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger den Streitgegenstand nicht bezeichnet und die Bezeichnung auch nicht innerhalb der vom Vorsitzenden gesetzten Frist nachgeholt habe (EFG 1972, 129).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet.
Das FG ist bewußt von dem Urteil des BFH vom 24. September 1970 - II R 37/70 - (BFHE 100, 429, BStBl II 1971, 112) und unbewußt von dem damals noch nicht veröffentlichten Urteil des BFH vom 15. April 1971 - IV R 173-174/71 - (BFHE 104, 309, BStBl II 1972, 348) abgewichen.
In dem erstgenannten Urteil hatte der II. Senat zu § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO ausgesprochen, die Bezeichnung des angefochtenen Steuerbescheids enthalte zugleich die Bezeichnung des Streitgegenstandes, wenn ein durch die Einspruchsentscheidung bestätigter Steuerbescheid in vollem Umfang angefochten sei. Zum gleichen Ergebnis ist inzwischen der III. Senat des BFH für die Anfechtung einer Einheitswertfeststellung gekommen (Urteil vom 8. Oktober 1971 - III R 79/67, BFHE 103, 400, BStBl II 1972, 59); auch der VIII. Senat des BFH hat sich dieser Auffassung angeschlossen (Urteil vom 5. Dezember 1972 - VIII R 160/71, BFHE 108, 276, BStBl II 1973, 498).
In dem zweitgenannten Urteil hat der IV. Senat befunden, die gemäß § 65 Abs. 2 FGO vom Vorsitzenden des Gerichts zu setzende Frist zur Ergänzung der Klage sei keine Ausschlußfrist.
Ob dem Kläger eine solche Frist wirksam gesetzt war, kann im vorliegenden Fall zweifelhaft erscheinen. Denn eine entsprechende Verfügung des Vorsitzenden ist dem Kläger nicht als solche zugestellt worden (§ 53 Abs. 1 FGO). Vielmehr ist der Kläger bei Bestätigung des Eingangs der Klageschrift durch die Geschäftsstelle "auf Grung Verfügung des Vorsitzenden" - damit aber durch die Geschäftsstelle - aufgefordert worden, "bis 10. August 1970 den Sachverhalt, dessen steuerliche Würdigung gerügt wird (Streitgegenstand), darzulegen sowie die Klage zu begründen und einen entsprechenden Klageantrag zu stellen (§ 65 Abs. 1 FGO)"; das letztgenannte war bereits geschehen. Demnach ist der Kläger nur - wie in den Fällen des § 71 Abs. 1 Satz 3 und des § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO weitgehend üblich - von einer (bei den Akten befindlichen) richterlichen Verfügung benachrichtigt worden (vgl. § 272b Abs. 4 Satz 1 ZPO), hat diese aber nicht in Ausfertigung erhalten. Da die Geschäftsstelle nicht "im Auftrag" des Richters in dessen Namen zeichnen kann, ist folglich die "Aufforderung" (§ 65 Abs. 2 FGO) der äußeren Form nach von der Geschäftsstelle ergangen.
Die vom Vorsitzenden gemäß § 65 Abs. 2 FGO gesetzte Frist ist nicht - wie das FG annimmt - eine gesetzliche, sondern eine richterliche. Der Fall des § 65 Abs. 2 FGO ist dem des § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht vergleichbar. Denn dort verlängert der Vorsitzende die gesetzliche Revisionsbegründungsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO, gewährt also von ihr bedingten Dispens. Werden dessen Voraussetzungen nicht eingehalten - die Revisionsbegründung also auch in der verlängerten Frist nicht eingereicht -, ist zugleich die gesetzliche Frist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO versäumt. Die Fristsetzung gemäß § 65 Abs. 2 FGO kann dagegen nicht als eine Verlängerung der Klagefrist (§ 47 FGO) verstanden werden, zumal § 65 Abs. 2 FGO allgemein und damit auch für unbefristete Klagen gilt.
Aus dem letzterwähnten Grunde kann das angefochtene Urteil allerdings nicht aufgehoben werden. Denn aus dessen Tatbestand (§ 105 Abs. 2 Nr. 4 FGO) ist nicht zu ersehen, daß der Kläger die vom FG vermißten Ausführungen zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt oder vorgetragen hätte (vgl. die Definition des Begriffes Tatbestand in § 313 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Eine Verfahrensrüge (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO), wonach der Kläger bei genügender Aufklärung (§ 76 Abs. 2 FGO) entsprechende Ausführungen gemacht hätte, liegt nicht vor.
Als verletzt gerügt (§ 120 Abs. 1 Satz 2 FGO) und verletzt ist jedoch § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Kläger hatte den Streitgegenstand bereits in der Klageschrift bezeichnet. Bei voller Anfechtung eines Grunderwerbsteuerbescheides gibt es keinen anderen Streitgegenstand als entweder die Rechtmäßigkeit der Grunderwerbsteuerfestsetzung im ganzen oder das Bestehen oder Nichtbestehen der Grunderwerbsteuerforderung.
Nach Ansicht des FG ist Streitgegenstand "hier der konkrete Sachverhalt, in dessen steuerrechtlicher Würdigung durch die Beklagte der Kläger im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO eine Verletzung seiner Rechte erblickt". Indessen ist Streitgegenstand nicht das, worüber sich die Beteiligten im gemeinsprachlichen Sinne "streiten", also tatsächliche Behauptungen und Gegenbehauptungen aufstellen - andernfalls hätte das Revisionsverfahren bei nur materiell-rechtlichen Rügen keinen Streitgegenstand (§ 118 Abs. 2 FGO) -, sondern das, worüber die Entscheidung des Gerichts begehrt wird und in Rechtskraft erwächst (§ 110 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit das Gericht darüber entscheidet.
Die Entscheidung zur Sache ergeht über die Rechtsfolgen und nicht über die Entscheidungselemente (RGZ 11, 384), also nicht über die dem Streite zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse oder Rechtsansichten der Beteiligten. Vom Streit über die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde (§ 256 ZPO) abgesehen sind Rechtsverhältnisse und nicht Tatsachen (Sachverhalte) Gegenstand des (prozessualen) Streites und der Entscheidung.
Andererseits ist nicht zu verkennen, daß der prozessuale Streitgegenstand - außer in Normenkontrollverfahren - nicht gedacht werden kann ohne einen bestimmten Tatsachenkomplex (Sachverhalt), über dessen Rechtsfolgen entschieden wird. Ein prozessualer Anspruch - sei es auf Leistung, Feststellung oder Gestaltung - setzt, um begründet zu sein, Tatsachen voraus. Daher trifft es zu, daß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO mit der "bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs" die Darlegung der klagebegründenden Tatsachen verlangt (sie gehören allerdings zum "Grund des Anspruchs" und nicht zu dessen "Gegenstand"); damit wird der "erhobene Anspruch" zugleich für den Bereich des § 322 Abs. 1 ZPO gegen andere Ansprüche abgegrenzt.
Daraus folgt jedoch für die hier zu entscheidende Frage nichts. Zwar wäre eine Klage, mit der als Grund des erhobenen Anspruchs auf eine Geldforderung nur "Kauf" angegeben wäre, nicht nur unschlüssig, sondern sogar unzulässig, aber nur deshalb, weil bei einem die Klage abweisenden Urteil unklar bliebe, welcher von mehreren möglichen Kaufpreisansprüchen rechtskräftig aberkannt wäre (§ 322 Abs. 1 ZPO). Ist dagegen die Forderung dahin substantiiert, daß die Kaufpreisforderung aus dem an einem bestimmten Tage abgeschlossenen Verkauf eines bestimmten Gegenstandes geltend gemacht werde, ist den Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt (vgl. die wortgleichen Anforderungen in § 690 Nr. 3 ZPO) und es kann sich nur noch darum handeln, ob eine solche Angabe ausreicht, die Klage schlüssig zu begründen (so daß bei Säumnis des Beklagten ihr auf Antrag des Klägers stattzugeben wäre - § 331 ZPO - und bei Säumnis des Klägers die Klageabweisung Rechtskraft zur Sache selbst schaffen könnte; §§ 330, 322 Abs. 1 ZPO).
Überträgt man dies auf die Anfechtungsklage des finanzgerichtlichen Verfahrens, so ist mit der Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes der Streitgegenstand jedenfalls dann bezeichnet, wenn dieser in der vollen Höhe der Festsetzung angefochten ist und - wie bei Grunderwerbsteuerbescheiden - der Festsetzung nur ein Lebensvorgang zugrunde liegen kann. Für die Anfechtungsklage gegen einen solchen Bescheid (damit aber nicht unbedingt auch für die Anfechtung von Jahressteuerbescheiden) hat - wie das FG selbst hervorhebt - "der Sachverhalt über den entschieden wird, im Anfechtungsgegenstand seinen Niederschlag gefunden". Der Streit geht regelmäßig (vgl. allerdings § 100 Abs. 1 Sätze 2 bis 4, Abs. 3 FGO) nur um die Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO); auch die Herabsetzung der Steuer gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO ist im Grunde nichts anderes als eine Teilaufhebung der Steuerfestsetzung (arg. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Da bei der Festsetzung der Steuer aus einem Einzelvorgang schon der angefochtene Verwaltungsakt auf einem bestimmten Sachverhalt oder Sachverhaltskomplex beruht haben muß, bestimmt er und nicht die Klage, soweit sie Anfechtungsklage ist (§ 40 Abs. 1, § 44 Abs. 2 FGO), die äußersten Grenzen des möglichen Streitgegenstandes.
Trotzdem kann auch für das finanzgerichtliche Verfahren der Streitgegenstand etwa in der Art bestimmt werden, daß er das aus einem bestimmten Sachverhalt oder Sachverhaltskomplex abgeleitete Rechtsfolgebegehren sei (vgl. die Unterscheidung zwischen Klagebegehren und Klageantrag in § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) oder auch nur die Behauptung einer solchen Rechtsfolge. Eine solche für die Leistungsklage brauchbare (wenn nicht notwendige) Begriffsbildung muß sich aber, wenn sie auf die Anfechtungsklage übertragen wird, mit dem Beschluß des BFH vom 17. Juli 1967 - Gr. S. 1/66 - (BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344) auseinandersetzen. Dieser Beschluß des Großen Senats ist entgegen der Ansicht des FG nicht "ausschließlich zur Frage der Zulässigkeit der sogenannten Saldierung ergangen". Denn die "Saldierung" der zugunsten des Klägers gemachten Fehler eines Bescheides (die der Kläger selbstverständlich nicht beanstandet) mit den von ihm beanstandeten Fehlern, die zu seinen Lasten gehen, ist selbstverständlich, sofern Streitgegenstand bei Anfechtung eines Steuerbescheides dessen Rechtmäßigkeit ist und der Streitgegenstand nur durch die betragsmäßigen Grenzen des Begehrens begrenzt wird.
Demgegenüber ging die vom Großen Senat abgelehnte Ansicht dahin, der Kläger müsse - ebenso wie im Zivilprozeß - den Streit auf die Rechtsfolgen aus einem bestimmten, von ihm vorzutragenden Lebenssachverhalt begrenzen (BFHE 91, 400), also trotz § 213 Abs. 1 AO den Streit auf die Rechtsfolgen aus einzelnen tatsächlichen Elementen der Steuerfestsetzung (nicht aber auf deren rechtliche Würdigung) beschränken können.
Folgt man dem Großen Senat, ergibt sich demnach, daß das tatsächliche Vorbringen des Klägers den Umfang der Prüfung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) nicht begrenzt; die Rechtskraft der Entscheidung zur Sache erstreckt sich auf die Rechtmäßigkeit der Festsetzung im Umfang des streitigen Betrages (§ 110 Abs. 1 Satz 1 FGO), was immer auch der Kläger vorgetragen haben möge. Dann kann aber bei der Anfechtungsklage ein tatsächlicher Vortrag des Klägers nichts zur Beschreibung des Streitgegenstandes beitragen; er kann allein "die zur Begründung dienenden Tatsachen" im Sinne des § 65 Abs. 1 Satz 2 FGO enthalten.
Folgte man dem Großen Senat nicht, wäre allerdings unter Umständen neben der Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes noch eine Bezeichnung des Streitgegenstandes notwendig. Denn das Begehren, eine Ertragsteuerfestsetzung um einen bestimmten Betrag herabzusetzen, könnte z. B. sowohl darauf gestützt werden, daß die Einnahmen niedriger waren als angenommen, als auch darauf, daß die Betriebsausgaben höher waren. Der Streitgegenstand (§ 65 Abs. 1 Satz 1, § 110 Abs. 1 Satz 1 FGO) und damit auch der Sachverhalt, der von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu erforschen ist, wären in beiden Fällen verschieden. Das gälte bei Ertragsteuern auch, wenn nicht nur das beschränkte Begehren der Abänderung (§ 40 Abs. 1, § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO) geltend gemacht, sondern der Steuerbescheid im ganzen angefochten wird. Denn auch dafür können unterschiedliche Tatsachenkomplexe - geringere Einnahmen, größere Ausgaben, Ausgaben einer anderen Einkommensart, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastung usw. - geltend gemacht werden.
Anders ist es bei der Grunderwerbsteuer. Der Lebenssachverhalt, auf dem die Festsetzung beruht (§ 1 GrEStG), ist durch den angefochtenen Steuerbescheid abschließend festgelegt; dort ist "der Sachverhalt dargestellt" in dem Umfang, in dem es für die Bestimmung des Streitgegenstandes notwendig ist. Die Festsetzung der vollen Steuer enthält zugleich die Verneinung eines jeden beliebigen Befreiungsgrundes oder Vergünstigungsgrundes, der wiederum nur auf diesen Sachverhalt bezogen sein könnte. Die für die Ertragsteuern typische Verrechnung voneinander unabhängiger Rechnungsposten, welche im Lebenssachverhalt keine Verbindung haben, kennt die Grunderwerbsteuer nicht. Daher ist zumindest bei voller Anfechtung eines Grunderwerbsteuerbescheides mit dessen Bezeichnung auch der Lebenssachverhalt bezeichnet, um dessen steuerliche Rechtsfolgen gestritten werden soll. Über den Streitgegenstand (Gegenstand des Streites) kann daher keine Unklarheit bestehen.
Das FG geht vermutlich davon aus, es könnten verschiedene Streitgegenstände vorliegen, je nachdem, ob der Kläger den der Besteuerung unterliegenden Vorgang bestreite (§ 1 GrEStG) oder einen Befreiungsgrund geltend mache (z. B. aus § 3 GrEStG). Eine solche Betrachtung träfe indessen bereits für das Zivilprozeßrecht nicht zu. Denn schon für dieses ist unzweifelhaft, daß es nicht auf die einzelnen vom Kläger oder zur Abwehr des Anspruchs vom Beklagten vorgetragenen Tatsachen ankommt, sondern auf den Sachverhaltskomplex, dem sie angehören. So schafft z. B. die Verurteilung zu einer Geldleistung Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO) nicht nur dahin, daß die Geldforderung entstanden ist, sondern auch dahin, daß sie im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht erloschen war (§ 767 Abs. 2 ZPO), selbst wenn von Erfüllung, Verzicht oder einer anderen rechtsvernichtenden Tatsache im Rechtsstreit nicht die Rede gewesen ist.
Würden die Behauptung, der Vorgang unterliege nicht der Grunderwerbsteuer (§ 1 GrEStG), und die Behauptung, er sei von der Grunderwerbsteuer befreit (§ 3 GrEStG), verschiedene Streitgegenstände erzeugen, könnte das FG bei einer Klage mit der erstgenannten Rechtsbehauptung den Steuerbescheid nicht wegen Eingreifens eines Befreiungsgrundes, bei einer Klage mit der zweitgenannten Rechtsbehauptung nicht deshalb aufheben, weil der Vorgang der Grunderwerbsteuer nicht unterliegt. Denn zur Sache kann das Gericht nur über den mit dem bezeichneten Streitgegenstand erhobenen Anspruch entscheiden und nicht über einen anderen.
Andererseits ist der Streitgegenstand im Umfang des Klagebegehrens auszuschöpfen, wobei nicht nur sämtliche rechtlichen Gesichtspunkte von Amts wegen zu prüfen sind, sondern - abweichend von der Regel des Zivilprozesses - auch der Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen ist (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dabei ist das Klagebegehren, einen genau bezeichneten Steuerbescheid aufzuheben, eindeutig. Es ist daher weder zu ersehen, weshalb in diesem Falle sich "der Umfang des Klagebegehrens" erst aus "substantiierten, individualisierenden Darlegungen" ergeben sollte, noch inwiefern vermittels solcher "das Gericht die Grenzen seiner Befugnis abstecken" könnte.
Was auch immer der Kläger vortragen möge, kann bei voller Anfechtung eines Grunderwerbsteuerbescheids den Streitgegenstand nicht begrenzen. Vielmehr hat das Gericht bei voller Anfechtung eines Grunderwerbsteuerbescheides dessen Rechtmäßigkeit in vollem Umfang nachzuprüfen. Dem steht nicht entgegen, daß es seine Ermittlungspflicht nicht verletzt, wenn es Tatsachen außer acht läßt, die keiner der Beteiligten vorgetragen hatte und die auch sonst nicht in seinen Gesichtskreis getreten sind.
Auch mit Hilfe des § 40 Abs. 2 FGO kann nicht als Zulässigkeitserfordernis der Klage (wohl aber nach Maßgabe der §§ 76 bis 80 FGO) gefordert werden, daß der Kläger angebe, "in welcher Weise er durch den Akt der beklagten Behörde falsch beurteilt worden" sei. Denn nicht der Kläger hat die Rechtswidrigkeit eines rechtzeitig angefochtenen belastenden Verwaltungsaktes zu belegen, sondern der Beklagte dessen Rechtmäßigkeit. Ebenso wie bei der negativen Feststellungsklage des Zivilprozesses kann sich der Anfechtungskläger daher - was die Zulässigkeit der Klage anlangt (vgl. aber auch § 137 FGO) - auf die Bemerkung beschränken, daß er die - vom Gegner beanspruchte - Forderung (Richtigkeit der Festsetzung) bestreite. Diese Bemerkung ist stillschweigend in dem Antrag enthalten, den Steuerbescheid aufzuheben.
Durch diese Auslegung wird "der Gesetzesbefehl des § 40 Abs. 2 FGO" nicht "inhaltslos und verzichtbar". Dabei stehe dahin, ob § 40 Abs. 2 FGO exakt gefaßt ist. Bestimmt ist er jedenfalls dazu, Klagen Dritter abzuwehren, welche an einer Maßnahme oder Unterlassung zwar ein Interesse haben mögen, aber kein subjektives Recht darauf haben können. Das bedeutet für die Anfechtungsklage, daß deren Zulässigkeit in den Grenzen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gehalten werden soll, "soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist".
Das FG verlangt demnach als "Bezeichnung des Streitgegenstandes" bereits eine Klagebegründung. Dazu sagt aber § 65 Abs. 1 FGO nur, daß "die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben werden" sollen; das Fehlen dieser Angaben macht - wie die Unterscheidung zwische Muß- und Sollvorschriften zeigt - die Klage nicht unzulässig. Vielmehr hat gemäß § 76 Abs. 2 FGO - allerdings abweichend von § 279a ZPO eine lex imperfecta (vgl. noch §§ 279, 283 ZPO) - der Vorsitzende darauf hinzuwirken, daß "alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden". Den säumigen Kläger können die Rechtsfolgen aus § 118 Abs. 2 FGO und aus § 137 FGO treffen; § 140 Abs. 1 FGO, § 47 des Gerichtskostengesetzes ermöglichen eine besondere Säumnisgebühr.
Rechtsausführungen braucht der Kläger gemäß § 65 Abs. 1 FGO in der Klageschrift so wenig zu machen wie gemäß § 253 ZPO in der des Zivilprozesses. Eine dem § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO entsprechende Vorschrift gibt es für den ersten Rechtszug nicht.
Demzufolge war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und sachlichen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Ihm ist gemäß § 143 Abs. 2 FGO die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen worden.
Fundstellen
Haufe-Index 70592 |
BStBl II 1973, 820 |
BFHE 1974, 105 |